Person

Per­son beze­ich­net in der antik-abendländis­chen Denk­tra­di­tion das Indi­vidu­um, das durch eine bes­timmte – nicht sinnlich faßbare – Qual­ität aus­geze­ich­net ist und deren Wesen jeden­falls nicht in ihrer materiellen Beschaf­fen­heit aufge­ht. Daher rührt die übliche Unter­schei­dung von »Seele« und »Kör­p­er«, wobei die Seele als Per­son­kern höher gew­ertet wird. Wie alle zen­tralen philosophis­chen Begriffe ist auch dieser kaum ein­deutiger zu klären. Für unseren Zusam­men­hang genügt die Annahme, daß der Men­sch anders als das Tier über Bewußt­sein und (freien) Willen ver­fügt, ver­ant­wortlich und genötigt ist, sich zwis­chen ver­schiede­nen – etwa ver­schiede­nen ethis­chen – Möglichkeit­en zu entschei­den. Das alles set­zt Iden­tität des Men­schen voraus, also einen unverän­der­baren Kern, der über die Per­son­al­ität bes­timmt wird, ein hin­re­ichend klar erkennbares Gesamt von Eigen­schaften, die sich im Laufe eines Lebens aus­bilden und den Men­schen eigentlich aus­machen, ihn im besten Fall zu ein­er dif­feren­zierten »Per­sön­lichkeit« wer­den lassen.

Eine der­ar­tige Vorstel­lung und die damit ver­bun­dene Annahme eines beson­deren Ranges der Per­son ist nach den großen »Kränkun­gen der men­schlichen Eigen­liebe« (Sig­mund Freud), das heißt der Infragestel­lung der Son­der­stel­lung durch Kopernikus, Dar­win und Freud, also Astronomie, Biolo­gie und Psy­cholo­gie, nach­haltig erschüt­tert wor­den. Ein Prozeß, der bis heute wed­er abgeschlossen noch voll­ständig gek­lärt ist.

Fest ste­ht nur in poli­tis­ch­er Hin­sicht, daß unter Voraus­set­zung der Per­son­al­ität des Men­schen, alle Ver­suche, ihn bloß unter funk­tionalen Aspek­ten zu betra­cht­en, sei es, daß man ihn als Ver­fü­gungs­masse betra­chtet, sei es, daß man ihn nur als mehr oder weniger beliebi­gen Merk­mal­sträger ansieht, zurück­zuweisen sind.

Die radikalste Fol­gerung aus der ersten Posi­tion zieht der Total­i­taris­mus, der die Indi­viduen zu Objek­ten seines Han­delns und Pla­nens her­ab­würdigt, die zweite Posi­tion hängt vor allem mit den mod­er­nen Vorstel­lun­gen von der Per­son als »Kon­struk­tion« oder als »Rollen«-Träger zusam­men. In diesen Zusam­men­hang gehören Konzepte, die von der behav­ior­is­tis­chen Päd­a­gogik bis zu neuen For­men der gen­der-Poli­tik reichen.

Demge­genüber hat die kon­ser­v­a­tive Posi­tion eine »per­son­al­is­tis­che« Ten­denz. Sie geht nor­maler­weise auf das tra­di­tionelle Ver­ständ­nis zurück, das entwed­er im christlichen oder anderen Sinn religiös oder im weitesten Sinn ide­al­is­tisch begrün­det wird. Gle­ichzeit­ig ist allen Konzepten eine Absage erteilt, die mit­tels social engi­neer­ing auf Manip­u­la­tion set­zen, und einem schranken­losen Indi­vid­u­al­is­mus ent­ge­genge­treten, der die Bindung der Per­son an die Gemein­schaft sys­tem­a­tisch unter­schätzt oder negiert.

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Zitate:

Eine Per­sön­lichkeit: das ist eine Insti­tu­tion in einem Fall.
Arnold Gehlen

Der Men­sch allein – sofern er Per­son ist – ver­mag sich über sich – als Lebe­we­sen – emporzuschwin­gen und von einem Zen­trum gle­ich­sam jen­seits der raumzeitlichen Welt aus alles, darunter auch sich selb­st, zum Gegen­stande sein­er Erken­nt­nis zu machen.
Max Schel­er

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Lit­er­atur:

  • Arnold Gehlen: Die Seele im tech­nis­chen Zeital­ter [1957], Gesam­taus­gabe, Bd 6, zulet­zt Frank­furt a. M. 2007
  • Bern­hard Groethuy­sen: Philosophis­che Anthro­polo­gie [1931], zulet­zt München 1969
  • Ellen Kositza: Gen­der ohne Ende, Kaplak­en, Bd 7, Schnell­ro­da 2008
  • Max Schel­er: Die Stel­lung des Men­schen im Kos­mos [1928], zulet­zt Bonn 2007
  • Hans-Joachim Schoeps: Was ist der Men­sch? Philosophis­che Anthro­polo­gie als Geis­tes­geschichte der neuesten Zeit, Göt­tin­gen 1960
  • Volk­er Zas­trow: Gen­der – Poli­tis­che Geschlecht­sumwand­lung, Wal­trop 2006