Sozialismus

Sozial­is­mus beze­ich­net eine Wirtschafts- und Gesellschaft­sor­d­nung, die auf der prinzip­iellen Gle­ich­heit der Genossen – lat. socius – auf­baut. Dazu gehört im Regelfall, daß es kein oder doch fast kein Pri­vateigen­tum an Pro­duk­tion­s­mit­teln gibt, son­dern diese ver­staatlicht oder in Genossen­schaft über­führt sind.

Gemäß der sozial­is­tis­chen Grun­dauf­fas­sung kann man ihre Zielvorstel­lun­gen im all­ge­meinen der Linken zuord­nen, deren wichtig­ste Strö­mungen seit dem 19. Jahrhun­dert auch als sozial­is­tisch beze­ich­net wur­den. Allerd­ings hat es phasen­weise und unter bes­timmten Umstän­den Ver­suche der Recht­en gegeben, sozial­is­tisch zu wer­den. Die Ein­stel­lung war jeden­falls grund­sät­zlich anders als die der Lib­eralen, für die Sozial­is­mus egal welch­er Prove­nienz den »Weg zur Knechtschaft« (Friedrich August von Hayek) bedeutete. Die Motive der Recht­en lagen allerd­ings anders als bei der Linken nicht in prinzip­iell egal­itären Auf­fas­sun­gen, son­dern in Über­legun­gen, die darauf aus­gin­gen, ein­er konkreten poli­tis­chen Ein­heit – meis­tens der Nation – mit Hil­fe des Sozial­is­mus eine neue, effek­ti­vere Gesellschafts- und Wirtschaft­sor­d­nung geben zu kön­nen; das erk­lärt auch, warum die rechte Vari­ante des Sozial­is­mus prak­tisch niemals an die voll­ständi­ge Aufhe­bung der Eigen­tum­srechte dachte.

Vorge­formt fan­den sich entsprechende Ideen schon in Ficht­es Konzept des »geschlosse­nen Han­delsstaates«, wesentlich stärk­er an der Prax­is ori­en­tiert – und in die preußisch-deutsche Tra­di­tion der Staatswirtschaft einge­bet­tet – waren die Vorstel­lun­gen der kon­ser­v­a­tiv­en Kathed­er­sozial­is­ten, die am Ende des 19. Jahrhun­derts an Vor­bere­itung und Ver­wirk­lichung des Bis­mar­ckschen Sozial­staates beteiligt waren. Auf­grund der Bedeu­tung des Chris­ten­tums für diese Strö­mung gab es auch Berührun­gen mit ver­wandten Ideen aus der katholis­chen Soziallehre.

Ging es hier­bei aber immer noch sehr stark darum, die über­lieferte Ord­nung zu bewahren, wird man für die während des Ersten Weltkriegs entwick­el­ten Mod­elle eines Kriegs- oder »Organ­isatorischen Sozial­is­mus« sagen müssen, daß dabei schon die Durch­set­zung ein­er mod­er­nen Indus­triege­sellschaft angenom­men war. Entsprechende Über­legun­gen mün­de­ten in die ver­schiede­nen Konzepte ein­er Gemein­wirtschaft, eines »deutschen«, »kon­ser­v­a­tiv­en« oder eben »nationalen Sozial­is­mus«, der teil­weise auch Für­sprech­er auf der Linken fand (Hofgeis­mar­er Kreis der Jung­sozial­is­ten).

Daß es Hitler und der NSDAP schließlich gelang, den Begriff zu okkupieren, hat­te nicht nur mit der Überzeu­gungskraft entsprechen­der Ideen – vor allem der Ein­bindung der Wirtschaft im Sinne größer­er Gerechtigkeit und ver­stärk­ter Wehrhaft­machung – zu tun, son­dern auch mit ein­er »antikap­i­tal­is­tis­chen Sehn­sucht« (Gre­gor Strass­er), die die Massen in der Weltwirtschaft­skrise erfaßt hat­te und die auch nach dem Ende des Zweit­en Weltkriegs nicht ganz ver­schwun­den war. Das erk­lärt, warum die deutschen Parteien sich nach 1945 – mit Aus­nahme der lib­eralen FDP und der kon­ser­v­a­tiv­en DP – samt und son­ders für ein sozial­is­tis­ches Mod­ell aussprachen.

Von entsprechen­den Aus­sagen haben die Bürg­er­lichen als erste, die Sozialdemokrat­en als let­zte Abschied genom­men. In der »sozialen Mark­twirtschaft« sahen seit Anfang der sechziger Jahre prak­tisch alle Parteien ihre Vorstel­lun­gen grund­sät­zlich ver­wirk­licht. Trotz­dem blieb auf der Linken, dem eige­nen Utopis­mus verpflichtet, immer ein gewiss­er Hang zu sozial­is­tis­chen Plä­nen, eine Art Hin­tertür, die man sich offen­hal­ten wollte. Während alle recht­en Konzepte von Sozial­is­mus seit dem Unter­gang des NS-Regimes diskred­i­tiert scheinen, hat die Linke trotz der Selb­st­beze­ich­nung der total­itären Sys­teme kom­mu­nis­tis­ch­er Prä­gung als »sozial­is­tisch« an dem Begriff immer fest­ge­hal­ten.

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Zitat:

Der Sozial­ist fühlt sich im Staat als Sol­dat und beseit­igt den unwürdi­gen Zus­tand, in dem der Staat ein lächer­lich fiskalisch-bürokratis­ch­er Konkur­rent der­jeni­gen Klasse ist, welche ihn ihren Inter­essen vorspan­nt.
Wichard von Moel­len­dorff

Mit einem Wort: .… auch in der Volk­swirtschaft muß regiert wer­den.
Carl Rod­ber­tus

 

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Lit­er­atur:

  • Friedrich August von Hayek: Der Weg zur Knechtschaft [1944], zulet­zt München 2007
  • Wichard von Moel­len­dorff: Kon­ser­v­a­tiv­er Sozial­is­mus, hrsg. von Her­mann Curth, Ham­burg 1932
  • Erich Thi­er: Rod­ber­tus, Las­salle, Adolph Wag­n­er. Ein Beitrag zur The­o­rie und Geschichte des deutschen Staatssozial­is­mus, Jena 1931
  • Karl­heinz Weiß­mann: Der nationale Sozial­is­mus 1890–1933, München 1998