723 — Bonifatius fällt die Donarseiche bei Geismar

Boni­fatius hieß eigentlich Win­fried und war Englän­der. Die Nachricht­en über das Leben des Win­fried sind umfan­gre­ich: Kaum ein­er anderen Per­sön­lichkeit des Früh­mit­te­lal­ters ist mehr zeit­genös­sis­ches Schrift­tum gewid­met. Irgend­wann zwis­chen den Jahren 672 und 675 wurde er als Sohn ein­er vornehmen Fam­i­lie im angel­säch­sis­chen Teil Bri­tan­niens geboren.

Wyn­freth nan­nten seine Eltern den Knaben und gaben ihn sieben­jährig in das Benedik­tin­erk­loster zu Exeter, wo Win­fried klöster­liche Aus­bil­dung und Erziehung erfuhr, bis er in das nahe Southamp­ton gele­gene Kloster Nhutscelle (heute: Nursling) gesandt wurde. Dort erhielt er ver­mut­lich um das Jahr 705 die Priester­wei­he. Win­fried lehrte daselb­st als Leit­er der Kloster­schule und wurde Autor schön­er Texte, ver­faßte Bibelausle­gun­gen, die erste englis­che Gram­matik und schrieb manch­es Gedicht.

Win­fried war bere­its über vierzig, als er beschloß, das klöster­liche Leben aufzugeben und zum Zwecke der Hei­den­mis­sion mit ein­er Schar Gle­ich­gesin­nter von Bri­tan­nien nach Fries­land zu ziehen. Die Friesen liefer­ten sich zu diesem Zeit­punkt einen erbit­terten Krieg mit den Franken. Die Mis­sion scheit­erte, und Win­fried kehrte zunächst in das Kloster Nursling zurück, wo man ihn zum Abt wählte. Doch der unternehmungslustige Mönch ließ sich als­bald vom Posten des Abtes ablösen und reiste im Jahr 718 zum zweit­en Male auf das Fes­t­land. Der Weg führte Win­fried zunächst nach Rom, wo er am 15. Mai 719 durch Papst Gre­gor II. Mis­sionsvoll­macht erhielt. Mit seinem Send­schreiben ver­lieh der Papst seinem neuen „con­min­is­ter“ einen Beina­men, er nan­nte ihn nach dem römis­chen Heili­gen des 14. Mai, dem Mär­tyr­er Boni­fatius von Tau­rus.

Von Rom aus begab sich Boni­fatius nach Thürin­gen, das im 6. Jahrhun­dert zum Ein­flußbere­ich des Franken­re­ich­es gehörte und bere­its deut­liche Spuren der Chris­tian­isierung trug. Hier begann die eigentliche Mis­sion des Boni­fatius. Von Echter­nach kom­mend, erre­ichte Boni­fatius zunächst die Amöneb­urg, einen befes­tigten fränkischen Stützpunkt, wo er ein Kloster grün­det. Von dort, es war um die Jahreswende 721/22, zog er weit­er in die Nähe der Sach­sen­gren­ze. Es gelang Boni­fatius, die fränkischen Grund­her­ren für sein Vorhaben zu gewin­nen, und so ent­standen hier die ersten Benedik­tin­ernieder­las­sun­gen. Die Leg­ende berichtet von Tausenden Hei­den, die sich beim Auf­tauchen des Boni­fatius von diesem frei­willig taufen ließen.

Im Herb­st 722 machte sich Boni­fatius erneut auf den Weg nach Rom und wurde durch den Papst zum Mis­sions­bischof gewei­ht. Sein Wirkungs­feld blieb ohne feste Abgren­zung und umfaßte große Gebi­ete der heuti­gen Bun­deslän­der Bay­ern, Hes­sen und Thürin­gen. Mit großan­gelegten Expe­di­tio­nen, mit einem Gefolge von Priestern und Mönchen, mit Sol­dat­en, Handw­erk­ern und Händlern zog Boni­fatius aus, die ger­man­is­chen Hei­den zu bekehren. Bevorzugt ver­griff er sich mit seinen Leuten an den ver­meintlichen Götzen­bildern und zer­störte die hei­d­nis­chen Heiligtümer. So kam Boni­fatius im Herb­st des Jahres 723 auch in den Raum Frit­zlar. Seit spät­merowingis­ch­er Zeit befand sich auf dem dor­ti­gen Büraberg eine gewaltige fränkische Fes­tungsan­lage, die Büraburg. Ihre Haup­tauf­gabe bestand in der mil­itärischen Absicherung der Nord­gren­ze des ost­fränkischen Reich­es gegen die benach­barten Sach­sen. Die Feste wurde dem kriegerischen Mönch zur Oper­a­tions­ba­sis auf Zeit.

Vom weit­eren Geschehen berichtet der Mönch Willibald in sein­er „Vita Boni­fatii“, und wir erfahren, wie Boni­fatius, Mann von hünen­hafter Gestalt, sich daran machte, in der Gemarkung Geis­mar („in loco qui dic­i­tur Gaes­mere“), nahe der Büraburg, eine gigan­tis­che Eiche, heiliger Ort des Ger­ma­nen­gottes Donar, zu fällen. Das tat der bewehrte Chris­ten­mann nicht, ohne vorher eine zahlre­iche Schar Hei­den zum Spek­takel geladen zu haben. Die Hei­den ver­flucht­en schweigend den ver­haßten Feind der ger­man­is­chen Göt­ter, als sie taten­los seinem axtschwin­gen­den Treiben zuge­se­hen haben sollen.

Die ersten Schläge erschüt­terten die alte Eiche, und die näch­sten fäll­ten sie zu Boden, der Stamm zer­brach in vier große Teile, während die große Kro­ne sich über das Gras erstreck­te — und die Men­schen­menge auseinan­der­trieb. Und so will es die Leg­ende: Die gottes­läster­lichen Hei­den waren über­rumpelt, da der Zorn ihrer Göt­ter, den sie erwartet hat­ten, aus­blieb. Niedergeschla­gen, wie leicht ihr Heilig­tum gefall­en war, zogen sie von dan­nen und ver­loren ihren hei­d­nis­chen Glauben und began­nen for­t­an, den Gott des Boni­fatius zu ver­her­rlichen. Boni­fatius soll aus dem Holz des Baumes, eben jen­er gefal­l­enen Donar­se­iche, eine kleine Kirche bauen lassen haben — und vielle­icht war das an genau jen­em Ort, an dem heute der Frit­zlar­er Dom ste­ht. Auf jeden Fall wurde die Mis­sion des Boni­fatius zum Aus­gangspunkt der Stadt­geschichte Frit­zlars.

Seit 738 organ­isierte Boni­fatius als päp­stlich­er Legat die römis­che Kirche in den Län­dern des alten Ger­maniens. Die Bistümer Salzburg, Regens­burg, Freis­ing, Pas­sau, Eich­stätt, Würzburg, Büraburg und Erfurt sowie die Klöster Ful­da, Amöneb­urg, Ohrdruf, Frit­zlar, Tauber­bischof­sheim, Kitzin­gen und Ochsen­furt wur­den auf seine Ini­tia­tive hin ein­gerichtet. Im Jahr 746 über­nahm er das Bis­tum Mainz. Im Alter von über 80 Jahren zog Boni­fatius nochmals mit Schw­ert und Kreuz gewapp­net nach Fries­land. Dort starb er mit zahlre­ichen Gefährten am 5. Juni 754 bei Dokkum (in den heuti­gen Nieder­lan­den) den christlichen Mär­tyr­ertod, als er von friesis­chen Hei­den erschla­gen wurde. Der Leg­ende nach soll er ver­sucht haben, sich mit ein­er Bibel vor dem tödlichen Schw­erthieb zu schützen.

Im Jahr 1855 entsprach Papst Pius IX. den Bit­ten deutsch­er und englis­ch­er Diöze­sen, die Heili­gen­verehrung und das Fest des heili­gen Boni­facius am 5. Juni über die Wall­fahrt­sorte in Ful­da, Amöneb­urg und Frit­zlar hin­aus zu bestäti­gen und auf die ganze Kirche auszudehnen. Ikono­grafisch mit Eiche und Axt, Fuchs, Rabe, Peitsche und Schw­ert dargestellt, galt der Mönch auch unter der nationalen Bewe­gung im Deutsch­land des 19. Jahrhun­derts vie­len ihrer Stre­it­er als „Apos­tel der Deutschen“. Den völkisch gesonnenen blieb er als sym­bol­is­che Gestalt der Zwangschris­tian­isierung immer ver­haßt. An dem Denkmal, das seit dem 5. Juni 1999 auf dem Dom­platz von Frit­zlar mit Axt und Baum­s­tumpf an ihn erin­nert, hat es schon entsprechende Demon­stra­tio­nen gegeben.

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Lit­er­atur:

  • Theodor Schi­ef­fer: Win­fried-Boni­fatius und die christliche Grundle­gung Europas, Freiburg 1954
  • Hans Wil­helm Ham­mer­bach­er: Die Donar-Eiche, Heusen­stamm o.J. [1968]
  • Lutz E. von Pad­berg: Boni­fatius. Mis­sion­ar und Reformer, München 2003