1917 — „Uneingeschränkter U‑Bootkrieg“ und Kriegseintritt der Vereinigten Staaten

Die zu Beginn des Ersten Weltkriegs verkün­dete See­block­ade der Nord­see durch Großbri­tan­niens Marine sollte Deutsch­land den wirtschaftlichen Leben­snerv durchtren­nen. Weil die deutschen Über­wasser­stre­itkräfte aber (ent­ge­gen der laut­starken britis­chen Pro­pa­gan­da) viel zu schwach waren, um diese Block­ade zu brechen, mußte die Seekriegsleitung sich etwas anderes ein­fall­en lassen. Es ging um eine Gegen­block­ade der britis­chen Insel durch Unter­see­boote. Admi­ral Rein­hard Scheer, der Sieger der Skager­rak-Schlacht, schrieb damals, “daß es einen unge­heuren Ein­druck machen würde, wenn in kurz­er Folge mehrere große Han­delss­chiffe mit wertvollen Ladun­gen dicht vor dem sicheren Hafen ver­loren gin­gen […]. Kein Schiff ist mehr sich­er, die Haupthandel­splätze zu erre­ichen, und die Schif­fahrt wird mit solchen Gefahren verknüpft sein, daß sie das auf ihr las­tende Risiko nicht zu ertra­gen ver­mag.”

Doch ein Han­del­skrieg nach dem soge­nan­nten Prisen­recht war für U‑Boote kaum prak­tik­a­bel. Diese Vorschriften stammten noch aus dem 19. Jahrhun­dert, als Unter­wasserkriegführung unbekan­nt war. Dem­nach durften Han­delss­chiffe nur nach vorheriger War­nung ange­grif­f­en wer­den. Sie soll­ten durch Sig­nale oder Schuß vor den Bug gestoppt wer­den, dann waren die Fracht­pa­piere durch ein an Bord geschick­tes Prisenkom­man­do auf kriegswichtige Waren zu über­prüfen. Im Falle ein­er notwendi­gen Versenkung mußte die geg­ner­ische Schiffs­be­satzung zuvor in die Ret­tungs­boote gehen.

Deutsch­lands Marine hielt sich zunächst an diese Vere­in­barung. Allerd­ings war das mit enor­men Risiken ver­bun­den, denn ein aufge­taucht­es U‑Boot erwies sich als sehr ver­let­zlich, weil es nur über ein einziges Bor­dgeschütz ver­fügte. Während der zeitrauben­den Prisen­proze­dur bestand auch immer die Gefahr, daß plöt­zlich feindliche Kriegss­chiffe erscheinen und das U‑Boot unter Beschuß nehmen, weil es meist nicht rechtzeit­ig weg­tauchen kon­nte.

Nach ersten spek­takulären Erfol­gen der deutschen U‑Boote zu Kriegs­be­ginn (u.a. die Versenkung von drei britis­chen Panz­erkreuzern an einem Tag durch U9) wurde am 15. Feb­ru­ar 1915 der uneingeschränk­te U‑Bootkrieg für ein Sper­rge­bi­et in den Gewässern rund um die britis­chen Inseln erk­lärt. Jet­zt griff man ohne Vor­war­nung unter Wass­er an. Doch nach­dem im Mai 1915 ein deutsches Unter­see­boot den englis­chen Pas­sagier­dampfer „Lusi­ta­nia“ versenkt hat­te und dabei auch Bürg­er der USA umgekom­men waren, änderte sich die Lage. Nach Andro­hung eines Krieg­sein­tritts der USA auf west­al­li­iert­er Seite mußte wieder gemäß der gefährlichen Prisenord­nung ver­fahren wer­den. Weil die Briten aber als Han­dels­dampfer getarnte Kriegss­chiffe („Q‑Ships“), teil­weise unter falsch­er Flagge, ein­set­zten und die aufge­taucht­en U‑Boote damit nahezu wehr­los waren, nahm man im Feb­ru­ar 1916 den uneingeschränk­ten Krieg wieder auf.

Der Ein­satz von Q‑Schiffen galt als Kriegsver­brechen, weil ihre Besatzun­gen auch (wie beim „Baralong“-Zwischenfall im August 1915) auf deutsche schiff­brüchige Matrosen schossen. Im Juli 1916 stand Charles Fry­att, Kapitän des Q‑Schiffes „Brus­sels“, vor einem deutschen Kriegs­gericht, weil er ein U‑Boot ger­ammt hat­te, obwohl er kein Kriegss­chiff befehligte. Fry­att wurde erschossen.

Nach kurzzeit­iger Aus­set­zung zeigte die radikale Form der U‑Bootkriegführung dann 1917 erste gravierende Erfolge. Die Versenkungszahlen schossen in die Höhe. Kul­mi­na­tion­spunkt bildete der April 1917 mit 883000 Ton­nen versenk­ten Schiff­s­raums. Selb­st im Zweit­en Weltkrieg wurde diese monatliche Zif­fer nie übertrof­fen. Der US-Admi­ral William S. Sims kon­sta­tierte, „daß im April 1917 tat­säch­lich nur noch für einen Monat oder höch­stens sechs Wochen Lebens­mit­tel in Eng­land vorhan­den waren“.

Der dro­hende Wirtschaft­skol­laps der Import­na­tion Großbri­tan­nien, die in den USA immense Schulden gemacht hat­te, und die Feb­ru­ar-Rev­o­lu­tion, wodurch das Auss­chei­den Ruß­lands aus dem Krieg dro­hte, ver­an­laßten die Vere­inigten Staat­en schließlich im April 1917 zum Krieg­sein­tritt. Ihre riesige Flot­ten­macht ver­hin­derte den deutschen Plan, durch den uneingeschränk­ten U‑Bootkrieg die britis­che Regierung bin­nen sechs Monat­en zum Frieden zu zwin­gen.

Ins­ge­samt wur­den von den 320 einge­set­zten U‑Booten der Kaiser­lichen Marine im Ersten Weltkrieg 6400 Han­delss­chiffe mit 11,9 Mil­lio­nen BRT sowie nahezu 100 Kriegss­chiffe mit 370 000 BRT versenkt.

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Lit­er­atur:

  • Bal­dur Kaulisch: U‑Bootkrieg 1914–1918, Berlin 1976
  • Hel­mut Pem­sel: See­herrschaft. Eine mar­itime Welt­geschichte von der Dampf­schif­fahrt bis zur Gegen­wart, Augs­burg 1995
  • Hew Stra­chan: Der Erste Weltkrieg, München 2004