Bamberg – Dom, Bamberger Reiter

Die Stadt Bam­berg wirbt seit eini­gen Jahren mit einem Logo, das die leicht ver­fremdete Sil­hou­ette eines gekrön­ten Reit­ers zeigt. Ob das Signet tat­säch­lich den Wieder­erken­nungswert hat, den man erwartet, ste­ht dahin, aber sich­er haben die Auf­tragge­ber auf das bekan­nteste Wahrze­ichen der Stadt zurück­ge­grif­f­en: den »Bam­berg­er Reit­er«.

Name wie Bekan­ntheit sind ver­hält­nis­mäßig jun­gen Datums. Bei­des geht vor allem zurück auf Wil­helm Pin­der, der auch dafür gesorgt hat, daß die Stifter­fig­uren des Naum­burg­er Doms in ihrem Rang erkan­nt wur­den. Hier wie dort erre­ichte er, daß seine kun­sthis­torische Betra­ch­tung nationale Iko­nen schuf, und das, obwohl die Werke in eher abgele­ge­nen Orten Deutsch­lands standen und keine bedeu­ten­den Gestal­ten der Geschichte repräsen­tierten. Das gilt für den Bam­berg­er Reit­er sog­ar in noch höherem Maß als für die Stifter­fig­uren, denn im Grunde ist bis heute umstrit­ten, wen die zwis­chen 1225 und 1237 geschaf­fene Arbeit über­haupt darstellen soll und welche Funk­tion sie ursprünglich im Bild­pro­gramm des Doms besaß.

Läßt man die auf­grund mit­te­lal­ter­lich­er Vorstel­lun­gen unmögliche Annahme außer acht, hier seien Philipp von Schwaben oder Friedrich II. dargestellt, bleiben immer noch als denkbare Urbilder der apoka­lyp­tis­che Chris­tus, der in der Offen­barung als Reit­er auf einem weißen Pferd angekündigt wird, vor allem aber die heiligge­sproch­enen Herrsch­er Kon­stan­tin, Hein­rich II. oder Stephan von Ungarn. Die meis­ten Forsch­er nehmen mit­tler­weile an, daß die Verknüp­fung mit Stephan wahrschein­lich ist, der zur Ehre der Altäre erhoben wurde, weil er sein Volk zum Chris­ten­tum führte, da das Bis­tum Bam­berg während des Dom­baus in der Hand des Haus­es Andechs-Meranien war, das enge Verbindun­gen zur ungarischen Dynas­tie unter­hielt.

Zu beto­nen bleibt aber, daß auch diese Zuord­nung speku­la­tiv bleibt. Was an der außeror­dentlichen Wirkung der Darstel­lung nichts ändert. Wer den Dom betritt und vom Mit­telschiff aus den Nordpfeil­er des Geor­gen­chors find­et, an dem die Fig­ur ange­bracht wurde, wird beein­druckt sein von der Schön­heit und Aus­ge­wogen­heit, die zwar an antike Vor­bilder erin­nern, aber doch so deut­lich anders aufge­faßt sind: ein Mann, gekrönt, hal­blanges Haar, etwa lebens­groß, zu Pferd, den sicht­baren Fuß im Steig­bügel ruhend, im Turnier­sat­tel leicht zurück­gelehnt, bek­lei­det mit einem lan­gen ein­fachen und schmuck­losen Gewand, das Gesicht dem Betra­chter zuge­wandt, mit einem ver­sonnenen Aus­druck, die rechte Hand den Riemen seines Man­tels in höfis­ch­er Geste läs­sig nach vorn ziehend.

Schon die Kun­st­geschichte des 19. Jahrhun­derts erkan­nte die Ähn­lichkeit des Bam­berg­er Reit­ers und ander­er Skulp­turen des Doms mit Arbeit­en, die zeit­gle­ich in Frankre­ich, vor allem bei der Aus­gestal­tung der Krö­nungskathe­drale von Reims, ent­standen waren. Nahe­liegend ist ein Ver­gle­ich mit der Fig­ur eines alttes­ta­mentlichen Königs in Reims, die aber vielle­icht auf Philipp II. Augus­tus als Mod­ell zurück­griff. In bezug auf die Haar­tra­cht — den »Pagen­schnitt« — wie die Kro­ne und einige Details gibt es deut­liche Par­al­le­len.

Auf­fal­l­end ist aber der ekla­tante Unter­schied in der Phys­iog­nomie: Das Gesicht in Reims ist schär­fer kon­turi­ert, das Kinn fast spitz zulaufend, die Brauen zusam­menge­zo­gen, was mit dem leicht spöt­tis­chen Verziehen des Mundes den Ein­druck von Macht­be­wußt­sein und ein­er gewis­sen Härte hin­ter­läßt, die dem poli­tis­chen Prak­tik­er sich­er zukam; dage­gen wirkt das Gesicht des Bam­berg­er Reit­ers jugendlich, offen, die Lip­pen leicht geöffnet, die ange­hobe­nen Brauen sprechen hier für eine Über­raschung, die er in einiger Ent­fer­nung sieht. Man hat in Zeit­en, in denen solche Assozi­a­tio­nen noch offen ange­sprochen wur­den und nationale Charak­tere als Selb­stver­ständlichkeit gal­ten, einen Ver­gle­ich mit Parzi­val — dem »reinen Toren« — angestellt und selb­stver­ständlich auch auf die Vorstel­lung gezielt, daß der Bam­berg­er Reit­er den ide­alen Deutschen repräsen­tieren sollte.

Diese Vorstel­lung stand schon hin­ter der Entschei­dung der Weimar­er Zeit, die Fig­ur aktiv als nationales Sym­bol zu nutzen (der Kopf erschien etwa auf Ban­knoten der 1920er Jahre), wurde dann aber vor allem in der NS-Zeit genutzt, die den Bam­berg­er Reit­er sog­ar als eine Art »Nation­al­heilig­tum« betra­cht­en wollte. Ein Vor­gang, der wie bei so vie­len anderen Teilen der deutschen Ikono­gra­phie zu ein­er nach­halti­gen Beschädi­gung führte — wen­ngle­ich davon in der unmit­tel­baren Zeit nach dem Zusam­men­bruch noch nichts zu merken war. In der Ade­nauerzeit jeden­falls wur­den der Reit­er oder sein Kopf ganz selb­stver­ständlich ver­wen­det, um das deutsche Mit­te­lal­ter zu repräsen­tieren. Soweit ist man noch nicht wieder, obwohl sich fest­stellen läßt, daß das Ver­hält­nis zu der Fig­ur neuerd­ings viel gelassen­er ist als in der jün­geren Ver­gan­gen­heit.

Ein Fak­tor spielt dabei bedauer­licher­weise keine Rolle: die Verknüp­fung der Fig­ur mit der Per­son Claus von Stauf­fen­bergs, der 1926 als Fah­nen­junker in das in Bam­berg sta­tion­ierte Kaval­leriereg­i­ment 17 einge­treten war, das man umgangssprach­lich »die Bam­berg­er Reit­er« nan­nte. Wichtiger als das ist, daß Stauf­fen­bergs Vorstel­lung von Rit­ter­lichkeit bes­timmt war durch ein von der Dich­tung Georges geprägtes Bewußt­sein der Form, die ihren Aus­druck auch in diesem außergewöhn­lichen Mon­u­ment fand:

Du Fremdester brichst noch als echter spross
Zur guten kehr aus deines Volkes flanke.
Zeigt dieser dom dich nicht: herab vom ross
Stre­it­bar und stolz als königlich­er franke!
Dann bist du leib­haft in der keme­nat
Gemeis­selt — nicht mehr Waib­ling oder Welfe -
Nur stiller kün­stler der sein bestes tat.
Ver­son­nen wartend bis der him­mel helfe.

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Lit­er­atur:

  • Carsten Busch: Der Bam­berg­er Reit­er, Bam­berg o. J.
  • Heinz Gock­el: Der Bam­berg­er Reit­er: Stephan von Ungarn oder Endzeitkaiser?, in: His­torisch­er Vere­in Bam­berg 143 (2007), S. 39–57
  • Hannes Möhring: König der Könige. Der Bam­berg­er Reit­er in neuer Inter­pre­ta­tion, König­stein im Taunus 2004
  • Wil­helm Pin­der: Der Bam­berg­er Dom, zulet­zt Berlin (West) 1964