Un­ter Co­ro­na-Auf­la­gen lu­den wir dies­mal zur Aka­de­mie, die 90 Teil­neh­mer­plät­ze wa­ren nach 48 Stun­den aus­ge­bucht, The­ma: Staat und Ordnung.

Die 21. Som­mer­aka­de­mie des In­sti­tuts für Staats­po­li­tik mach­te dort kon­se­quent wei­ter, wo die 20. Win­ter­aka­de­mie mit dem The­ma »Lek­tü­ren« auf­ge­hört hat­te: »kei­ne AfD-Pro­mi­nenz, also kei­ne Dau­er­schlei­fe in­mit­ten der rech­ten Ge­sell­schaft des Spek­ta­kels, son­dern Grund­la­gen­ar­beit, Sub­stanz« (ur­teil­te Se­zes­si­on-Chef­re­dak­teur Götz Ku­bit­schek hier An­fang des Jah­res über die 20. Winterakademie.).

Dies­mal kon­zen­trier­te man sich je­doch nicht auf die Set­zung ei­nes brei­ten (Lektüre)Kanons, son­dern ver­tief­te sich in staats­theo­re­ti­sche Er­ör­te­run­gen — in An­be­tracht der all­ge­mei­nen po­li­ti­schen Lage eine Not­wen­dig­keit. Wie hat man sich als Kon­ser­va­ti­ver bzw. Rech­ter an­ge­sichts ei­nes zur Beu­te der Par­tei­en her­ab­ge­sun­ke­nen Staa­tes zu ver­hal­ten? Wie das Kon­zept des Staa­tes ver­tei­di­gen und wel­che Form von Ord­nung pro­pa­gie­ren? Wie das Rich­ti­ge im Fal­schen leben?

Er­ste Ant­wor­ten auf die­se Fra­gen wur­den be­reits bei den Auf­takt­vor­trä­gen am spä­ten Frei­tag­nach­mit­tag gegeben.

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Der Frei­tag­nach­mit­tag

Wie es gu­ter Brauch ist, er­öff­ne­te IfS-Lei­ter Dr. Erik Leh­nert die Aka­de­mie; dies­mal je­doch mit ei­ner brei­ten Er­läu­te­rung des ei­gens für die Ver­an­stal­tung er­stell­ten Hy­gie­ne­kon­zepts. Co­ro­na ging, wie be­reits an­ge­deu­tet, auch nicht an un­se­rem Vor­trags­wo­chen­en­de spur­los vorüber.

Die Mas­ke war om­ni­prä­sent. Ab­ge­se­hen vom ei­ge­nen fest­ge­leg­ten Platz an se­pa­rier­ten Ti­schen muß­te das Stück Stoff über­all im Gast­haus »Zum Schäf­chen« ge­tra­gen wer­den. Um die­ser spe­zi­el­len Si­tua­ti­on dann doch noch den ei­ge­nen Stem­pel auf­zu­drücken, hat­ten wir ei­ge­ne IfS-Mas­ken an­fer­ti­gen las­sen, auf de­nen ein Fried­rich Nietz­sche-Zi­tat prang­te: »Al­les, was tief ist, liebt die Maske«.

Auf die­se Art und Wei­se soll­te die Aka­de­mie auch noch nach dem zu­rück­lie­gen­den Wo­chen­en­de über ganz Deutsch­land ver­teilt in den Ein­kaufs­häu­sern prä­sent sein; zu­min­dest, wenn die Teil­neh­mer die Mas­ke auch wei­ter­hin tra­gen. Aber lo­gi­scher­wei­se soll­te Leh­nert sich nicht nur zu den ei­gen­wil­li­gen Auf­la­gen äußern.

In ei­nem kur­zen Ab­riß gab er der Aka­de­mie ih­ren in­halt­li­chen Rah­men und star­te­te mit der Grund­pro­ble­ma­tik: Wie nä­hert man sich der The­ma­tik »Staat und Ord­nung« als Aus­ge­schlos­se­ner, als Be­ob­ach­tungs­ob­jekt des Verfassungsschutzes?

In die­sem Zu­sam­men­hang sah Leh­nert un­se­re Auf­ga­be dar­in, die Rest­be­stän­de an exi­sten­ter Ord­nung zu be­wah­ren und ihre voll­kom­me­ne Zer­stö­rung auf­zu­hal­ten. Da­bei be­ur­teil­te er die Lage wie folgt: Der­zeit er­leb­ten wir eine Gleich­schal­tung auf al­len Ebe­nen. Der Staat, des­sen ei­gent­li­che Haupt­auf­ga­be in der Ge­währ­lei­stung der in­ne­ren als auch äu­ße­ren Si­cher­heit lie­ge, wer­de aus­ge­höhlt und stün­de in ei­nem Span­nungs­ver­hält­nis zur ak­tu­el­len Ord­nung, die er als eine »gleich­ge­schal­te­te Un­ord­nung« kategorisiert.

Sein Blick in die Zu­kunft fiel ver­gleichs­wei­se pes­si­mi­stisch aus, denn er sieht eher eine Ver­ste­ti­gung der neu­en Ord­nung durch die al­ten Kräf­te auf­zie­hen als ihre Ab­lö­sung. Also wie an­ge­sichts die­ser Ent­wick­lung verhalten?

Der näch­ste Vor­trag gab dar­auf eine ur­kon­ser­va­ti­ve Ant­wort: Sach­lich­keit sei das Mit­tel der Wahl. Ein Mo­ra­li­sie­rungs­sog kenn­zeich­ne den mo­der­nen Staat, der durch eine all­ge­mei­ne Ver­un­k­la­rung der Din­ge, der Will­kür Tür und Tor öff­ne. Da­her wis­se der Bür­ger nicht mehr, was mo­ra­lisch noch er­laubt sei und was nicht. Die um sich grei­fen­de Mo­ra­li­sie­rung sei wie­der­um nichts an­de­res als eine In­vi­si­bi­li­sie­rung, in­so­fern als drän­gen­de ge­sell­schaft­li­che Pro­ble­me im Dis­kurs da­durch nicht klar be­nannt wer­den können.

Der hier in­ko­gni­to ver­blei­ben­de Vor­tra­gen­de sah es auf­grund des­sen als Pflicht an, daß je mehr an der Mo­ra­li­sie­rungs­schrau­be ge­dreht wer­de, de­sto mehr müs­se auf Sach­lich­keit be­stan­den wer­den. Sach­lich­keit be­deu­te­te für Ihn der Ver­zicht auf Dif­fa­mie­rung und eine Ori­en­tie­rung an der Wahr­heit der Dinge.

Um die­se Sach­lich­keit zu eta­blie­ren, habe man die Auf­ga­be zur Selbst­ver­pflich­tung und Her­stel­lung ei­ge­ner Klug­heit. Au­ßer­dem müs­se man die an­thro­po­lo­gi­schen Grund­kon­stan­ten zu­rück in den Fo­kus rücken. Durch­aus ein rich­ti­ger Ap­pell, aber bleibt man so nicht den­noch macht­los vor dem Un­ge­tüm al­les durch­drin­gen­der Pro­pa­gan­da, die durch die vor­an­schrei­ten­de Di­gi­ta­li­sie­rung ka­ta­ly­siert wird? Die Fra­ge muß­te offenbleiben.

Zum Ab­schluß des er­sten Ta­ges er­griff noch ein­mal IfS-Lei­ter Dr. Erik Leh­nert das Wort und re­fe­rier­te über das Phä­no­men ok­zi­den­ta­ler Ra­tio­na­li­tät an­hand der Theo­rien des deut­schen Aus­nah­meso­zio­lo­gen Max We­ber. We­ber hat­te in sei­nem Klas­si­ker Die pro­te­stan­ti­sche Ethik und der Geist des Ka­pi­ta­lis­mus (hier be­stel­len) her­aus­ge­ar­bei­tet, wie die Her­aus­bil­dung des Ka­pi­ta­lis­mus durch ei­nen pro­te­stan­ti­schen Ar­beits­ethos be­gün­stigt wurde.

In­dem »Ar­beit« zum ent­beh­rungs­for­dern­den Mit­tel zum Weg zu Gott und die »Ora et labora«-Askese der Mön­che zum be­stim­men­den Aspekt der Gott­ge­fäl­lig­keit er­ho­ben wird, be­rei­tet der Pro­te­stan­tis­mus, im spe­zi­el­len der Cal­vi­nis­mus, dem Ka­pi­ta­lis­mus ei­nen per­fek­ten Nährboden.

Aus die­sem Pro­zeß ent­steht dann wie­der­um nach We­ber der ra­tio­na­le Staat, da nur die­se Or­ga­ni­sa­ti­ons­form dazu in der Lage sei, dem Ka­pi­ta­lis­mus die Si­cher­heit des Fort­dau­erns zu ge­ben. Die­ser zeich­net sich fer­ner durch ei­nen aus­ufern­den Hang zur Bü­ro­kra­ti­sie­rung aus.

Dem­zu­fol­ge ent­zau­bert der ra­tio­na­le Staat die Welt und bringt so­mit et­li­che Phä­no­me­ne her­vor, de­nen die Rech­te den Kampf an­ge­sagt hat. Folgt man strin­gent Leh­nerts Vor­trag, ste­hen wir also in ei­nem Span­nungs­ver­hält­nis aus Zu­spruch zur The­se der Not­wen­dig­keit des Staa­tes ei­ner­seits und der Ab­leh­nung sei­ner sy­ste­mi­schen Aus­wüch­se andererseits.

Leh­nerts Vor­trag zu Max We­ber se­hen Sie hier:

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Der gan­ze Samstag

Der Aka­de­mie­sams­tag wur­de ein­mal mehr von Se­zes­si­on-Re­dak­teur Be­ne­dikt Kai­ser er­öff­net, der ent­lang sei­ner jüng­sten Buch­ver­öf­fent­li­chung So­li­da­ri­scher Pa­trio­tis­mus. Die so­zia­le Fra­ge von rechts (hier be­stel­len) über »Iden­ti­tät und So­li­da­ri­tät« referierte.

Ganz im Ein­klang mit der Sen­tenz »Selbst­ver­ges­sen­heit ist der wah­re Sün­den­fall der Ge­schich­te« des zen­tra­len Vor­den­kers der Neu­en Rech­ten in Deutsch­land, Hen­ning Eich­berg, mach­te sich Kai­ser dar­an, den tot­ge­lei­er­ten Be­grif­fen »Iden­ti­tät« und »So­li­da­ri­tät« auf den Grund zu gehen.

Dies voll­zog er un­ter der Prä­mis­se, daß der Staat als Ga­rant ei­ner so­li­da­ri­schen Ge­mein­schaft fun­gie­re. Laut Kai­ser kommt der »Iden­ti­tät« hier­bei eine zen­tra­le Rol­le zu, weil sie den Be­zugs­punkt für die So­li­da­ri­tät fest­le­ge. Sie tren­ne das not­wen­di­ge In­nen vom Au­ßen und er­mög­li­che so, die Eta­blie­rung al­tru­isti­scher Hand­lun­gen, in­so­fern als eine Ver­trau­ens­ba­sis eta­bliert wer­de, die dem Be­trug vorbeuge.

Je­doch ge­nü­ge »Iden­ti­tät« al­lein noch nicht: Erst die Kom­bi­na­ti­on von »Iden­ti­tät« und »So­li­da­ri­tät« — dem Ze­ment, der nach dem fran­zö­si­schen So­zio­lo­gen Émi­le Durk­heim die Ge­sell­schaft zu­sam­men­hält – las­se sich ein funk­tio­nie­ren­der So­zi­al­staat rea­li­sie­ren. Kai­ser plä­diert da­her da­für, den to­ta­len Rück­bau des Staa­tes zu ver­mei­den – sein ge­wich­ti­ges Cre­do »Wi­der die Auf­lö­sung des Staa­tes durch neo­li­be­ra­le Ka­pi­ta­li­sie­rung und links­extre­me Individualisierung«

Auf die­sen so­zi­al­pa­trio­ti­schen Im­puls folg­te eine in­halt­lich et­was an­ders ge­la­ger­te Be­trach­tung der Din­ge, denn der Pu­bli­zist Di­mi­tri­os Kis­ou­dis nä­her­te sich dem Phä­no­men »Staat« un­ter dem Ti­tel »Ord­nungs­staat, Rechts­staat, So­zi­al­staat« aus ei­ner de­zi­diert ju­ri­sti­schen und li­be­ral an­ge­rei­cher­ten Perspektive.

In die­sem Kon­text stimm­te er je­doch nicht zu ei­nem Lob­ge­sang auf die Not­wen­dig­keit ei­ner neu­en Bür­ger­lich­keit an, son­dern sah im Bür­ger­tum als klas­si­sches Kauf­manns­mi­lieu eher die Un­fä­hig­keit zur Staa­ten­len­kung an­ge­legt. Ins­be­son­de­re der Wei­ma­rer Zeit und der in ihr prä­sen­te Kon­flikt zwi­schen den Theo­rien des »To­ta­len Staa­tes« (Carl Schmitt), dem »So­zia­len Rechts­staat« (Her­mann Hel­ler) und der In­te­gra­ti­ons­leh­re nach Ru­dolf Smend wid­me­te Kis­ou­dis sei­ne Aufmerksamkeit.

Das Rin­gen um die Fra­ge des »To­ta­len Staa­tes« sieht er dann in der BRD fort­ge­setzt, wo­bei sich Smends In­te­gra­ti­ons­leh­re schluß­end­lich durch­ge­setzt habe. Die So­zi­al­staat­lich­keit im Sin­ne Smends sei das heu­te be­stim­men­de Prin­zip der BRD.

Je­doch funk­tio­nie­re die­ser So­zi­al­staat nicht als Schutz der so­zi­al Schwa­chen, son­dern schu­ste­re ein­zel­nen Min­der­hei­ten er­heb­li­che Macht zu, die wie­der­um über Ver­tei­lung aus­ge­übt wer­de. Den Aus­weg aus die­sem Di­lem­ma sieht Kis­ou­dis im »Ord­nungs­staat«. Nur die­ser kön­ne die Si­cher­heits­funk­ti­on des Staa­tes wie­der­her­stel­len und sei­nen Rück­zug aus dem Pri­va­ten wie­der ein­läu­ten. Wer Kis­ou­dis Theo­rien zu ei­ner neu­en Staat­lich­keit en De­tail nach­voll­zie­hen möch­te, der greift am be­sten zu sei­nem bei Ma­nu­scrip­tum er­schie­ne­nen Band Was nun? Vom So­zi­al­staat zum Ord­nungs­staat (hier bestellen).

Di­mi­tri­os Kis­ou­dis Vor­trag se­hen Sie hier:

Nach Kis­ou­dis in­ter­es­san­ten The­sen zur Staat­lich­keit ging es erst ein­mal an das le­gen­dä­re Buf­fet des Gast­hofs »Zum Schäf­chen«, wes­we­gen der dar­auf fol­gen­de Re­fe­rent, Rechts­an­walt Jo­chen Lober, der all­ge­mein ein­set­zen­den Ver­dau­ungs­mü­dig­keit ent­ge­gen­zu­wir­ken hatte.

Mit ei­nem kennt­nis- und de­tail­rei­chen Vor­trag zu Carl Schmitts po­li­ti­schen Ver­strickun­gen am Ende der Wei­ma­rer Re­pu­blik ge­lang ihm dies auch. Im Vor­trag Lobers wur­de der chao­ti­sche Zu­stand der Ver­fas­sungs­leh­re Ende der 1920er An­fang der 1930er Jah­re deutlich.

In Be­zug auf Schmitt sind für Lober zwei Ge­ge­ben­hei­ten ein­deu­tig: An der Vor­be­rei­tung des »Preu­ßen­schlags« war das Plet­ten­ber­ger Ge­nie nicht be­tei­ligt ge­we­sen; die Ab­wehr von de­zi­dier­ten Fein­den der Wei­ma­rer Ver­fas­sung habe er wie­der­um in Zu­sam­men­ar­beit mit der letz­ten Wei­ma­rer Re­gie­rung un­ter Kurt von Schlei­cher betrieben.

Der­weil ist an die­ser Stel­le Jo­chen Lobers ak­tu­ell­ste Pu­bli­ka­ti­on her­vor­zu­he­ben. Ins­be­son­de­re im An­ge­sicht ei­nes wild über­wa­chen­den Ver­fas­sungs­schut­zes kommt Be­schränkt Sou­ve­rän. Die Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land als »West­staat« — al­li­ier­ter Auf­trag und deut­sche Aus­füh­rung eine er­heb­li­che Bri­sanz zu. Das in der Werk­rei­he TUMULT er­schie­ne­ne Buch kann hier be­stellt werden.

Den Ab­schluß des Vor­trags­sams­ta­ges mar­kier­te in­des das auf Lober fol­gen­de Re­fe­rat des Hi­sto­ri­kers Dr. Dirk Alt zum »An­griff auf die Sub­stanz«. Dar­in dreh­te es sich haupt­säch­lich um den neu­en Iko­no­klas­mus, der vor al­lem von der »Black Li­ves Matter«-Bewegung prak­ti­ziert werde.

Die­ser un­ter­maue­re die Pö­bel­herr­schaft und för­de­re ei­nen blin­den Van­da­lis­mus, der au­ßer Zer­stö­rung we­nig an­zu­bie­ten habe. Neu sei dies al­les nicht; Alt iden­ti­fi­ziert die Bil­der­stür­me­rei als eine an­thro­po­lo­gi­sche Kon­stan­te. Für den Aus­üben­den ist sie un­ge­mein at­trak­tiv, da sie die ma­xi­ma­le Ver­let­zung des Geg­ners zu­fol­ge hat.

Zum ei­nen un­ter­streicht es sei­ne Macht­lo­sig­keit ge­gen­über dem An­griff auf es­sen­ti­el­le Zeug­nis­se sei­nes kul­tu­rel­len Selbst­ver­ständ­nis­ses und zum an­de­ren be­treibt es die voll­kom­me­ne Aus­lö­schung sei­ner Ge­schich­te. Doch sei­en die #BLM-Prot­ago­ni­sten nicht dazu in der Lage, die selbst ge­schaf­fe­ne Leer­stel­le zu füllen.

Dies voll­füh­re viel­mehr das ak­tu­el­le Estab­lish­ment, das die Chan­ce nut­ze, um die ei­ge­nen uni­ver­sa­li­sti­schen Po­si­tio­nen, noch schnel­ler zur un­um­stöß­li­chen Gül­tig­keit zu verhelfen.

Nach ei­ner län­ge­ren Pau­se und Abend­essen ließ man den ge­lun­ge­nen Tag bei den be­lieb­ten Ar­beits­grup­pen auf dem Rit­ter­gut aus­klin­gen. Be­ne­dikt Kai­ser und Ro­man Mö­se­ne­der gin­gen der Fra­ge nach »Wie ak­tiv wer­den in Zei­ten ge­fühl­ter Le­thar­gie?«. Dr. Erik Leh­nert, Di­mi­tri­os Kis­ou­dis und Jo­chen Lober er­ör­ter­ten die Fra­ge des Staa­tes un­ter be­son­de­rer Be­ach­tung Carl Schmitts und ich hat­te die Ehre, zu­sam­men mit Götz Ku­bit­schek der rech­ten Öko­lo­gie auf den Grund zu ge­hen (sie­he hier die Nach­be­trach­tung von Ku­bit­schek zur Akademie).

Was im Rah­men der Grup­pen nicht fi­nal aus­dis­ku­tiert wer­den konn­te, fand dann noch sei­nen Weg an die Ti­sche im »Schäf­chen«, wo bis in die Nacht eif­rig über die The­men des Ta­ges ge­strit­ten wurde.

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Der Sonn­tag­vor­mit­tag

Auch der letz­te Tag hielt hö­rens­wer­te Vor­trä­ge be­reit. Den An­fang mach­te die Kul­tur­wis­sen­schaft­le­rin Dr. Bet­ti­na Gru­ber, die im Ver­lag An­tai­os un­ter dem Pseud­onym »So­phie Lieb­nitz« veröffentlicht.

Ihre jüng­ste Pu­bli­ka­ti­on trägt den Ti­tel »An­ti­ord­nung« und ist in der neu­sten Staf­fel der rei­he ka­pla­ken er­schie­nen. Das le­sens­wer­te Bänd­chen kön­nen Sie hier, bei An­tai­os, er­wer­ben. Ihr Vor­trag ori­en­tier­te sich so­dann an eben die­sem ka­pla­ken und war mit dem glei­chen Ti­tel überschrieben.

Gru­ber mach­te dort wei­ter, wo Dr. Dirk Alt auf­ge­hört hat­te, und setz­te zum Sprung in die Un­tie­fen post­struk­tu­ra­li­sti­scher Theo­rie, aus de­ren Über­zeu­gun­gen nicht ein un­we­sent­li­cher An­teil der Mo­ti­va­ti­on der #BLM-Bil­der­stür­mer rührt. Den Aus­gangs­punkt des do­mi­nan­ten Den­kens in un­se­rer Zeit der An­ti­ord­nung sieht Gru­ber im Post­struk­tu­ra­lis­mus und ins­be­son­de­re in den Aus­füh­run­gen des fran­zö­si­schen Phi­lo­so­phen Mi­chel­le Fou­cault, der jeg­li­che Norm grund­le­gend in Fra­ge stellte.

Es geht bei den Post­struk­tu­ra­li­sten bzw. bei Fou­cault nicht mehr dar­um, eine ver­meint­lich schlech­te Ord­nung mit ei­ner neu­en bes­se­ren zu er­set­zen, son­dern die Ord­nung an sich auf­zu­lö­sen. Al­les wird bei ih­nen flüs­sig; nichts ist wahr, gut oder falsch. Aus die­ser Po­si­ti­on er­gibt sich un­wei­ger­li­che eine es­sen­ti­el­le Staats­feind­lich­keit, da der Staat für sei­ne Exi­stenz un­wei­ger­lich auf ein Ord­nungs­prin­zip re­kur­rie­ren muß.

Gru­ber hält in die­sem Zu­sam­men­hang das weit­ver­brei­te­te Schlag­wort des Kul­tur­mar­xis­mus für fehl­ge­lei­tet, da an den heu­ti­gen do­mi­nan­ten Theo­re­men in den Gei­stes­wis­sen­schaf­ten und im Kul­tur­be­trieb kaum noch der Fun­ke ei­nes ord­nungs­her­stel­len­den Prin­zips prä­sent ist, wie es für den Mar­xis­mus je­doch kon­sti­tu­ie­rend ist.

Un­se­re mo­der­nen west­li­chen Ge­sell­schaf­ten sind viel­mehr voll und ganz durch­drun­gen vom post­struk­tu­ra­li­sti­schen Denken.

Nach die­ser lei­den­schaft­li­chen Ge­gen­re­de wi­der die Auf­lö­sung al­ler Din­ge ob­lag es Se­zes­si­on-Chef­re­dak­teur und An­tai­os-Ver­lags­lei­ter Götz Ku­bit­schek, die Aka­de­mie mit sei­nem Vor­trag »Ord­nung und Lan­ge­wei­le« zu schließen

Im Grun­de ver­ein­te Ku­bit­scheks Vor­trag drei we­sent­li­che Aspek­te, die ent­we­der ex­pli­zit oder im­pli­zit in den vor­an­ge­gan­ge­nen Re­fe­ra­ten des Aka­de­mie­wo­chen­en­des prä­sent waren:

  1. Die Sy­stem­wer­dung un­se­rer Ge­sell­schaf­ten, zu des­sen Be­schrei­bung Ku­bit­schek das Bild des Fluß­del­tas mit sei­ner trä­gen Dy­na­mik des Flie­ßens und Sta­gnie­rens von Pe­ter Slo­ter­di­jk auf­greift. Im Grun­de also, was Max We­ber über die stän­dig fort­schrei­ten­de Aus­dif­fe­ren­zie­rung der Ge­sell­schaft in ein im­mer grö­ße­res Bü­ro­kra­tie­mon­ster po­stu­lier­te. Man könn­te in die­sem Ein­mün­den in das Fluß­del­ta auch das »Ende der Ge­schich­te« erblicken.
  2. Rolf Pe­ter Sie­fer­les en­er­gie­theo­re­ti­sche Be­trach­tung, die im en­er­ge­ti­schen Über­fluß den we­sent­li­chen An­trei­ber für die De­ka­denz, die Auf­lö­sung al­ler Din­ge und den Ver­lust der Sub­stanz iden­ti­fi­ziert. Ku­bit­schek sieht die­sen Um­stand im Del­ta als ge­ge­ben an und ka­te­go­ri­siert die BRD mit Ar­nold Geh­len als In­sti­tu­ti­on, die „die Zu­gäng­lich­keit der ma­te­ri­el­len und gei­sti­gen Le­bens­gü­ter für Alle als ethi­sches Po­stu­lat“ ausgibt.
  3. Der Aus­bruch aus die­sem Ge­fäng­nis der Be­hä­big­keit; die For­de­rung nach Wie­der­be­la­stung, die Ku­bit­schek an­hand der Bio­gra­phien Mar­tin Heid­eg­gers und Gott­fried Ben­ns ver­an­schau­licht und da­mit si­mul­tan auf­zeigt, wie schnell die Hoff­nung auf ei­nen Aus­bruch aus dem Fluß­del­ta in die Er­kennt­nis um­schla­gen kann, nur in ei­nem be­son­ders ex­tre­men Fluß­arm ge­lan­det zu sein, der das Sy­ste­mi­sche schluß­end­lich noch stär­ker eta­bliert als die­je­ni­gen Be­rei­che des mä­an­dern­den Ge­wäs­sers, aus de­nen man zu flie­hen suchte.

Gibt es dar­aus eine Aus­bruchs­mög­lich­keit und kann die Rech­te die­sen Akt über­haupt leisten?

Die drei Ty­pen, die Ku­bit­schek ent­wirft, las­sen dar­an Zwei­fel aufkommen:

  1. Der Ty­pus, der nur ein Stück vom Ku­chen will. Ihm reicht es voll­kom­men, wenn das Par­tei­en­spek­trum le­dig­lich um ein deut­lich kon­ser­va­ti­ves Ele­ment er­wei­tert wird.
  2. Der Op­ti­mie­rer, der den ak­tu­el­len Pro­zeß bes­ser, so­zia­ler und ef­fek­ti­ver or­ga­ni­sie­ren bzw. neu­ord­nen möch­te und
  3. der vom Del­ta zu Tode ge­lang­weil­te, der jeg­li­ches In­ter­es­se an ei­ner (Neu-)Ordnung ver­lo­ren hat und sich zum Sta­tus quo in­dif­fe­rent verhält.

Nach den drei Ta­gen Aka­de­mie und ins­be­son­de­re nach Ku­bit­scheks Vor­trag ma­ni­fe­stiert sich die Not­wen­dig­keit, die Fra­ge des Alt­hi­sto­ri­kers Da­vid En­gels »Was tun?« für die Zu­kunft strin­gent zu beantworten.

Alle Vor­trags­vi­de­os der Aka­de­mie, die auf dem ka­nal schnell­ro­da nach und nach ver­öf­fent­licht wer­den, wer­den hier zum Zeit­punkt ih­res Er­schei­nens integriert.