Souveränität

Sou­veränität beze­ich­net die Staat­shoheit, das heißt den Besitz der uneingeschränk­ten Macht inner­halb eines Staates. Der Begriff ist aufgekom­men mit der Durch­set­zung der mod­er­nen Staatlichkeit, also der Entste­hung ein­er zen­tralen Gewalt, die keine konkur­ri­erende mehr duldete, son­dern deren Wider­stand brach und eine Wieder­entste­hung zu ver­hin­dern wußte. Der Fürst wurde dadurch Sou­verän und garantierte mit dem Besitz vor allem der Finanz- und Mil­itärho­heit die Befriedung im Inneren und die Vertei­di­gung nach außen. Der abso­lutis­tis­che Staat kam dem Ide­al poli­tis­ch­er Organ­i­sa­tion im Sinne der Sou­veränität am näch­sten, und das europäis­che Staaten­sys­tem, das sich seit dem 18. Jahrhun­dert etablierte, entsprach sehr weit­ge­hend der Vorstel­lung eines Nebeneinan­ders von sou­verä­nen Mächt­en.

Allerd­ings darf man bei solch­er Betra­ch­tung nicht überse­hen, daß zwar die Durch­set­zung von Sou­veränität inner­halb eines entwick­el­ten Staates erre­ich­bar war, das Macht­ge­fälle zwis­chen den Staat­en in ihren Beziehun­gen aber die tat­säch­liche Sou­veränität eines jeden nach außen unmöglich machte. Die europäis­che Pentarchie – also das »Gefüge der Fünf«, beste­hend aus den Großmächt­en Eng­land, Frankre­ich, Ruß­land, Preußen und Öster­re­ich – war schon kein Sys­tem von Gle­ichen; wieviel weniger kann man von Gle­ich­heit im Ver­hält­nis zwis­chen diesen und den zahlre­ichen Kle­in­staat­en sprechen, die fall­weise durch die Großen gegrün­det oder wieder aufgelöst wur­den. Indes galt doch bis zum Ersten Weltkrieg in gewis­sem Maße die Anerken­nung staatlich­er Sou­veränität als Grund­satz des diplo­ma­tis­chen Verkehrs.

Das änderte sich durch die Ver­sailler Ord­nung, die ein­er­seits ein »Selb­st­bes­tim­mungsrecht der Völk­er« proklamierte, das nur als Selb­st­bes­tim­mungsrecht von Staat­en prak­tik­a­bel war, ander­er­seits die alte Sou­veränität der Staat­en in Frage stellen wollte durch die Schaf­fung supra­na­tionaler Ein­rich­tun­gen, denen eine Art Schieds­gerichts­barkeit ober­halb der sou­verä­nen Entschei­dung eines Staates zuge­bil­ligt wurde. Diese Ten­denz ver­stärk­te sich nach dem Zweit­en Weltkrieg, was ein­er­seits auf die Bil­dung neuer Großräume unter einem Hege­mon zurück­zuführen war, ander­er­seits durch die Entste­hung von neuar­ti­gen Staaten­bün­den – etwa der EU – bewirkt wurde, die in die Sou­veränität ihrer Mit­gliedsstaat­en ein­grif­f­en und jeden­falls Nei­gung zeigten, als »Staaten­staat« eine Art »Suzeränität« über die Mit­glieder auszuüben.

Das gilt trotz des formellen Fes­thal­tens der einzel­nen Natio­nen an ihrer Sou­veränität Ob diese Entwick­lung unaufhalt­sam fortschre­it­et, ist schw­er vorauszusagen, fest ste­ht immer­hin, daß mit der Krise des Staates zwin­gend die Krise der Sou­veränität ein­herge­ht, die nach Hobbes die »Seele des Gemein­we­sens« bildet, ohne die dessen einzelne Ele­mente nicht leben kön­nen.

– — –

Zitate:

Mit Sou­veränität beze­ich­nen wir die Eigen­schaft der absoluten Unab­hängigkeit ein­er Wil­len­sein­heit von ein­er anderen wirk­samen uni­ver­salen Entschei­dung­sein­heit; pos­i­tiv drück­en wir damit aus, daß die betr­e­f­fende Wil­len­sein­heit höch­ste uni­ver­sale Entschei­dung­sein­heit in dieser bes­timmten Herrschaft­sor­d­nung ist.
Her­mann Heller

Sou­verän ist, wer über den Aus­nah­mezu­s­tand entschei­det.
Carl Schmitt

– — –

Lit­er­atur:

  • Her­mann Heller: Staat­slehre [1934], Werke, Bd 3, zulet­zt Tübin­gen 1992
  • Wern­er Mäder: Vom Wesen der Sou­veränität, Beiträge zur Poli­tis­chen Wis­senschaft, Bd 145, Berlin 2008
  • Hel­mut Quar­itsch: Staat und Sou­veränität, Frank­furt a.M. 1970
  • Carl Schmitt: Poli­tis­che The­olo­gie. Vier Kapi­tel zur Lehre von der Sou­veränität [1922], zulet­zt Berlin 2009
  • Carl Schmitt: Der Begriff des Poli­tis­chen [1932], zulet­zt Berlin 2002