Wert

Wert beze­ich­net zuerst ein Etwas, das als lebens­di­en­lich und als wertvoll betra­chtet wird, weil eine entsprechende Ori­en­tierung mein­er Hand­lun­gen zum Guten führt. Die Auf­fas­sun­gen darüber, was einen Wert in diesem Sinn hat, vari­ieren, sind aber nicht beliebig.

Jeden­falls läßt sich bei interkul­turellen Ver­gle­ichen ein gewiss­er Kanon von Werten erken­nen, der im Prinzip von allen Men­schen geteilt wird: etwa der Grund­satz wech­sel­seit­iger Hil­fe, der Fam­i­lien­sol­i­dar­ität, der Ehrlichkeit und so weit­er. Allerd­ings gibt es schon keine gemein­same Vorstel­lung über die Reich­weite und den Verpflich­tungs­grad solch­er Werte und auch nicht über die Hier­ar­chie der Werte. Häu­fig wer­den sie nur auf die eigene Gruppe bezo­gen, bloß aus­nahm­sweise auf die Men­schheit an sich. Die Wertvorstel­lun­gen des Chris­ten­tums stellen dies­bezüglich eine Aus­nahme von der Regel dar.

Es ist angesichts dieser Sach­lage ver­ständlich, daß viele Kon­ser­v­a­tive sich als Bewahrer und Vertei­di­ger von Werten ver­ste­hen. Damit ist allerd­ings regelmäßig das Mißver­ständ­nis verknüpft, als ob Werte an sich beste­hen kön­nten, entwed­er weil sie für das Über­leben unab­d­ing­bar sind, weil ihre Bedeu­tung jedem unmit­tel­bar ein­leuchtet oder sie sich zwin­gend aus ein­er bes­timmten, offen­barten Lehre ableit­en lassen. Diese Auf­fas­sun­gen sind naiv, und der Begriff des »Wertkon­ser­v­a­tiv­en« ist beze­ich­nen­der­weise eine Erfind­ung der Linken. Maßge­blich für die Rechte ist die Verknüp­fung der Wert­gel­tung mit bes­timmten Insti­tu­tio­nen, die für die Erhal­tung und Umset­zung bes­timmter Werte geschaf­fen wur­den, da eine hier­auf bezo­gene »Treuepflicht« (Arnold Gehlen) über­haupt nur so zu sich­ern ist.

Es ist außer­dem auf jene vor allem in der Mod­erne spür­bare »Tyran­nei der Werte« (Nico­lai Hart­mann) hinzuweisen, die Carl Schmitt im Bere­ich des Poli­tis­chen aus der Ten­denz erk­lärt hat, den Höchst­wert abso­lut zu set­zen und in seinem Namen gegen jeden niedriger eingestuften vorzuge­hen, wobei dieser zwangsläu­fig zum »Unwert« werde und alle Legit­im­ität ver­liere. Diese notwendig polemis­che Ori­en­tierung mache die Bezug­nahme auf Werte prob­lema­tisch, lasse jeden­falls leichter die totale Abw­er­tung des Fein­des zu als die alte, von der Zweck-Mit­tel-Rela­tion bes­timmte Vorstel­lung von der moralisch richti­gen Aus­rich­tung des Han­delns.

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Zitate:

Man hat oder hat nicht den Sinn für die Hier­ar­chie der Werte, und alle Diskus­sion mit denen, die diese Hier­ar­chie verneinen, ist unmöglich.
Ernst von Salomon

Jed­er Wert hat – wenn er ein­mal Macht gewon­nen hat über eine Per­son – die Ten­denz, sich zum alleini­gen Tyran­nen des ganzen men­schlichen Ethos aufzuw­er­fen, und zwar auf Kosten ander­er Werte, auch solch­er, die ihm nicht diame­tral ent­ge­genge­set­zt sind. Die Ten­denz haftet zwar nicht den Werten als solchen in ihrer ide­alen Seinssphäre an, wohl aber als bes­tim­menden (oder seligieren­den) Mächt­en im men­schlichen Wert­ge­fühl.
Nico­lai Hart­mann

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Lit­er­atur: