Arndt, Hans-Joachim, Politikwissenschaftler, 1923–2004

Obwohl es von Hans-Joachim Arndt — geboren am 15. Jan­u­ar 1923 in Magde­burg — nur eine einzige Buchveröf­fentlichung mit ein­deutig poli­tis­ch­er Ten­denz gibt, wird man ihn zu den wichti­gen Anregern der kon­ser­v­a­tiv­en Szene in den achtziger und neun­ziger Jahren rech­nen müssen. Eine pub­lizis­tis­che Kar­riere hat­te er  ursprünglich sowenig angestrebt wie eine wis­senschaftliche. Zu den prä­gen­den Erfahrun­gen sein­er frühen Jahre gehörten das NS-Regime und dann vor allem die Kriegszeit. Arndt diente in der Marine als Offizier, geri­et in Gefan­gen­schaft und sah sich nach der Nieder­lage gezwun­gen, die Lauf­bahn eines Beruf­s­sol­dat­en aufzugeben.

Er begann ein Studi­um der Sozi­olo­gie und gehörte sog­ar zu jenen  Nach­wuch­sakademik­ern, die von den USA gezielt für einen Aufen­thalt in den Staat­en ein­ge­laden wur­den; 1952 war er für einige Zeit in Har­vard. Vorher hat­te er im Som­merse­mes­ter 1950 und im Win­terse­mes­ter 1951/52 in Hei­del­berg studiert, wo er mit ein­er Arbeit »Über die Ursachen der Geschichtsvergessen­heit der amerikanis­chen Sozi­olo­gie« (1952) bei Alfred Weber pro­moviert wor­den war. In dessen Umfeld hat­te sich zu dem Zeit­punkt ein »Carl-Schmitt-Fan-Club« (Dirk van Laak) gebildet, zu dem Arndt über Rein­hart Kosel­leck und Han­no Kest­ing Kon­takt fand, die ihn dann in Verbindung zu Carl Schmitt wie Armin Mohler bracht­en.

Arndt engagierte sich in der nor­drhein­west­fälis­chen FDP, die mit ihrem Kurs der »nationalen Samm­lung« eine gewisse Anziehungskraft auf die junge rechte Intel­li­genz der frühen Bun­desre­pub­lik ausübte. Darüber hin­aus gab er sich aber nicht poli­tisch zu erken­nen. Er hat zur Begrün­dung immer angegeben, daß die totale Nieder­lage von 1945 eine klare Unter­schei­dung zwis­chen résis­tance und col­lab­o­ra­tion unmöglich gemacht habe. Eine gewisse »Zweis­chichtigkeit « des Denkens und Redens sei unumgänglich. Bis zum Beginn der siebziger Jahre mied Arndt jeden­falls klare  Posi­tions­bes­tim­mungen und veröf­fentlichte vor allem zu Man­age­ment­fra­gen; auch die Uni­ver­sität­skar­riere trat er erst rel­a­tiv spät an: Im Zuge der Bil­dung­sex­pan­sion erhielt er 1968 einen neugeschaf­fe­nen Lehrstuhl für Poli­tik­wis­senschaft an der Uni­ver­sität Hei­del­berg.

Die entschei­dende Änderung trat erst ein, als Arndt zehn Jahre später eine Mono­gra­phie  unter dem Titel Die Besiegten von 1945. Ver­such ein­er Poli­tolo­gie für Deutsche (1978) vor­legte, in der er von ein­er an Schmitt geschul­ten »konkreten Lage­analyse« aus­ging. Im Kern han­delte es sich sein­er Mei­n­ung nach darum, daß die Poli­tolo­gie, wie sie nach dem Ende des Zweit­en Weltkriegs in der Bun­desre­pub­lik als »Demokratiewis­senschaft« instal­liert wor­den war, keinen Anspruch auf Wis­senschaftlichkeit erheben könne, da sie von ein­er vorgegebe­nen Dog­matik aus­ge­hen müsse und weit­er den ehe­ma­li­gen Siegermächt­en als Konzept diene, ihre Umerziehungs­maß­nah­men auf Dauer fortzuset­zen. Eine Poli­tik­wis­senschaft für Deutsche könne sich damit aber nicht abfind­en, son­dern müsse ihren Aus­gangspunkt bei der Tat­sache des Besiegt-Seins nehmen. Der Zusam­men­bruch von 1945 bes­timme nach wie vor die »Grund-Lage«, von der auszuge­hen sei, wenn man über­haupt wieder zu so etwas wie ein­er deutschen Poli­tik­analyse kom­men wolle.

Das Buch Die Besiegten von 1945 sorgte zwar in der Zun­ft für einen gewis­sen Unmut, aber eine echte Res­o­nanz fand es nicht. Arndt hat das mit einiger Erbit­terung zur Ken­nt­nis genom­men und später nur noch mit Genug­tu­ung quit­tiert, daß Pana­jo­tis Kondylis – den er als seinen Schüler betra­chtete – den Faden auf­nahm und »die illu­sion­slos­es­te poli­tis­che Grund­la­gen­philoso­phie« schrieb, »die nach dem zweit­en Weltkrieg in deutsch­er Zunge veröf­fentlicht wurde«.

Arndt starb am 3. Okto­ber 2004 in Schriesheim an der Bergstraße.

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Zitat:

Ein Unter­schied liegt allerd­ings da, wo ich die »poli­tis­che Tugend« der Kon­ser­v­a­tiv­en, näm­lich die Ablehnung aller kon­struk­tivis­tis­chen Sys­tem­atik, nicht auch auf die Darstel­lung des Poli­tis­chen aus­dehne. Das ist doch immer schon die Crux aller Kon­ser­v­a­tiv­en gewe­sen, daß sie ihrem “Bild” (oder wie man das immer nen­nen mag) keine Gliederung und keinen Rah­men zu geben ver­standen. Das macht ihnen ein­er­seits die Vertei­di­gung leicht: sie lassen sich von »Prinzip­i­en« her nicht angreifen, weil sie keine zugeben, son­dern immer nur ad hoc argu­men­tieren. Ander­er­seits ger­at­en ihnen dadurch ihre Werke unter der Hand immer trak­tat- und pam­phlethaft…

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Schriften:

  • Die Besiegten von 1945. Ver­such ein­er Poli­tolo­gie für Deutsche samt Würdi­gung der Poli­tik­wis­senschaft in der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land, Berlin (West) 1978
  • Der Verbleib des Deutsch­land-Bewußt­seins in der Bun­desre­pub­lik, in: Infe­ri­or­ität als Staat­srä­son. Sechs Auf­sätze zur Legit­im­ität der BRD, Krefeld 1985

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Lit­er­atur:

  • Volk­er Beismann/Markus Josef Klein (Hrsg.): Poli­tis­che Lage­analyse. Festschrift für Hans-Joachim Arndt zum 70. Geburt­stag am 15. Jan­u­ar 1993, Lim­burg a. d. Lahn 1993