Hierarchie

Hier­ar­chie bedeutet vom Wortsinn “heilige Ord­nung” (von griech. hieros für “heilig” und arch für “Ord­nung”), gemeint ist damit ein stark struk­turi­ert­er, deut­lich zwis­chen oben und unten schei­den­der, in let­zter Kon­se­quenz pyra­mi­daler Auf­bau, der insofern als heilig ange­se­hen wurde, als er die himm­lis­che Ord­nung spiegelte. Dementsprechend kan­nten viele alte Kul­turen eine hier­ar­chis­che Organ­i­sa­tion, an deren Spitze Priesterkönige oder doch sakrale Herrsch­er standen, die den (ober­sten) Gott repräsen­tierten, während das Gefüge der Unter­ta­nen in ein­er Weise gegliedert war, die ihrer­seits überirdis­chem Mod­ell entsprach.
 
Solche Vorstel­lun­gen lassen sich auch im bib­lis­chen Zusam­men­hang (Jah­we Zebaoth — der “Herr der Heer­scharen”), vor allem im Alten Tes­ta­ment, nach­weisen und haben in Verknüp­fung mit der pla­tonis­chen wie aris­totelis­chen Philoso­phie zu ein­er alle Bere­iche in hier­ar­chis­che Stu­fun­gen fassenden Konzep­tion des Kos­mos geführt, die den Lehren der Scholastik eben­so zugrunde lag wie dem Gottes­g­naden­tum der weltlichen Herrsch­er und der Gliederung der katholis­chen Kirche, die aus­drück­lich die göt­tliche Ord­nung spiegeln soll.
 
Dieser Anspruch gerät allerd­ings in Kon­flikt zu mod­er­nen Ten­den­zen, die Hier­ar­chie grund­sät­zlich feind­selig gegenüber­ste­hen. Ursache ist der Athe­is­mus ein­er­seits, der keine Ord­nung mehr als geheiligt akzep­tiert und über­haupt dem Grund­satz “von oben” ablehnend gegenüber­ste­ht, der starke Ein­fluß egal­itär­er Ide­olo­gien (Gerechtigkeit) und ihr Vorzug des “von unten” ander­er­seits, aber auch der Zweifel an der Funk­tion­al­ität von Hier­ar­chie.
 
Trotz dieses anti­hier­ar­chis­chen Affek­ts und der selb­st in der Wirtschaft ver­bre­it­eten Vorstel­lung, es dürfe besten­falls “flache Hier­ar­chien” geben, hat sich im Zusam­men­hang mit der neueren Elite-Diskus­sion gezeigt, daß Hier­ar­chien grund­sät­zlich unver­mei­d­bar sind und — wenn auch aller über­weltlichen Legit­i­ma­tion entk­lei­det — einen inner­weltlichen Sinn haben. Diese Ein­sicht kann nicht über­raschen. Die Notwendigkeit “tech­nis­ch­er” Hier­ar­chie (Tech­nokratie) ist in der Sozi­olo­gie früh erkan­nt wor­den. Max Weber hat den Begriff aus­drück­lich ver­wen­det, um die Funk­tion­sweisen ratio­naler Ver­wal­tungssys­teme zu charak­ter­isieren.
 
Eine wesentliche Ursache für diese Unsterblichkeit des hier­ar­chis­chen Prinzips liegt in der Natür­lichkeit von Hier­ar­chie, die sich schon im Sys­tem der Ele­mente, im Auf­bau von Organ­is­men und den sozialen Form­prinzip­i­en tierisch­er Grup­pen nach­weisen lassen, wo sie zur mehr oder weniger deut­lichen Schei­dung von Führern und Geführten sowie zur Gel­tung von Beziehungsregeln zwis­chen den ver­schiede­nen Klassen beitra­gen.
 
Daß der Men­sch auch biol­o­gisch auf Hier­ar­chie angelegt ist, jeden­falls nicht ohne dauer­hafte Ori­en­tierung an entsprechen­den sozialen Mustern existieren kann, zeigt aber nur einen Aspekt des Sachver­halts. Entschei­den­der ist, daß die voll­ständi­ge Aufhe­bung der Hier­ar­chie zwangsläu­fig in Chaos oder die Ausübung ille­git­imer Gewalt führt, was jede wirk­lichkeits­gerechte poli­tis­che The­o­rie zugun­sten der Hier­ar­chie anführen wird.
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Zitate:
Stets wurde die Gesellschaft von oben her bes­timmt; was von unten kam, war ihr Ruin.
Antoine Blanc de Saint-Bon­net
Die Indus­triege­sellschaft beruht auf Pro­duk­tion — und die ist ohne bürokratis­che Organ­i­sa­tion und tech­nis­che Hier­ar­chie nicht möglich. Egal­itäre Ide­olo­gie und “effi­cien­cy” stoßen sich.
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Lit­er­atur:
  • Georg Weip­pert: Das Prinzip der Hier­ar­chie in der Gesellschaft­slehre von Pla­ton bis zur Gegen­wart, Ham­burg 1932
  • Leopold Ziegler: Über­liefer­ung [1936], zulet­zt München 1949