Freiheit oder Gleichheit? — Erik von Kühnelt-Leddihn, 1952

Erik Rit­ter von Kuehnelt-Led­di­hn stellte sich gerne als »katholis­ch­er recht­sradikaler Lib­eraler« vor. Poly­glott, weit­gereist und uni­ver­sal gebildet schrieb der gebür­tige Steir­er über eine Vielzahl von The­men, wobei der rote Faden seines umfan­gre­ichen schrift­stel­lerischen Werkes (darunter auch Krim­i­nal- und Sci­encefic­tion-Romane) der Angriff auf jegliche Gle­ich­heit­side­olo­gie ist, die dieser erk­lärte »Erzfeind aller Kollek­tivis­men« als unvere­in­bar mit der Frei­heit betra­chtete. Das galt auch für die auf dem Egal­i­taris­mus fußende Demokratie, die in sich stets den Keim zur Dik­tatur und zur Despotie der Masse trage und in ihren Extrem­for­men die braune und rote Tyran­nei, den nationalen und den inter­na­tionalen Sozial­is­mus, her­vorge­bracht habe.

So ist auch Hitler in Kuehnelt-Led­di­hns Rechts-Links-Schema als Mann der Linken, neben de Sade, Robe­spierre und Mar­cuse, Stal­in und Pol Pot, ein­ge­ord­net. In diesem Konzept ste­ht die hybride Ratio (links) gegen den Geist (rechts), und daraus abgeleit­et u. a. Mate­ri­al­is­mus gegen Spir­i­tu­al­ität, Imma­nenz gegen Tran­szen­denz, Quan­tität gegen Qual­ität, Uni­formis­mus gegen Plu­ral­is­mus, Zen­tral­is­mus gegen Föder­al­is­mus, das Kollek­tiv gegen die Per­sön­lichkeit, Klassen gegen Stände, Nation­al­is­mus gegen Patri­o­tismus, Sozialismus/Staatskapitalismus gegen freie Mark­twirtschaft.

Kuehnelt-Led­di­hns Ide­al war der christlich gebun­dene, frei­heitliche Rechtsstaat, »der aber ger­ade durch die Demokratie mit ihrer Herrschaft bloßer Zif­fern nicht zu ver­wirk­lichen ist, aber auch nicht von der lib­eralen Demokratie, die an ihrer inneren Antithese von Gle­ich­heit und Frei­heit scheit­ern muß«. In dieser Sicht ste­ht die Rechte gegen den »Gle­ich­heitswahn«, den niv­el­lieren­den »iden­titären Her­den­trieb« und die Mas­sen­ge­sellschaft, statt dessen aber auf der Seite der “roman­tis­chen” Liebe zur Vielfalt«, die jedoch sit­tlich gebun­den und gerecht – also: anti-egal­itär – geord­net und gegliedert sein muß.

Frei­heit oder Gle­ich­heit? bün­delt syn­op­tisch klas­sis­che monar­chisch-lib­erale Argu­mente gegen die »Ideen von 1789«, vorzüglich aus dem 19. Jahrhun­dert, etwa von Donoso Cortés, Joseph de Maistre, Alex­is de Toc­queville bis zu Ben­jamin Con­stant und Fjodor Dos­to­jew­s­ki. Auf der pos­i­tiv­en Seite faßt ein »Blick in die Zukun­ft « Kuehnelt-Led­di­hns »Haupt­prämis­sen « zusam­men:

1. Schutz der größt­möglichen Frei­heit des einzel­nen,

2. Abschaf­fung des Parteien­sys­tems »wegen sein­er total­itären Gefahr«,

3. die Aus­lagerung des »weltan­schaulichen Kampfes« auf das »Neben­geleise der Pri­vat­sphäre«,

4. die Begren­zung des »Vol­un­taris­mus der Mehrheit« durch Glaube und Sitte.

Darüber hin­aus muß Europa wieder Anschluß an seine »ewigen Quellen« find­en, beson­ders das deutsche Volk, »das eine der erhaben­sten geschichtlichen Über­liefer­un­gen besitzt«, auf die es zurück­greifen muß, will es die »kaiser­lose, die schreck­liche Zeit« über­winden.

Die meis­ten poli­tis­chen Büch­er von Erik von Kuehnelt-Led­di­hn vari­ieren diese Grundthe­men und ‑argu­mente immer wieder von neuem. Charak­ter­is­tisch für seinen Stil ist die Melange aus  lock­erem, unter­halt­samem Ton­fall und hohen Anforderun­gen an die Bil­dung des Lesers, sowie ein eigen­williger Humor, der sich in zahlre­ichen »Kuehneltis­men« und Pointen äußert, die von Buch zu Buch wiederkehren.

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Zitat:

So ist die Gle­ich­heit ohne Verge­wal­ti­gun­gen undenkbar und die Näm­lichkeit erst recht. Prokrustes ist die magis­che Sym­bol­gestalt unseres Zeital­ters.

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Aus­gabe:

  • Über­ar­beit­ete Aus­gabe unter dem Titel Gle­ich­heit oder Frei­heit. Demokratie – ein baby­lonis­ch­er Turm­bau?, Tübin­gen: Hohen­rain 1985