Kampf

Kampf gehört zu den Grundbe­din­gun­gen des Lebens. Das war lange bekan­nt, bevor man im dar­win­is­tis­chen Sinn von einem »Kampf ums Dasein« zu sprechen begann. Der Kampf mit den anony­men Kräften der Natur, mit tierischen Fein­den, mit Men­schen als Indi­viduen wie als Grup­pen gehörte immer zu den typ­is­chen Erfahrun­gen unser­er Spezies. Auch die Prob­lematik dieser Dimen­sion, soweit sie die men­schliche Exis­tenz bet­rifft, war seit langem deut­lich, und darum die Möglichkeit ganz ver­schieden­er Bew­er­tung: von prinzip­ieller Bejahung bis zu prinzip­ieller Vernei­n­ung.

Paz­i­fis­mus bildete allerd­ings bis in die Gegen­wart eine Aus­nah­meer­schei­n­ung. Soweit er nicht über eine qui­etis­tis­che Weltan­schau­ung gerecht­fer­tigt wurde, sah und sieht man ihn außer­dem oft mit ein­er Vorstel­lung von Kampf im über­tra­ge­nen Sinn – gegen meta­ph­ysis­che Feinde oder die neg­a­tiv­en eige­nen Antriebe – gerecht­fer­tigt. Ähn­lich sel­ten wie die voll­ständi­ge Ablehnung des Kampfes ist eine grund­sät­zliche Bejahung. Sie kommt eigentlich nur in prim­i­tiv­en Kriegerge­sellschaften vor, die den Dasein­szweck im Beutemachen und Töten sehen. Selb­st ein »hero­is­ch­er Real­is­mus«, der behauptet, daß es keinen erkennbaren Sinn gibt und alles auf die Daseinssteigerung ankommt (für die der Kampf als Stim­u­lans dient), kann sich solchen archais­chen Vorstel­lun­gen nur noch annäh­ern.

Die häu­fig­ste Argu­men­ta­tion zugun­sten des Kampfes ist die, die die Notwendigkeit und das Gute des Kampfes an bes­timmte ethis­che Zwecke, etwa die Vertei­di­gung der Heimat, des Recht­es, die Durch­set­zung eines bes­timmten Glaubens oder ein­er bes­timmten Weltan­schau­ung, bindet. Eine solche Verknüp­fung des Kampfes mit ethis­chen Erwä­gun­gen erscheint in der Mod­erne häu­fig als die einzig denkbare.

Sie verkürzt allerd­ings die tra­di­tionell-europäis­che Bedeu­tung, die mit dem griechis­chen Begriff des agon – des »Wettstre­ites« – verknüpft wurde. Eine ago­nale Welt­sicht kennze­ich­nete zuerst die home­rischen Helden, für die es immer darum ging, im Kampf mit anderen die eigene aretē“ – die »Vorzüglichkeit« – unter Beweis zu stellen. Die Dynamik der griechis­chen Kul­tur bis in die klas­sis­che Zeit war ganz wesentlich davon bes­timmt, daß die Vorstel­lung vom Sinn des agon auch aus dem kriegerischen Zusam­men­hang gelöst und in andere, den sportlichen Wettstre­it oder den um die beste Poli­tik, die beste Philoso­phie, die beste Kun­st, über­tra­gen wer­den kon­nte.

Ein Gedanke, den später das aus ganz anderen Tra­di­tio­nen herk­om­mende Chris­ten­tum adap­tiert und abge­wan­delt hat. Der Apos­tel Paulus sprach etwa im metapho­rischen Sinn vom agon, aus­drück­lich vom »Waf­fen­lauf« um das Ziel des ewigen Lebens, und in der weit­eren Geschichte der Kirche spielte die Vorstel­lung vom »geistlichen Kampf« eine wichtige Rolle. Daß die mit einem erhe­blichen Vor­be­halt gegenüber dem Krieg im man­i­festen Sinn ver­bun­den war, hin­derte doch nicht an der the­ol­o­gis­chen Hochschätzung jen­er Tugen­den, die üblicher­weise dem Sol­dat­en zuge­sprochen wer­den: Tapfer­keit, Aus­dauer, Diszi­plin.

Auss­chlaggebend war dabei die Erken­nt­nis, daß die kämpferische Anstren­gung beim Men­schen zur Ent­fal­tung von Wesen­skräften führt, die ungenutzt bleiben, wenn man ihn dauernd in Ruhe hält. Eine Ein­sicht, die die mod­erne Ver­hal­tens­forschung bestätigt, wenn sie darauf hin­weist, daß das »soge­nan­nte Böse« (Kon­rad Lorenz) der Aggres­siv­ität eben auch Ans­porn für alle über­ra­gen­den Leis­tun­gen des Men­schen ist.

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Zitate:

Man hat in dieser Welt keinen Erfolg, es sei denn mit der Spitze des Degens, und man stirbt mit den Waf­fen in der Hand.
Voltaire

Ich bin nicht gekom­men, Frieden zu brin­gen, son­dern das Schw­ert.
Chris­tus

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Lit­er­atur:

  • John Kee­gan: Die Kul­tur des Krieges [1993/1995], zulet­zt Rein­bek bei Ham­burg 2003.
  • Kon­rad Lorenz: Das soge­nan­nte Böse [1963], zulet­zt München 2007.