Die Holocaust-Industrie — Norman Finkelstein, 2000

Bei der Debat­te um Daniel Gold­ha­gens Buch Hitlers willige Voll­streck­er (1996) trat Nor­man Finkel­stein erst­mals in Deutsch­land in Erschei­n­ung, als er Gold­ha­gen zahlre­iche Fehler und mutwillige Fälschun­gen nach­weisen kon­nte. In dieser Zeit begann in den Vere­inigten Staat­en eine Diskus­sion über die Frage nach jüdis­chen Ver­mö­genswerten in Schweiz­er Bank­tre­soren, die dort seit dem Zweit­en Weltkrieg lagerten und seit­dem sys­tem­a­tisch unter­schla­gen wor­den sein soll­ten. Daraus erwuchs in weni­gen Jahren eine Kam­pagne gegen die Schweiz, die schließlich mit ein­er Zahlung von 1,25 Mil­liar­den Dol­lar an jüdis­che Organ­i­sa­tio­nen endete. Das nahm Finkel­stein zum Anlaß für eine Gen­er­al­abrech­nung mit der von ihm als »Holo­caust-Indus­trie« beze­ich­neten jüdis­chen Lob­by in den Vere­inigten Staat­en.

Finkel­stein, der seine moralis­che Posi­tion und intellek­tuelle Frei­heit aus sein­er Abstam­mung von Holo­caustüber­leben­den ableit­et, begin­nt sein Buch mit ein­er Unter­suchung des Phänomens, daß der Holo­caust bis in die sechziger Jahre keine Rolle gespielt hat und erst im Zuge der Neuaus­rich­tung der amerikanis­chen Israelpoli­tik öffentlich behan­delt wurde. Dabei trifft Finkel­stein die Unter­schei­dung zwis­chen dem »Holo­caust« als dem, was aus der Juden­ver­fol­gung im nach­hinein poli­tisch gemacht wurde und den eigentlichen his­torischen Ereignis­sen. In seinem Buch geht es nur um ersteres. Finkel­stein datiert das Umdenken in bezug auf den Holo­caust auf das Jahr 1967, den ara­bisch-israelis­chen Junikrieg, als die Vere­inigten Staat­en die strate­gis­che Wichtigkeit Israels in der Region erkan­nt hat­ten. Finkel­stein geht noch weit­er und sieht im Eich­mann-Prozeß (1961) eine Art Test­lauf für die poli­tis­che Ver­w­ert­barkeit des Holo­caust, die dann von den jüdis­chen Eliten der Vere­inigten Staat­en umge­set­zt wor­den sei. In diesem Konzept spielt die Behaup­tung, der Holo­caust sei einzi­gar­tig und ratio­nal nicht begreif­bar, eine große Rolle. Finkel­stein weist eine solche Sicht zurück und sieht in dieser religiösen Überzeu­gung die Ursache für zahlre­iche gefälschte Erin­nerungs­büch­er von ange­blichen Holo­caustüber­leben­den, die unab­hängig von ihrer Fik­tion­al­ität für bare Münze genom­men wer­den. Daraus hat sich, so Finkel­stein, eine ganze Indus­trie entwick­elt, die allein in den Vere­inigten Staat­en über mehr als hun­dert Insti­tu­tio­nen ver­fügt. Diese nutzt ihre Macht zunehmend aus, um Entschädi­gungszahlun­gen zu erpressen – oft­mals mit falschen Zahlen, wenn möglich auch mehrfach und sel­ten zugun­sten der Betrof­fe­nen, son­dern all­ge­mein jüdis­ch­er Anliegen, so daß diese Organ­i­sa­tio­nen über ein riesiges Ver­mö­gen ver­fü­gen. Im Fall der Schweiz, den Finkel­stein aus­führlich schildert, hat­te dieses Vorge­hen durch­schla­gen­den Erfolg, so daß eine wesentlich über dem Wert der Ein­la­gen liegende Summe gezahlt wurde.

Finkel­stein erin­nert auch daran, daß die Entschädi­gun­gen für die Juden der einzige Fall sind, bei dem es für erlittenes Unrecht mehr als Worte der Entschuldigung gibt. Indem sie die jüdis­che Sache zu ihrer eige­nen machen, wollen die Vere­inigten Staat­en, so Finkel­stein, auch von ihrer eige­nen Geschichte ablenken.

Gegen das Buch gab es noch vor der Veröf­fentlichung Proteste jüdis­ch­er Organ­i­sa­tio­nen, die das Erscheinen ver­hin­dern woll­ten. Schließlich drück­te Michael Nau­mann, damals Chef der Ver­lags­gruppe, in der das Buch erscheinen sollte, die Veröf­fentlichung durch. Wenig später erschien, wiederum von Protesten begleit­et, die deutsche Über­set­zung, die rasch die Best­sellerlis­ten eroberte. Den Vor­wurf, er mache sich zum Erfül­lungs­ge­hil­fen der Holo­caustleugn­er, wies Finkel­stein als absurd zurück.

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Zitat:

Ich glaube, daß ab einem bes­timmten Punkt die deutsche Beto­nung der Einzi­gar­tigkeit des Holo­caust eine umgekehrte Form von Chau­vin­is­mus wird, unge­fähr von der Art: Wir haben die schlimm­sten Ver­brechen began­gen.

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Aus­gabe:

  • Taschen­buchaus­gabe, München: Piper 2009

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Lit­er­atur:

  • Insti­tut für Staat­spoli­tik (Hrsg.): »Meine Ehre heißt Reue«. Der Schuld­stolz der Deutschen, Schnell­ro­da ²2009

  • Petra Stein­berg­er (Hrsg.): Die Finkel­stein-Debat­te, München 2001