Der Machtbereich des Deutschritterordens hatte Anfang des 15. Jahrhunderts seine größte territoriale Ausdehnung erreicht. Er beherrschte die südliche Ostseeküste von Estland bis Pommern. Bei der Kultivierung und Christianisierung des ursprünglich wilden Landes hatte der Orden sich bleibende Verdienste erworben. Allerdings geriet er dabei in immer größere Konflikte mit seinen Nachbarn, dem Königreich Polen und dem Großfürstentum Litauen, das damals ganz Weißrußland und große Teile der Westukraine umfaßte. 1386 heiratete der litauische Großfürst Jagiello die polnische Königin Jadwiga, er nannte sich fortan Wladyslaw II. Als König von Polen schmiedete er eine Allianz mit dem Großfürsten Witold (Vytautas) von Litauen. Dem Deutschen Orden war damit ein tödlicher Gegner erwachsen.
Nach zahllosen Provokationen gegen den Orden schlug Wladyslaw 1409 los und entfachte einen Aufstand in Schamaiten, dem Gebiet um Libau und Memel, das unter Herrschaft des Ordens stand. Daraufhin übersandte Hochmeister Ulrich von Jungingen den beiden Herrschern Fehdebriefe. Gleichzeitig ließ er sich aber auf Verhandlungen ein, die von den Polen, Litauern und mit ihnen verbündeten Böhmen, Mähren und Tataren ausgenutzt wurden.
Die Passivität des Ordens machte es Wladyslaw leicht. Seine Truppen überquerten die Weichsel und konnten sich schon am 30. Juni 1410 mit dem Heer des Großfürsten Witold vereinigen. Neun Tage später drangen sie über die preußische Grenze vor, während das Ordensheer viel zu langsam heranrückte. Litauische Horden stürmten am 13. Juli die nur schwach verteidigte Stadt Gilgenburg. Was sich danach abspielte, schildert der zeitgenössische Chronist Johann von Posilge: „Sie schlachteten Jung und Alt ab. Und sie besudelten die Kirchen, trieben schamlose Dinge mit den Reliquien […] schlitzten die Brüste von Mädchen und Frauen auf, folterten sie furchtbar und verschleppten sie dann in die Knechtschaft — und alles zu ihrem Spaß, wie sie sagten.“
Am Morgen des 15. Juli standen sich die feindlichen Heere gegenüber. Hochmeister Ulrich von Jungingen stellte seine Streitmacht auf, den linken Flügel an das Dorf Tannenberg, den rechten an einen Wald beim Dorf Grünfelde gelehnt. Die Angaben der jeweiligen Truppenstärke weichen voneinander ab, unstrittig ist, daß die Polen/Litauer zahlenmäßig um mindestens ein Drittel überlegen waren.
Die übliche Kampftaktik des Ordensheeres ging zunächst auf. Mehrere Keilformationen aus schwergerüsteten Reitern führten eine Attacke. Ziel dieses Angriffs im Keil, dessen Spitze drei bis fünf Ritter bildeten, war das „Durchreiten“ der gegnerischen Aufstellung, um dann zu wenden und die schon in Auflösung befindliche Feindformation wiederum zu zerteilen. Dann folgten Fußtruppen, um den nun ungeordneten Haufen aufzureiben.
Die leichte Reiterei der Litauer wurde anfangs in die Flucht geschlagen, dann begannen auch die Polen unter dem Ansturm zu wanken. Doch König Wladyslaw verfügte über die entscheidenden Reserven, die am Nachmittag in den Kampf eingriffen. Ihnen gelang es, die Ordensritter und ihr Fußvolk teilweise einzukesseln und in einzelnen Gefechten zu dezimieren. Bei diesen Kämpfen fand der Hochmeister den Tod, sein Heer löste sich auf.
Die Verluste waren erheblich: etwa 8000 Mann, davon 400 Deutschordensritter. Kaum 1500 Mann konnten sich in die Marienburg retten. Als einziger Kommandeur befand sich Werner von Tettingen unter ihnen. Mehrere Führer des Ordens gerieten in Gefangenschaft, was gleichbedeutend mit dem Tod war, denn Markward von Salzbach, Komtur von Brandenburg, Heinrich von Schaumburg, Vogt des Samlandes, und der Waffenträger des Ordensmeisters, Jürgen Marschalk, wurden auf Befehl von Witold hingerichtet „wegen ihres hochfahrenden Benehmens nach der Schlacht.“
Ihren Sieg konnten die Verbündeten aber nicht ausnutzen. 28000 Polen und Litauer belagerten seit dem 26. Juli 1410 die Ordenshauptstadt Marienburg. Die wurde von 4500 Deutschen unter Führung des tapferen Komturs Heinrich von Plauen acht Wochen lang erfolgreich verteidigt. Am 19. September mußte der Feind abziehen, und der Orden konnte einen recht komfortablen Frieden aushandeln.
Die Schlacht von Tannenberg gehört zu den prägenden Mythen der polnischen Geschichte. Vor allem im 19. Jahrhundert, als die Nation unter ihren Nachbarländern Rußland, Österreich und Preußen aufgeteilt war, entwickelte sich dieser Sieg zu einer überhöhten Heldenerzählung, die nicht mehr viel mit der Realität gemein hatte. Er half aber dabei, die kulturelle Identität der Polen zu bewahren.
Deutscherseits wurde der Sieg über die russischen Invasionsheere im Herbst 1914 während des Ersten Weltkrieges mit Tannenberg verknüpft. Die Hauptkämpfe, welche zur Vernichtung einer ganzen russischen Armee in Ostpreußen führten, spielten sich bei Ortelsburg und Neidenburg ab. Doch der Sieger in diesem Kampf, General Paul von Hindenburg, ersuchte Kaiser Wilhelm II., die Schlacht offiziell nach dem etwa 15 Kilometer entfernten Tannenberg zu benennen, um die Schmach von 1410 zu tilgen.
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Literatur:
- Rolf Fischer: Große Schlachten, Köln 2012
- Rolf Fuhrmann: Der Deutsche Orden. Die Armee 1198–1420, Berlin 2008
- Stephen Turnbull: Tannenberg 1410. Disaster for the Teutonic Knights, Oxford 2003