Castel del Monte: Süditalien, Provinz Puglia, Gemeinde Andria

Wer sich von der Küstenebene der Ter­ra di Bari dem Cas­tel del Monte nähert, kommt nicht umhin, Fer­di­nand Gre­gorovius zuzus­tim­men, der die Anlage die »Kro­ne Apuliens« und das »Dia­dem des Hohen­staufen­re­ich­es« genan­nt hat. Tat­säch­lich ragt der Bau wie eine Kro­ne empor und erweckt einen majestätis­chen Ein­druck, der im Zweifel nur durch die Touris­ten­scharen auf der Zufahrtsstraße und dem großen Park­platz am Fuß des Cas­tel getrübt wird.

Schon im 19. Jahrhun­dert hat sich Ital­ien der stau­fis­chen Geschichte und ihrer Relik­te bemächtigt und bei­de in die eigene nationale Über­liefer­ung eingegliedert. Dage­gen set­zte das deutsche Inter­esse an diesem Erbe erst ver­hält­nis­mäßig spät ein. Die Ital­ien­begeis­terung war ursprünglich ganz auf die Land­schaft, die Antike und die Renais­sance, fall­weise das Barock, gerichtet, aber nicht auf das Mit­te­lal­ter und die enge Verbindung zwis­chen Deutsch­land und dem Süden in jen­er Zeit. Das änderte sich allerd­ings, und nicht zulet­zt war es den Möglichkeit­en der Fotografie zu
ver­danken, daß dem Pub­likum ein unmit­tel­bar­er Ein­druck von der Schön­heit der stau­fis­chen Bur­gen auf der Apen­nin­hal­binsel und Sizilien ver­mit­telt wer­den kon­nte. Ins­beson­dere die Auf­nah­men von Alfred Renger-Patzsch und die Arbeit­en von Carl Willem­sen haben zu dieser Pop­u­lar­isierung beige­tra­gen, und auch zu dem Ein­druck, daß das Cas­tel del Monte nicht irgen­deine Fes­tungsan­lage war, son­dern durch seine außergewöhn­liche Gestalt wie die enge Verknüp­fung mit der Per­son Friedrichs II. zen­trale Bedeu­tung besaß.

Was die Konzep­tion ange­ht, mag der heutige Ein­druck der Geschlossen­heit auch durch den Abbruch eines drit­ten Stock­w­erks und die Schlei­fung der Eck­türme mit her­vorgerufen wer­den, aber auss­chlaggebend ist das nicht. Denn das eigentlich Frap­pierende sind die an antike Vor­bilder erin­nernde Sym­me­trie, die Schlichtheit und Helle des Baus und das Achteck des Grun­driss­es. Läßt man die for­male Ähn­lichkeit mit dem soge­nan­nten Felsendom in Jerusalem und anderen ori­en­tal­is­chen Gebäu­den sowie die umlaufend­en eso­ter­ischen Deu­tun­gen außer­halb der Betra­ch­tung, fällt auf, daß das Okto­gon sich auch in der Kon­struk­tion der Reich­skro­ne und der Aach­en­er Pfalzkapelle find­et, in der Friedrich II. gekrönt wurde. Im Mit­te­lal­ter galt die Acht als Sym­bol der Vol­len­dung, des Gottes­re­ich­es, mit dem sog­ar die Schöp­fung – ihr Sinnbild war die Sieben – über­boten wird. Ob der Kaiser sich von diesem Gedanken beim Bau des Cas­tel del Monte hat leit­en lassen, ist nicht mehr zu sagen, aber fest ste­ht, daß sein aus­geprägtes Inter­esse an Math­e­matik wie Astronomie und Astrolo­gie eine Rolle gespielt haben.

Daß Friedrich auch auf Plazierung und Aus­rich­tung des Cas­tel Ein­fluß genom­men hat, ist sehr wahrschein­lich. Genaue Infor­ma­tio­nen über seine Absicht­en gibt es aber nicht. Nur soviel ste­ht fest, daß der Kaiser die Errich­tung zwis­chen 1240 und 1250 ange­ord­net hat­te, das heißt in der let­zten Phase sein­er Herrschaft, daß es, anders als die ältere Lit­er­atur behauptet, keine Hin­weise auf seine Anwe­sen­heit in der Anlage gibt, jeden­falls enthält das Itin­er­ar sein­er Regierungszeit keinen entsprechen­den Ver­merk. Man hat auf­grund dieser Tatbestände sog­ar am mil­itärischen Zweck des Cas­tel del Monte Zweifel geäußert. Tat­säch­lich fehlen die son­st im Mit­te­lal­ter üblichen Anla­gen von Graben und Zug­brücke, aber an der Gun­st der strate­gis­chen Lage ist nicht zu  zweifeln. Eine Erwä­gung wert bleibt immer­hin die Vorstel­lung, es habe sich um ein Jagd- und Lustschloß gehan­delt. In vielem fühlt man sich an den an ara­bis­chen Vor­bildern ori­en­tierten Bau von Zisa in Paler­mo erin­nert. Aber befriedi­gend ist diese Speku­la­tion sowenig wie die Auf­fas­sung, das Cas­tel del Monte habe gar keinen prak­tis­chen Nutzen erfüllt, son­dern sei – angemessen dem »ersten mod­er­nen Men­schen«, als den man Friedrich gele­gentlich beze­ich­net – ein Kunst­werk um sein­er selb­st willen.

Beim Tod des Kaisers war das Cas­tel del Monte noch unvol­len­det, und auch insofern erscheint es wie ein Sinnbild stau­fis­ch­er Herrschaft. Denn der neue Herr des ital­ienis­chen Südens, Karl von Anjou, ließ nach der Nieder­lage von Friedrichs Sohn Man­fred aus­gerech­net das Cas­tel del Monte als Gefäng­nis für dessen Söhne ein­richt­en, und war, wie Gre­gorovius schreibt, »so gefüh­l­los, daß er jene Prinzen, die schuld­los­es­ten unter allen seinen Staats­ge­fan­genen, fort­dauernd in Ket­ten hielt. In Ket­ten waren sie groß gewor­den; aus Kindern Jünglinge, aus Jünglin­gen Män­ner wer­dend, hat­ten sie an dem verän­derten und zunehmenden Gewicht der Eisen­last das Wach­s­tum ihres Leibes und Lei­dens ermessen kön­nen. Wie Bet­tler waren sie gek­lei­det und genährt, und sicher­lich ließ man sie absichtlich in Unwis­senheit und Elend zu Idioten wer­den. Spätere Berichte wollen sog­ar wis­sen, daß man sie geblendet und ver­stüm­melt hat­te«.

Während alle Ghi­belli­nen, also die Anhänger der kaiser­treuen Partei, nach und nach freige­lassen wur­den, gin­gen die Staufer zugrunde, ver­schwand die »ver­fluchte Fam­i­lie«, wie die Kirche sie nan­nte, und endete eine der größten Epochen deutsch­er Geschichte, zu deren schön­sten Sym­bol­en das Cas­tel gehört.

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Lit­er­atur:

  • Olaf B. Bad­er: ”Kaiser Friedrich II., München 2012
  • Ernst Kan­torow­icz: Kaiser Friedrich der Zweite, Berlin 1927
  • Han­no Hahn/Albert Renger-Patzsch: Hohen­staufen­bur­gen in Südi­tal­ien, Ingel­heim 1961
  • Carl A. Willem­sen: Cas­tel del Monte – Kro­ne Apuliens, Wies­baden 1955