Ravenna – Grabmal des Theoderich: Norditalien

In ein­er Zeit, in der man nach ein­er authen­tisch deutschen oder ger­man­is­chen Bauweise suchte, an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhun­dert, war der Rück­griff auf das Grab­mal des Theoderich
in Raven­na ver­bre­it­et. So berühmte Architek­ten wie Wil­helm Kreis oder Bruno Schmitz (žKyffhäuser) ori­en­tierten sich an diesem Vor­bild, auf­fäl­lig sind edie Ein­flüsse an zahlre­ichen Bis­mar­ck­tür­men und ‑säulen, aber auch am Völk­er­schlacht­denkmal in Leipzig. Das Mas­sive, Las­tend-Mon­u­men­tale der Architek­tur schien dem gewün­scht­en Effekt beson­ders nahe zu kom­men.

Heute wird darauf hingewiesen, daß das Mau­soleum vor allem spä­tan­tike und syrische Ein­flüsse zeige, und lediglich das umlaufende Friesor­na­ment erk­lärt man unter Ver­weis auf ger­man­is­che Gold­schmiedekun­st. Wichtiger als das ist aber der Tatbe­stand, daß es sich bei dem Bau um einen einzi­gar­ti­gen Über­rest der Völk­er­wan­derungszeit han­delt, auf zeh­neck­igem Grun­driß mit zwei Stock­w­erken errichtet, über­wölbt von ein­er flachen, kro­ne­nar­ti­gen Kup­pel.

Das erste Stock­w­erk des Grab­mals diente als Gruftraum, der Sarkophag Theoderichs wurde allerd­ings schon zwanzig Jahre nach seinem Tod, 540, durch den byzan­ti­nis­chen Feld­her­rn Belis­ar zer­stört. Grund dafür war das ari­an­is­che Beken­nt­nis Theoderichs, aus katholis­ch­er Sicht ein »fluchwürdi­ger Ket­zer«, aber ohne Zweifel spielte auch eine Rolle, daß er als Ver­räter am oströmis­chen Kaiser galt, in dessen Auf­trag er nach Ital­ien zog, dann die Eroberung aber nicht seinem Her­rn über­gab, son­dern ein ger­man­is­ches Kön­i­gre­ich mit sich selb­st an der Spitze errichtete. Schon in der End­phase sein­er Herrschaft ließ Theoderich die Errich­tung des Mau­soleums begin­nen, das gle­ichzeit­ig als Grablege sein­er Dynas­tie dienen sollte.

Dazu ist es nicht gekom­men. Das hing mit der Kur­zlebigkeit des Ost­goten­re­ich­es wie aller Schöp­fun­gen der Völk­er­wan­derungszeit zusam­men. Im Laufe der Zeit hat das Gebäude zahlre­iche Plün­derun­gen – nicht zulet­zt durch Karl den Großen, der Bauteile und eine ver­gold­ete  Reit­er­stat­ue für den Dom in Aachen abtrans­portieren ließ – und Umwid­mungen erleben müssen. Über den läng­sten Zeitraum wurde es als Kirche genutzt. Erst mit dem Erwachen des  Nation­al­be­wußt­seins und dem zunehmenden Inter­esse an der ger­man­is­chen Geschichte tauchte es aus dem Vergessen auf. Damit ist es längst wieder vor­bei. Seit­dem Felix Dahns Ein Kampf um Rom kaum mehr gele­sen wird und die Helden­sagen soviel von ihrer Anziehungskraft ver­loren haben, ist auch dieser Bezug ver­lorenge­gan­gen. Das Grab­mal erscheint so fremd wie ehe­dem und nur da und dort hat sich die Erin­nerung an Theoderichs mythis­che Ver­wand­lung erhal­ten, in die Gestalt Diet­rich von Berns.

– — –

Lit­er­atur:

  • Hans Ger­hard Evers: Tod, Macht und Raum als Bere­iche der Architek­tur, München 1939
  • Robert Heidenreich/Heinz Johannes: Das Grab­mal Theoderichs zu Raven­na, Wies­baden 1971