Die zu Beginn des Ersten Weltkriegs verkündete Seeblockade der Nordsee durch Großbritanniens Marine sollte Deutschland den wirtschaftlichen Lebensnerv durchtrennen. Weil die deutschen Überwasserstreitkräfte aber (entgegen der lautstarken britischen Propaganda) viel zu schwach waren, um diese Blockade zu brechen, mußte die Seekriegsleitung sich etwas anderes einfallen lassen. Es ging um eine Gegenblockade der britischen Insel durch Unterseeboote. Admiral Reinhard Scheer, der Sieger der Skagerrak-Schlacht, schrieb damals, “daß es einen ungeheuren Eindruck machen würde, wenn in kurzer Folge mehrere große Handelsschiffe mit wertvollen Ladungen dicht vor dem sicheren Hafen verloren gingen […]. Kein Schiff ist mehr sicher, die Haupthandelsplätze zu erreichen, und die Schiffahrt wird mit solchen Gefahren verknüpft sein, daß sie das auf ihr lastende Risiko nicht zu ertragen vermag.”
Doch ein Handelskrieg nach dem sogenannten Prisenrecht war für U‑Boote kaum praktikabel. Diese Vorschriften stammten noch aus dem 19. Jahrhundert, als Unterwasserkriegführung unbekannt war. Demnach durften Handelsschiffe nur nach vorheriger Warnung angegriffen werden. Sie sollten durch Signale oder Schuß vor den Bug gestoppt werden, dann waren die Frachtpapiere durch ein an Bord geschicktes Prisenkommando auf kriegswichtige Waren zu überprüfen. Im Falle einer notwendigen Versenkung mußte die gegnerische Schiffsbesatzung zuvor in die Rettungsboote gehen.
Deutschlands Marine hielt sich zunächst an diese Vereinbarung. Allerdings war das mit enormen Risiken verbunden, denn ein aufgetauchtes U‑Boot erwies sich als sehr verletzlich, weil es nur über ein einziges Bordgeschütz verfügte. Während der zeitraubenden Prisenprozedur bestand auch immer die Gefahr, daß plötzlich feindliche Kriegsschiffe erscheinen und das U‑Boot unter Beschuß nehmen, weil es meist nicht rechtzeitig wegtauchen konnte.
Nach ersten spektakulären Erfolgen der deutschen U‑Boote zu Kriegsbeginn (u.a. die Versenkung von drei britischen Panzerkreuzern an einem Tag durch U9) wurde am 15. Februar 1915 der uneingeschränkte U‑Bootkrieg für ein Sperrgebiet in den Gewässern rund um die britischen Inseln erklärt. Jetzt griff man ohne Vorwarnung unter Wasser an. Doch nachdem im Mai 1915 ein deutsches Unterseeboot den englischen Passagierdampfer „Lusitania“ versenkt hatte und dabei auch Bürger der USA umgekommen waren, änderte sich die Lage. Nach Androhung eines Kriegseintritts der USA auf westalliierter Seite mußte wieder gemäß der gefährlichen Prisenordnung verfahren werden. Weil die Briten aber als Handelsdampfer getarnte Kriegsschiffe („Q‑Ships“), teilweise unter falscher Flagge, einsetzten und die aufgetauchten U‑Boote damit nahezu wehrlos waren, nahm man im Februar 1916 den uneingeschränkten Krieg wieder auf.
Der Einsatz von Q‑Schiffen galt als Kriegsverbrechen, weil ihre Besatzungen auch (wie beim „Baralong“-Zwischenfall im August 1915) auf deutsche schiffbrüchige Matrosen schossen. Im Juli 1916 stand Charles Fryatt, Kapitän des Q‑Schiffes „Brussels“, vor einem deutschen Kriegsgericht, weil er ein U‑Boot gerammt hatte, obwohl er kein Kriegsschiff befehligte. Fryatt wurde erschossen.
Nach kurzzeitiger Aussetzung zeigte die radikale Form der U‑Bootkriegführung dann 1917 erste gravierende Erfolge. Die Versenkungszahlen schossen in die Höhe. Kulminationspunkt bildete der April 1917 mit 883000 Tonnen versenkten Schiffsraums. Selbst im Zweiten Weltkrieg wurde diese monatliche Ziffer nie übertroffen. Der US-Admiral William S. Sims konstatierte, „daß im April 1917 tatsächlich nur noch für einen Monat oder höchstens sechs Wochen Lebensmittel in England vorhanden waren“.
Der drohende Wirtschaftskollaps der Importnation Großbritannien, die in den USA immense Schulden gemacht hatte, und die Februar-Revolution, wodurch das Ausscheiden Rußlands aus dem Krieg drohte, veranlaßten die Vereinigten Staaten schließlich im April 1917 zum Kriegseintritt. Ihre riesige Flottenmacht verhinderte den deutschen Plan, durch den uneingeschränkten U‑Bootkrieg die britische Regierung binnen sechs Monaten zum Frieden zu zwingen.
Insgesamt wurden von den 320 eingesetzten U‑Booten der Kaiserlichen Marine im Ersten Weltkrieg 6400 Handelsschiffe mit 11,9 Millionen BRT sowie nahezu 100 Kriegsschiffe mit 370 000 BRT versenkt.
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Literatur:
- Baldur Kaulisch: U‑Bootkrieg 1914–1918, Berlin 1976
- Helmut Pemsel: Seeherrschaft. Eine maritime Weltgeschichte von der Dampfschiffahrt bis zur Gegenwart, Augsburg 1995
- Hew Strachan: Der Erste Weltkrieg, München 2004