ifs_logo blauAm 6. April ka­men 45 Teil­neh­mer zum 12. Staats­po­li­ti­schen Sa­lon des IfS in Ber­lin zu­sam­men, um der Vor­stel­lung von Lie­ber Chef… Brie­fe an Ernst Jün­ger 1947–1961 bei­zu­woh­nen. Nach sechs Jah­ren der edi­to­ri­schen Ar­beit hat In­sti­tuts­lei­ter Dr. Erik Leh­nert da­mit ei­nen lan­ge über­fäl­li­gen Bei­trag zur Gei­stes­ge­schich­te ge­lie­fert, der den pri­va­ten Aus­tausch des Jahr­hun­dert­schrift­stel­lers und des gro­ßen Den­kers der deut­schen Nach­kriegs­rech­ten do­ku­men­tiert – mit ei­ner klei­nen Besonderheit:

Denn wie be­reits vor­ab an­ge­merkt, hat­te sich der Ver­lag Klett-Cot­ta letzt­lich ge­gen ei­nen ori­gi­nal­ge­treu­en Ab­druck der um­fang­rei­chen Brie­fe und Post­kar­ten Ernst Jün­gers ge­sperrt, ob­gleich es eine Art münd­li­cher Ab­spra­che hier­über zwi­schen Moh­lers Wit­we Edith und Jün­gers Wit­we Li­se­lot­te ge­ge­ben hat­te und der Ver­le­ger Götz Ku­bit­schek wäh­rend meh­re­rer Be­su­che bei Li­se­lot­te Jün­ger zu ei­ner grund­sätz­li­chen Über­ein­kunft ge­langt war, das zei­gen die Brie­fe aus Schnell­ro­da und Über­lin­gen. Der Ver­trag konn­te letzt­lich auf­grund der schwe­ren Er­kran­kung Frau Jün­gers nicht mehr auf­ge­setzt werden.

Auf den er­sten Blick mag dies ver­wun­dern, hät­te doch der kom­plet­te Brief­wech­sel an­dern­falls auch bei Klett-Cot­ta selbst er­schei­nen kön­nen, wenn es nur am Pu­bli­ka­ti­ons­ort An­tai­os ge­le­gen hätte.

In Wirk­lich­keit lag der Un­wil­le des Stutt­gar­ter Ver­lags, wie Leh­nert an­hand bei­spiel­haf­ter Aus­zü­ge aus der Kor­re­spon­denz er­läu­ter­te, an dem dort mü­he­voll kul­ti­vier­ten Bild zu­min­dest des Jün­gers nach ’45 als aus­schließ­lich äs­the­tisch in­ter­es­sier­tem Be­ob­ach­ter der Zeit­läuf­te. Die­ser Ein­druck wäre durch ei­ni­ge Stel­lung­nah­men des Al­ten von Wilf­lin­gen er­heb­lich ins Wan­ken ge­ra­ten – eine Un­ru­he, der Klett-Cot­ta sich und den Ab­satz an Jün­ger-Neu­auf­la­gen of­fen­bar nicht aus­set­zen wollte.

Haupt­sa­che aber ist, daß die Brie­fe Moh­lers nun end­lich er­schie­nen sind, nach­dem er­ste Pla­nun­gen zur Ver­öf­fent­li­chung noch zu des­sen Leb­zei­ten ent­stan­den. Die An­tei­le Jün­gers am Brief­wech­sel wur­den re­ge­sten­haft bei­gege­ben und er­lau­ben so auch ohne di­rek­te Wie­der­ha­be, die Ar­gu­men­ta­ti­ons­ver­läu­fe nach­zu­voll­zie­hen, wozu auch der um­fang­rei­che An­mer­kungs­ap­pa­rat beiträgt.

Ver­klam­mert wird der Aus­tausch vom Jün­ger­schen Ar­bei­ter, der ei­ner­seits den ju­gend­li­chen Moh­ler für sein Le­ben präg­te und an­de­rer­seits bei­spiel­haft für die Zwi­schen­kriegs­schrif­ten steht, de­ren Glät­tung und Sor­tie­rung für die Ge­samt­aus­ga­be zum vor­läu­fi­gen Zer­würf­nis der bei­den Män­ner führ­te, mit dem der Band endet.

Die vor­lie­gen­den Brie­fe ver­schaf­fen dem Le­ser ins­be­son­de­re eine In­nen­an­sicht des Be­triebs­ab­laufs beim Schrift­stel­ler Jün­ger – weit­aus in­ten­si­ver, als es der nur ver­suchs­wei­se Chro­nist Moh­ler mit sei­nem ei­ge­nen Ra­vens­bur­ger Ta­ge­buch ver­moch­te. Jün­ger, der Moh­ler als sei­ne In­ter­es­sen­ver­tre­tung in der Schweiz und Frank­reich nutz­te, spann den »Se­cre­ta­ri­us« rasch in sein wei­tes Netz aus Schrift­stel­ler- und Ver­le­ger­kon­tak­ten ein. Auch in die­ser Hin­sicht fin­den sich im Brief­wech­sel zahl­lo­se pri­va­te Ein­blicke, etwa in den Be­such Moh­lers bei Lou­is-Fer­di­nand Céline.

Die Brie­fe, aus de­nen Leh­nert zahl­rei­che lau­ni­ge Stel­len vor­trug, zeich­nen sich al­lein schon durch die Per­son Moh­lers, sei­ne Per­sön­lich­keit, Sach­kennt­nis und den Mut zum Wi­der­spruch aus. Der vor­lie­gen­de Band stellt da­mit eine will­kom­me­ne Ab­wechs­lung zur Viel­zahl eher schwa­cher Brief­wech­sel Ernst Jün­gers, etwa mit Mar­gret Bo­veri oder Ste­fan And­res, dar – ge­ra­de bei letz­te­rem stel­le sich laut Erik Leh­nert die Fra­ge, wes­halb er über­haupt pu­bli­ziert wer­den mußte.

Leh­nert und der Ver­lag An­tai­os ha­ben mit der Er­schlie­ßung der Brie­fe an Ernst Jün­ger 1947–1961 ei­nen wert­vol­len wis­sen­schaft­li­chen Bei­trag er­bracht; auch für den wei­te­ren Ver­lauf der 2016er Rei­he der Staats­po­li­ti­schen Sa­lons ist so­mit noch viel Gu­tes zu erwarten.

Be­stell­hin­weis:
Ar­min Moh­ler: Lie­ber Chef… Brie­fe an Ernst Jün­ger 1947–1961, hrsg. v. Erik Leh­nert, Schnell­ro­da 2015. 556 S., 44 €. Hier beim Ver­lag An­tai­os be­stel­len.