1046 — Clemens II. wird zum Papst gewählt

Bei einem Papst aus Deutsch­land denkt man zuallererst an den acht­en deutschen Papst, an Benedikt XVI. (Josef Ratzinger), der — als erster Deutsch­er seit dem 16. Jahrhun­dert — von 2005 bis 2013 auf dem Stuhl Petri saß. Dabei spielt auch Clemens II. für die Geschichte des Pap­st­tums und der Deutschen eine gewichtige Rolle: als Leben­der wie als Tot­er. Als Leben­der, weil er als der „erste deutsche Reform­papst“ (Georg Gress­er) gilt. Als Tot­er, weil sein Grab die einzige päp­stliche Ruh­estätte nördlich der Alpen ist — Papst Clemens II. liegt im Bam­berg­er Dom begraben.

Bevor Clemens II. Papst wurde, diente er, gebür­tiger Suidger Graf von Morsleben (bei Magde­burg) und Horn­burg (bei Hal­ber­stadt), in ver­schiede­nen Funk­tio­nen der Kirche, ins­beson­dere in sein­er Heima­tre­gion und im Bis­tum Ham­burg-Bre­men. Entschei­dend für seinen weit­eren Werde­gang war indes das 1007 von Hein­rich II. gegrün­dete fränkische Bis­tum Bam­berg (seit 1818 ein Erzbis­tum), das er ab 1040 übernehmen durfte, nach­dem er — auf Vorschlag König Hein­richs III. — die Bischof­swei­he emp­fan­gen hat­te.

Aus päp­stlich­er Sicht war dies eine Zeit, für die das Attrib­ut „tur­bu­lent“ noch als ver­harm­losend ange­se­hen wer­den muß. Im Jahr 1046 zählte man nicht weniger als drei gle­ichzeit­ig amtierende Päp­ste — ein untrag­bar­er, essen­tiell kirchenge­fährden­der Zus­tand. König Hein­rich III., Für­sprech­er Suidgers, set­zte die drei Päp­ste ab und ließ Bischof Suidger an Heili­ga­bend 1046 zum neuen Kirchenober­haupt wählen; die Wei­he fand am fol­gen­den Wei­h­nacht­stag statt. Der neue Papst revanchierte sich und krönte König Hein­rich III. am sel­ben Tag zum Kaiser des Heili­gen Römis­chen Reich­es Deutsch­er Nation.

Bischof Suidger blieb auch als Papst Bischof von Bam­berg (ein Novum) und wählte den Namen Clemens als bewußte Bezug­nahme auf Clemens I. (90/92–101). Dieser Mär­tyr­erpapst der Urkirche war im beson­deren durch den „Clemens­brief“ berühmt gewor­den, in dem es speziell um die Abset­zung von Amt­strägern der Kirche ging. Ein­er­seits soll­ten damit Bis­chöfe, Priester und Diakone ges­traft wer­den, denen man Ver­fehlun­gen vor­warf; ander­er­seits hat­te Clemens I. wesentlich die „pri­ma­tiale“ Stel­lung des Pap­stes gestärkt. Clemens II. machte mit sein­er Namenswahl deut­lich, die Kirchen­si­t­u­a­tion ändern zu wollen, schließlich befand sich die Kirche dieser Tage in gle­ich mehreren starken Anse­hens- und Struk­turkrisen (Gegen­päp­ste und Schwächung der Stel­lung des Pap­stes, Intri­gen und Morde, Priestere­he und Priesterkinder, Verkauf von Ämtern und Kor­rup­tion etc.). Der deutsche Papst wollte das Pap­st­tum und die Kirche moralisch und poli­tisch ret­ten; der Rekurs auf die Früh­phase der Kirche sollte Kraft für einen nöti­gen Neuan­fang geben.

In ein­er Insti­tu­tion wie der katholis­chen Kirche, in der Verän­derun­gen behut­sam und allmäh­lich vol­l­zo­gen wer­den, set­zte der auf­grund sein­er steten Wan­der­schaft „Reisep­a­pst“ genan­nte Clemens II. zahlre­iche Akzente — obwohl sein Pon­tif­ikat nur zehn Monate währte: 1. Er sorgte dafür, daß mit der Mär­tyr­er-Nonne Wib­o­ra­da (gest. 926) die erste Frau über­haupt in einem römis­chen Ver­fahren heiligge­sprochen wurde. 2. Bis zu Clemens II. waren neugewählte Päp­ste in der Regel keine Bis­chöfe, während es nach Clemens II. über­wiegend Usus wurde. 3. Seit Clemens II. war es den Päp­sten erlaubt, Bis­chöfe von einem Sitz zu einem anderen zu ver­set­zen; er stärk­te damit die päp­stliche Stel­lung und schuf ein Instru­ment zur Ahn­dung bis­chöflichen Fehlver­hal­tens. Bis­chöfe wur­den fern­er ange­hal­ten, ihre Diöze­sen zu bereisen, um sie mit all ihren Beson­der­heit­en ken­nen­zuler­nen. 4. Er stärk­te die Stel­lung der Kirche gegen römis­che Ein­fluß­nahme eben­so wie gegen anmaßende Adels­fam­i­lien. Diese „lib­er­tas eccle­si­ae“ (Frei­heit der Kirche) set­zte er auch gegen Laiene­in­fluß durch — also selb­st gegenüber dem Kaiser. 5. Er griff sub­stantiell und nach­haltig ins Ord­nungs­ge­füge des (ins­beson­dere ital­ienis­chen) Klerus ein, bestrafte unkeuschen Lebenswan­del, Dekadenz und Selb­st­bere­icherung. 6. In sein­er kurzen Amt­szeit leit­ete er einen Prozeß von Refor­men in der Kirche ein, die sich dann unter seinen Nach­fol­gern ent­fal­ten soll­ten: die berühmten Kirchen­re­for­men des 11. und 12. Jahrhun­derts unter Leo IX., Gre­gor VII. („Gre­go­ri­an­is­che Reform“) und Urban II. (u.a. betrafen diese Refor­men den Zöli­bat, die Simonie bzw. den Ämter­erwerb, die Autorität des Pap­stamtes, die Regelung der Zuständigkeit­en zwis­chen weltlich­er und geistlich­er Macht).

Clemens II. ver­starb am 9. Okto­ber 1047. Über die Todesur­sache wird bis heute gemut­maßt. Manche meinen, er wurde — wie so viele Päp­ste der Epoche — von herrschsüchti­gen Cliquen vergiftet („Viele Gründe sprechen dage­gen, vieles dafür“, urteilt sein Bio­graph Georg Gress­er). Andere meinen, er starb eines natür­lichen Todes infolge ein­er schw­eren Krankheit. Unstrit­tig ist, daß Clemens II. aus­drück­lich anord­nete, seine let­zte Ruh­estätte im geliebten Bam­berg einzuricht­en. Seine inneren Organe wur­den — dama­li­gen Sit­ten entsprechend — am Ster­be­ort (Kloster San Tom­ma­so am Apsel­la bei Pesaro) „bestat­tet“, während man den Kör­p­er des Ver­stor­be­nen nach Ober­franken über­führte. Dort, im Peter­schor des Bam­berg­er Doms, liegt es heute immer noch: das einzige Pap­st­grab auf deutschem Boden.

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Lit­er­atur:

  • Georg Gress­er: Clemens II. Der erste deutsche Reform­papst, Pader­born 2007
  • Johannes Laudage: Priester­bild und Reform­pap­st­tum im 11. Jahrhun­dert, Köln/Wien 1984