Freiheit

Frei­heit beze­ich­net seinem Ursprung nach den Zus­tand desjeni­gen, der nicht oder nicht voll­ständig vom Willen ander­er abhängig ist. Insofern kann Frei­heit zunächst nur neg­a­tiv bes­timmt wer­den, ohne daß damit etwas gegen ihren Wert gesagt wäre: “Die Frei­heit wird etwas Pos­i­tives nur durch den Gebrauch, den wir von ihr machen” (Friedrich August von Hayek). Ver­suche, die Frei­heit von vorn­here­in auf einen bes­timmten Inhalt zu beziehen, ohne ihren Charak­ter als Frei­heit zu zer­stören, haben noch jedes­mal ihr Ziel ver­fehlt.
 
Wed­er läßt sich eine undisku­tier­bare Bindung an sit­tliche Gehalte erre­ichen, noch eine Fix­ierung auf eine Zielset­zung, deren Ein­se­hbarkeit ange­blich für alle Men­schen guten Wil­lens gegeben ist.
Sicher­lich ent­stand das Empfind­en von und der Wun­sch nach Frei­heit aus dem Kon­trast zur Wahrnehmung von Zwang. Das darf man vielle­icht als all­ge­mein-men­schliche Möglichkeit betra­cht­en, ohne damit zu bestre­it­en, daß his­torisch gese­hen bes­timmte Völk­er (Volk) — vor allem die europäis­chen — einen stärk­eren Frei­heits­drang aufgewiesen haben und aufweisen als andere.
 
In der Antike galt der Nicht-Sklave als Freier, wobei von vorn­here­in klar war, daß es Abstu­fun­gen von Frei­heit gab: Ein Kind kon­nte nicht im gle­ichen Maße frei sein wie ein Erwach­sen­er, eine Frau nicht im gle­ichen Maße wie ein Mann, ein Schwach­er nicht im gle­ichen Maße wie ein Stark­er, ein Armer nicht im gle­ichen Maße wie ein Reich­er. Frei­heit war nur durch ein gewiss­es Maß an Selb­ständigkeit zu begrün­den, das im all­ge­meinen auf die waf­fen­fähi­gen Män­ner mit Besitz an Grund und Boden beschränkt blieb. Aus den geschilderten Umstän­den ergibt sich auch, daß Frei­heit ursprünglich im Plur­al aufge­faßt wurde, man also von Frei­heit­en zu sprechen hat. Diese Viel­heit kam auch in der Unter­schei­dung ein­er indi­vidu­ellen und ein­er kollek­tiv­en Frei­heit zum Aus­druck, let­ztere war auf das Selb­st­bes­tim­mungsrecht des Stammes, des Volkes, der Polis, des Staates bezo­gen.
 
Unberührt davon blieb die Frage, inwieweit die Göt­ter, das Schick­sal, die Natur die Frei­heit des Men­schen begren­zen. Die Menge der Antworten kon­nte je nach religiösem, philosophis­chem oder weltan­schaulichem Stand­punkt sehr ver­schieden aus­fall­en. Wenn es um Frei­heit im gesellschaftlichen Sinn ging, bestand aber ein weit­ge­hen­der Kon­sens, daß sie das Ergeb­nis der Verge­mein­schaf­tung und ihrer Recht­sor­d­nung sei, nicht deren Voraus­set­zung.
 
Der Sachver­halt blieb auch durch das Chris­ten­tum unbe­strit­ten, trotz der Bedeu­tung, die man der Würde jedes Men­schen als Geschöpf und der Befreiung des Sün­ders durch die Erlö­sung­stat Christi zus­prach. Die irdis­che Frei­heit galt als davon deut­lich getren­nt und die allmäh­liche Aufhe­bung der Ver­sklavung ander­er Chris­ten, später von Men­schen über­haupt, stand erst am Ende eines lang­wieri­gen Prozess­es ethis­ch­er Durch­dringung. In erster Lin­ie teilte die kirch­liche Lehre mit der philosophis­chen die Skep­sis gegenüber einem Zuviel an Frei­heit. Pla­ton hat­te schon im Zusam­men­hang mit sein­er Ver­fas­sungs­the­o­rie die Ansicht vertreten, daß Frei­heit grund­sät­zlich zum Mißbrauch ver­führe und Demokra­tien dazu neigten, im Namen der Gle­ich­heit und Frei­heit in einen anar­chis­chen Zus­tand überzuge­hen, der zwangsläu­fig die Tyran­nis her­auf­beschwöre.
 
Seit der Aufk­lärung wur­den große intellek­tuelle und prak­tisch-poli­tis­che Anstren­gun­gen unter­nom­men, um diesem Prob­lem zu begeg­nen und Gle­ich­heit mit Frei­heit har­monisch zu verknüpfen. Das ist um so schwieriger, als der mod­erne Men­sch nicht nur von der Forderung nach Egal­ität ange­zo­gen wird, son­dern auch einen so mas­siv­en Indi­vid­u­al­isierung­sprozeß durch­läuft, daß er neben der Gle­ich­heit eine Frei­heit ver­langt, die ihm die unbeschränk­te Ent­fal­tung sein­er Per­sön­lichkeit erlaubt. Die bei­den Forderun­gen sind nicht har­mon­isier­bar, stellen aber nach der Zer­störung der alteu­ropäis­chen Gesellschaft mit ihren ständis­chen Frei­heit (Stand) einen Fix­punkt aller möglichen poli­tis­chen Pro­gramme dar.
 
Es hat sich aus diesem Grund auf kon­ser­v­a­tiv­er Seite früh eine prinzip­ielle Kri­tik der neuzeitlichen Frei­heit­side­olo­gie ergeben, die deren utopis­chen Charak­ter her­vorhebt, die notwendi­ge Span­nung von Frei­heit und “Ent­frem­dung” (Arnold Gehlen) oder deren zer­störerische Kon­se­quenz betont. Eine Schlüs­selbe­deu­tung kom­men Alex­is de Toc­quevilles Beobach­tun­gen im Nor­dameri­ka des 19. Jahrhun­derts zu, die erst­mals das Nebeneinan­der von ungegliedert­er Mas­sen­ge­sellschaft (Masse) und außeror­dentlichem Kon­for­mitäts­druck zeigten. Hier wurde deut­lich, daß die entsch­iedene Pro­pa­gan­da der Frei­heit keineswegs ein sicheres Indiz dafür ist, daß es tat­säch­lich Frei­heit gibt.
 
Soweit die Auseinan­der­set­zung nicht mit der Vorstel­lung ver­bun­den war, die kor­po­ra­tive Ord­nung (Stand) wieder­herzustellen beziehungsweise zu erneuern, betonte sie die Notwendigkeit ein­er gemis­cht­en Ver­fas­sung, die auch den Klas­sik­ern der poli­tis­chen The­o­rie als bestes Gegengift für den Mißbrauch der Frei­heit erschien. Daneben gibt es den Ver­such, durch die Erziehung der Per­sön­lichkeit einen indi­vidu­ellen Wider­standskern zu bilden, um auch den Ver­lust echter Frei­heit zu über­ste­hen.
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Zitate:
Die Emanzip­ierten beg­nü­gen sich mit der Vielfalt. Der Weise sucht seit je nach dem Einen. Weshalb gibt es jedoch nicht den ger­ing­sten Ein­fluß der Klu­gen auf die Dum­men? Weil die Dum­men emanzip­iert sind, die Klu­gen aber nie.
 
Unter den Masken der Frei­heit ist die Diszi­plin die undurch­dringlich­ste.
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Lit­er­atur: