Die Urheimat der Vandalen liegt in Varnamo, einer Kleinstadt in der schwedischen Provinz Smoland. Die Vandalen galten als das beweglichste Volk der Völkerwanderungszeit. Der Jahrzehnte währende Wanderzug der Vandalen führte sie zunächst aus ihren Stammesgebieten in Südwestschweden und Norddänemark in das Gebiet des einstigen Schlesien, später nach Ungarn und Rumänien, schließlich quer durch Süddeutschland nach Frankreich und Spanien, wo sie zwanzig Jahre blieben, um dann nach Nordafrika überzusetzen und dort ein in den ganzen Mittelmeerraum ausstrahlendes Reich zu gründen.
Die antiken Quellen, die über die Vandalen und Geiserich berichten, liefern ein zweiteiliges Bild. Verwunderlich ist, daß im Gegensatz zu den Goten, Langobarden, Franken oder Angeln kein antiker Autor ein eigenes Werk über die Vandalen verfaßt hat. Ihre Geschichte muß daher aus verschiedenen, in der antiken Literatur verstreuten Nachrichten rekonstruiert werden. Geschichtsschreiber wie Plinius und Tacitus sind die ersten, welche die Vandalen erwähnen. Sie betrachten diese aus kultureller und geographischer Sicht als eine der großen germanischen Stammesgruppen.
Gehäuft treten die Vandalen in den Blickpunkt antiker Autoren mit der Herrschaft Geiserichs, der 428, nach dem Tod seines Halbbruders Gunderich, ihr König wurde. Gerade die Quellen aus dieser Zeit übermitteln ein durchaus gegensätzliches Bild der Vandalen. Wie das Bild dabei ausfällt, hängt stark davon ab, welche Interessen der Schreiber mit seiner Darstellung der Vandalen vertritt. Einerseits findet sich eine durchgehend negative Darstellung als grausame, von „barbarischer Wildheit“ getriebene Ketzer, andererseits erkennt man in ihnen ein tugendhaftes Gegenbild zu den Römern.
Ein Bild besonderer Tugendhaftigkeit zeichnete Salvian um 450 n.Chr.: „Es gibt keine Tugend, in welcher wir Römer die Wandalen übertreffen. Wir verachten sie als Ketzer, und doch sind sie stärker als wir an Gottesfurcht. — Wo Goten herrschen, ist niemand unzüchtig außer den Römern, wo Wandalen herrschen, sind selbst die Römer keusch geworden. — Gott führte sie über uns, um die verwahrlosten Völker durch die reinen zu strafen.“
Das von den Quellen gezeichnete Bild Geiserichs hebt dessen Bedeutung hervor, wobei nahezu zwangsläufig auch dessen harte Züge ins Licht gerückt werden. Felix Dahn schrieb nach Auswertung der ihm bekannten Quellen: „König Geiserich ist eine der gewaltigsten Gestalten der heldenreichen Zeit der Völkerwanderung. Er war kurz von Gestalt, seit seinem Sturz mit dem Pferde hinkend, verhalten, wortkarg, abgehärtet, jähzornig, habgierig, „höchst geschickt, unter die Menschen den Samen der Zwietracht zu werfen — ein Zug der an Odhin erinnert -, rascher mit der Tat fertig als andere mit dem Entschluß. Mit Arglist, Treubruch und Verrat entreißt er den Römern seines Reiches Hauptstadt Karthago, die Wälle anderer Städte werden geschleift, künftigen Widerstand unmöglich zu machen. Ohne geregelte Landteilung nimmt er so viel Land für sich und seine Vandalen, als er braucht. Empörungen im eigenen Volk werden blutig niedergeschlagen. Alle erreichbaren Küsten und Inseln des Mittelmeeres werden geplündert. Wenn sein gefürchtetes Raubschiff in See sticht, bezeichnet er dem fragenden Steuermann kein bestimmtes Ziel, sondern läßt sich von Wind und Welle gegen solche Menschen tragen, „welchen Gott zürnt, ein echt sagenhafter Zug, der die Auffassung der Zeit widerspiegelt.“
Die Lebensdaten Geiserichs — der fast ein halbes Jahrhundert lang König der Vandalen war — zeigen, daß er ein Mensch war, der Ungewöhnliches erreicht hat: Ab 419 schafft Geiserich dem Reitervolk der Vandalen eine starke Flotte, 429 setzt er sein Volk in einer logistischen Meisterleistung nach Nordafrika über — der damaligen Kornkammer des Römischen Reiches. Er erobert Nordafrika. Die nach Rom zweitgrößte Stadt des weströmischen Imperiums — Karthago — wird Metropole des Vandalenstaates.
Das höchstens 80000 Menschen umfassende Volk der Vandalen mit maximal 15000 bis 20000 eigenen Kriegern bildet auf dem afrikanischen Kontinent nur eine kleine Minderheit. Trotzdem glückt es Geiserich, Afrika sowohl zu beherrschen als auch zu befrieden. 455 erobert Geiserich Rom, ohne es zu zerstören, und verweist Byzanz in seine Schranken. Von 428 bis 477 bestimmt Geiserich als König das Schicksal der Vandalen — eine Zeit, in der die Vandalen von einer unruhigen Völkerschaft auf Wanderung zu einem seßhaften Volk auf nordafrikanischem Boden werden.
Geiserichs mitunter düstere Größe kommt auch darin zum Vorschein, daß einige Zeitgenossen in ihm gar den Antichrist erblickten. Da nach der Vorstellung der frühen Christen die Welt endlich war und man für ihre Dauer in der Regel 6000 Jahre ansetzte, wobei die Erschaffung der Welt auf das Jahr 5500 v. Chr. festgelegt wurde, schien um das Jahr 500 das Weltende zu drohen. Einläuten sollte das apokalyptische Spektakel der Auftritt des Antichrists — ein Wesen von asymmetrischer Gestalt. Viele Katholiken glaubten daher in dem seit seinem Sturz vom Pferd stark hinkenden Geiserich den Satan zu erblicken, zumal in der zeitgenössischen Chronik Liber Genealogus die griechische Schreibweise des Namens Geiserich (Genserikos) als „endzeitliches Tier“ interpretiert werden konnte.
Die Hauptursache für seine Brandmarkung als Antichrist lag jedoch vermutlich darin begründet, daß Geiserich zwar Christ, aber kein Katholik war. Während des zwanzigjährigen Aufenthalts in Spanien waren die Vandalen zum Arianismus übergetreten. Da fast alle Berichte über die Vandalen aus katholischer Hand stammen, fallen sie überwiegend negativ aus. Die Plünderung Roms unter Geiserich diente dem Abbé Henri Baptiste Grégoire schließlich dazu, den Bildersturm gegen feudale und klerikale Symbole durch die Jakobiner während der Französischen Revolution mit der Wortschöpfung vandalisme zu geißeln. Ein unpassender Vergleich. Zwar hatten die Vandalen in Rom Kunstraub im großen Stil betrieben, aber dabei weder ein Blutbad angerichtet, geschweige denn sinnlos zerstört.
Nicht Haß, sondern Begehren hatte die Kultur Roms in ihnen erweckt. Seit dem 19. Jahrhundert gab und gibt es daher immer wieder Versuche, ihnen und ihrem König Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Doch selbst größere Ausstellungen über die Vandalen, so 2001 in Schweden (Varnamo) und 2009 im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, führten allenfalls zu kurzfristigen Kurskorrekturen. Zu fest sitzt offensichtlich der Begriff „Vandalismus“ für enthemmte Zerstörungswut.
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Literatur:
- Emile F. Gautier: Geiserich — König der Wandalen. Die Zerstörung einer Legende, Frankfurt a.M. 1934
- Claus Hattler (Hrsg.): Das Königreich der Vandalen. Erben des Imperiums in Nordafrika, Mainz 2009
- Roland Steinacher: Die Vandalen. Aufstieg und Fall eines Barbarenreichs, Stuttgart 2016