Bonifatius hieß eigentlich Winfried und war Engländer. Die Nachrichten über das Leben des Winfried sind umfangreich: Kaum einer anderen Persönlichkeit des Frühmittelalters ist mehr zeitgenössisches Schrifttum gewidmet. Irgendwann zwischen den Jahren 672 und 675 wurde er als Sohn einer vornehmen Familie im angelsächsischen Teil Britanniens geboren.
Wynfreth nannten seine Eltern den Knaben und gaben ihn siebenjährig in das Benediktinerkloster zu Exeter, wo Winfried klösterliche Ausbildung und Erziehung erfuhr, bis er in das nahe Southampton gelegene Kloster Nhutscelle (heute: Nursling) gesandt wurde. Dort erhielt er vermutlich um das Jahr 705 die Priesterweihe. Winfried lehrte daselbst als Leiter der Klosterschule und wurde Autor schöner Texte, verfaßte Bibelauslegungen, die erste englische Grammatik und schrieb manches Gedicht.
Winfried war bereits über vierzig, als er beschloß, das klösterliche Leben aufzugeben und zum Zwecke der Heidenmission mit einer Schar Gleichgesinnter von Britannien nach Friesland zu ziehen. Die Friesen lieferten sich zu diesem Zeitpunkt einen erbitterten Krieg mit den Franken. Die Mission scheiterte, und Winfried kehrte zunächst in das Kloster Nursling zurück, wo man ihn zum Abt wählte. Doch der unternehmungslustige Mönch ließ sich alsbald vom Posten des Abtes ablösen und reiste im Jahr 718 zum zweiten Male auf das Festland. Der Weg führte Winfried zunächst nach Rom, wo er am 15. Mai 719 durch Papst Gregor II. Missionsvollmacht erhielt. Mit seinem Sendschreiben verlieh der Papst seinem neuen „conminister“ einen Beinamen, er nannte ihn nach dem römischen Heiligen des 14. Mai, dem Märtyrer Bonifatius von Taurus.
Von Rom aus begab sich Bonifatius nach Thüringen, das im 6. Jahrhundert zum Einflußbereich des Frankenreiches gehörte und bereits deutliche Spuren der Christianisierung trug. Hier begann die eigentliche Mission des Bonifatius. Von Echternach kommend, erreichte Bonifatius zunächst die Amöneburg, einen befestigten fränkischen Stützpunkt, wo er ein Kloster gründet. Von dort, es war um die Jahreswende 721/22, zog er weiter in die Nähe der Sachsengrenze. Es gelang Bonifatius, die fränkischen Grundherren für sein Vorhaben zu gewinnen, und so entstanden hier die ersten Benediktinerniederlassungen. Die Legende berichtet von Tausenden Heiden, die sich beim Auftauchen des Bonifatius von diesem freiwillig taufen ließen.
Im Herbst 722 machte sich Bonifatius erneut auf den Weg nach Rom und wurde durch den Papst zum Missionsbischof geweiht. Sein Wirkungsfeld blieb ohne feste Abgrenzung und umfaßte große Gebiete der heutigen Bundesländer Bayern, Hessen und Thüringen. Mit großangelegten Expeditionen, mit einem Gefolge von Priestern und Mönchen, mit Soldaten, Handwerkern und Händlern zog Bonifatius aus, die germanischen Heiden zu bekehren. Bevorzugt vergriff er sich mit seinen Leuten an den vermeintlichen Götzenbildern und zerstörte die heidnischen Heiligtümer. So kam Bonifatius im Herbst des Jahres 723 auch in den Raum Fritzlar. Seit spätmerowingischer Zeit befand sich auf dem dortigen Büraberg eine gewaltige fränkische Festungsanlage, die Büraburg. Ihre Hauptaufgabe bestand in der militärischen Absicherung der Nordgrenze des ostfränkischen Reiches gegen die benachbarten Sachsen. Die Feste wurde dem kriegerischen Mönch zur Operationsbasis auf Zeit.
Vom weiteren Geschehen berichtet der Mönch Willibald in seiner „Vita Bonifatii“, und wir erfahren, wie Bonifatius, Mann von hünenhafter Gestalt, sich daran machte, in der Gemarkung Geismar („in loco qui dicitur Gaesmere“), nahe der Büraburg, eine gigantische Eiche, heiliger Ort des Germanengottes Donar, zu fällen. Das tat der bewehrte Christenmann nicht, ohne vorher eine zahlreiche Schar Heiden zum Spektakel geladen zu haben. Die Heiden verfluchten schweigend den verhaßten Feind der germanischen Götter, als sie tatenlos seinem axtschwingenden Treiben zugesehen haben sollen.
Die ersten Schläge erschütterten die alte Eiche, und die nächsten fällten sie zu Boden, der Stamm zerbrach in vier große Teile, während die große Krone sich über das Gras erstreckte — und die Menschenmenge auseinandertrieb. Und so will es die Legende: Die gotteslästerlichen Heiden waren überrumpelt, da der Zorn ihrer Götter, den sie erwartet hatten, ausblieb. Niedergeschlagen, wie leicht ihr Heiligtum gefallen war, zogen sie von dannen und verloren ihren heidnischen Glauben und begannen fortan, den Gott des Bonifatius zu verherrlichen. Bonifatius soll aus dem Holz des Baumes, eben jener gefallenen Donarseiche, eine kleine Kirche bauen lassen haben — und vielleicht war das an genau jenem Ort, an dem heute der Fritzlarer Dom steht. Auf jeden Fall wurde die Mission des Bonifatius zum Ausgangspunkt der Stadtgeschichte Fritzlars.
Seit 738 organisierte Bonifatius als päpstlicher Legat die römische Kirche in den Ländern des alten Germaniens. Die Bistümer Salzburg, Regensburg, Freising, Passau, Eichstätt, Würzburg, Büraburg und Erfurt sowie die Klöster Fulda, Amöneburg, Ohrdruf, Fritzlar, Tauberbischofsheim, Kitzingen und Ochsenfurt wurden auf seine Initiative hin eingerichtet. Im Jahr 746 übernahm er das Bistum Mainz. Im Alter von über 80 Jahren zog Bonifatius nochmals mit Schwert und Kreuz gewappnet nach Friesland. Dort starb er mit zahlreichen Gefährten am 5. Juni 754 bei Dokkum (in den heutigen Niederlanden) den christlichen Märtyrertod, als er von friesischen Heiden erschlagen wurde. Der Legende nach soll er versucht haben, sich mit einer Bibel vor dem tödlichen Schwerthieb zu schützen.
Im Jahr 1855 entsprach Papst Pius IX. den Bitten deutscher und englischer Diözesen, die Heiligenverehrung und das Fest des heiligen Bonifacius am 5. Juni über die Wallfahrtsorte in Fulda, Amöneburg und Fritzlar hinaus zu bestätigen und auf die ganze Kirche auszudehnen. Ikonografisch mit Eiche und Axt, Fuchs, Rabe, Peitsche und Schwert dargestellt, galt der Mönch auch unter der nationalen Bewegung im Deutschland des 19. Jahrhunderts vielen ihrer Streiter als „Apostel der Deutschen“. Den völkisch gesonnenen blieb er als symbolische Gestalt der Zwangschristianisierung immer verhaßt. An dem Denkmal, das seit dem 5. Juni 1999 auf dem Domplatz von Fritzlar mit Axt und Baumstumpf an ihn erinnert, hat es schon entsprechende Demonstrationen gegeben.
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Literatur:
- Theodor Schieffer: Winfried-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas, Freiburg 1954
- Hans Wilhelm Hammerbacher: Die Donar-Eiche, Heusenstamm o.J. [1968]
- Lutz E. von Padberg: Bonifatius. Missionar und Reformer, München 2003