In der Schlacht bei Zülpich südwestlich von Köln am Rand der Nordeifel im Jahr 496 besiegten die Franken unter ihrem König Chlodwig I. die Alemannen. Man nimmt heute an, daß die Schlacht noch keine Entscheidung brachte und der eigentliche Sieg über die Alemannen erst 505/506 in einer anderen Schlacht errungen wurde, möglicherweise in der Nähe von Straßburg. Die Folge des fränkischen Sieges war nicht nur, daß die Alemannen unter die Oberherrschaft der Franken gerieten, sondern es veränderte sich auch die Landkarte der deutschen Stämme in einer bis heute fortwirkenden Weise. Die nördlichen Teile des bisherigen alemannischen Gebietes, Rheinhessen, die Pfalz, Mainfranken und der größte Teil Nordbadens, wurden jetzt von den Alemannen geräumt und von Franken besiedelt. Als Folge davon sind diese Gebiete heute stammesmäßig und mundartlich fränkisch geprägt. Inwieweit dabei Reste der Alemannen in dem Gebiete verblieben und in der fränkischen Bevölkerung aufgegangen sind, ist in der Forschung umstritten. Der Volkskundler Wilhelm Heinrich Riehl etwa glaubte im pfälzischen Volkscharakter auch etwas Alemannisches zu erkennen.
In der Zeit vom 2. bis 6. Jahrhundert schlossen sich die vielen kleinen germanischen Stämme, die zum Beispiel Tacitus noch kannte, zu größeren Stämmen zusammen. Der Grund war die größere militärische Schlagkraft gegen die Römer und andere Stämme. Diese Zusammenschlüsse waren nicht willkürlich, sondern entsprachen den bereits vorhandenen kulturellen Differenzierungen. In den Sachsen schlossen sich die nordseegermanischen, in den Franken die rhein-wesergermanischen und in den Alemannen und Thüringern die elbgermanischen Stämme zusammen. Die sächsische Keramik läßt sich deutlich von der fränkischen oder thüringischen unterscheiden. Im Verlauf der Völkerwanderung nahmen die Stämme ihre heutigen Sitze ein. Ein Sonderfall waren die erst im 6. Jahrhundert auftretenden elbgermanischen Bajuwaren (Baiern), die zunächst kulturell kaum von den Alemannen zu unterscheiden sind und deren Stammesbildung sich möglicherweise erst auf dem von ihnen besetzten Gebiet südlich der Donau vollzog. Im Grunde waren die Friesen, Sachsen, Franken, Thüringer, Alemannen (Schwaben) und Baiern eigenständige germanische Völker, die erst im ostfränkischen und deutschen Reich zu einer politischen Gemeinschaft geformt wurden. Im Verlauf der hochmittelalterlichen deutschen Ostsiedlung kam es in den neubesiedelten Gebieten im Osten durch die Mischung verschiedener Stämme zur Bildung von sogenannten Neustämmen wie den Österreichern, Schlesiern, Pommern oder Ostpreußen.
Spätestens seit dem späten Mittelalter lassen sich nicht nur mundartliche, sondern auch psychologische Stammesbesonderheiten nachweisen. Dabei zeichnen sich die auf ursprünglich fremdem Boden unter der Assimilierung nichtgermanischer Bevölkerungsteile siedelnden Stämme im Süden (Schwaben, Baiern) und Osten (Schlesier, Ostpreußen) durch besonders ausgeprägte eigene Profile aus. Die im Norden verbliebenen Stämme zeigen dagegen die allgemeinen niederdeutschen Eigenschaften und unterscheiden sich nur geringfügig voneinander. Hier dürfte sich der ursprüngliche germanische Charakter verhältnismäßig unverändert erhalten haben. Anders als viele heutige Historiker annehmen, sind die Stämme keine willkürlichen, sich rasch wandelnden politischen Identitäten, sondern außerordentlich stabile Gemeinschaften, die auf genetischer Endogamie und einer starken sprachlichen und kulturellen Assimilationskraft beruhen, wie sie der Sozialpsychologe Willy Hellpach beschrieben hat. Selbst Großstädte wie München oder Hamburg, die über so gut wie keine schon seit vielen Generationen ansässige Bevölkerung verfügen, bewahren dennoch ihre Besonderheiten. Auch wo sie nicht durch politische Territorialgrenzen gestützt wurden, haben sich die Mundart- und Stammesgrenzen in vielen Jahrhunderten so gut wie nicht verändert. Die zuletzt entstandenen Neustämme sind die Berliner und das Ruhrgebiet, die sich durch ausgeprägte eigene Charakteristika deutlich von ihrer Umgebung abheben. Dagegen sind die ostdeutschen Stämme durch ihre Zerstreuung in stammesfremde Gebiete nach 1945 in kurzer Zeit untergegangen.
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Literatur:
- Alexander Demandt: Die westgermanischen Stammesbünde, in: Klio 75 (1993), S.387–406
- Dieter Geuenich: Geschichte der Alemannen, Stuttgart 1997
- Willy Hellpach: Deutsche Physiognomik, Berlin 1949
- Karl Gottfried Hugelmann: Stämme, Nation und Nationalstaat im deutschen Mittelalter, Stuttgart 1955
- Hugo Moser: Stamm und Mundart, in: Zeitschrift für Mundartforschung 20 (1952), S. 129–145
- Andreas Vonderach: Die deutschen Regionalcharaktere, Husum 2012