Konservatismus

Kon­ser­vatismus beze­ich­net jenen Teil der poli­tis­chen Recht­en, der sich – wie der vom lateinis­chen con­ser­vare für »bewahren« abgeleit­ete Name schon sagt – der Erhal­tung bes­timmter Über­liefer­un­gen verpflichtet fühlt. In diesem Sinn ist der Kon­ser­vatismus zuerst am Ende des 18. Jahrhun­derts aufge­treten und hat eine Formierungsphase bis zum Beginn der Restau­ra­tion durch­laufen: Bekan­nter­maßen trat die Parteibeze­ich­nung »kon­ser­v­a­tiv« erst 1818 in Ableitung von der Zeitschrift Chateaubriands Le Con­ser­va­teur auf.

Allerd­ings gab es und gibt es die Auf­fas­sung, daß man die Entste­hung des Kon­ser­vatismus nicht nur auf die dama­li­gen Zei­tum­stände, das heißt die Auseinan­der­set­zung mit der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion, zurück­führen könne. Das hat zur Entste­hung ver­schieden­er Deu­tun­gen des Ursprungs kon­ser­v­a­tiv­er Weltan­schau­ung beige­tra­gen:

1. Am weitesten geht die Annahme ein­er bes­timmten anthro­pol­o­gis­chen Anlage, die von vorn­here­in Men­schen zu kon­ser­v­a­tiv­en oder rev­o­lu­tionären Auf­fas­sun­gen disponiert; damit ver­wandt ist die Idee, daß es sich beim Kon­ser­vatismus um eine Hal­tung han­delt, die in der Jugend schwach ist und mit zunehmen­dem Alter stärk­er wird.
2. Davon zu tren­nen ist die These ein­er »ewigen Recht­en«, die im Grunde seit jeher Ord­nung und Ungle­ich­heit gegen die »Ewige Linke« vertei­digte. Mehr in polemis­ch­er Absicht ent­stand die Beze­ich­nung jed­er Posi­tionsvertei­di­gung als »kon­ser­v­a­tiv«, selb­st dann, wenn so Kom­mu­nis­ten plöt­zlich als Träger eines Kon­ser­vatismus erscheinen.
3. Im all­ge­meinen dürften die Anhänger solch­er Posi­tio­nen mit den Ange­höri­gen der herrschen­den Klassen oder der ehe­mals herrschen­den Klassen iden­tisch sein, gele­gentlich ergänzt um jene, die aus prinzip­iellen Grün­den linken Pro­gram­men feindlich gegenüber­ste­hen, wom­it eine Tra­di­tion­slin­ie von Pla­ton über Cato bis zum Kon­ser­vatismus der Gegen­wart gezo­gen wer­den kön­nte.
4. Es bleibt dann die Posi­tion zu nen­nen, die den Kon­ser­vatismus als konkrete his­torische Erschei­n­ung betra­chtet, die in Vertei­di­gung der alten soci­etas chris­tiana ent­stand und seit­dem eine Rei­he von Meta­mor­pho­sen erlebt hat, bis mit dem Nieder­gang ihrer Träger­schicht­en, vor allem des Adels, nur noch bedeu­tungslose Reste übrigge­blieben sind.
5. Schließlich sei noch die Inter­pre­ta­tion erwäh­nt, die meint, daß der Kon­ser­vatismus wie jede poli­tis­che Strö­mung der Mod­erne ver­schiedene Entwick­lungssta­di­en durch­laufen hat und sich nach ein­er »Achsen­zeit« (Karl Jaspers beziehungsweise Armin Mohler) von der ursprünglichen Bindung an kor­po­ra­tive und religiöse Bestände lösen kon­nte, um ein Konzept zu entwick­eln, das mit dem des tra­di­tionellen Kon­ser­vatismus zwar gewisse Übere­in­stim­mungen aufweist (Ablehnung des Egal­i­taris­mus und der Utopie, Bejahung von Insti­tu­tion und his­torisch­er Exis­tenz), diese aber argu­men­ta­tiv und unter Ein­beziehung mod­ern­er Erken­nt­nisse und Begrün­dungsver­fahren ver­tritt.

Was für diese let­zte Inter­pre­ta­tion spricht, ist vor allem das Phänomen ein­er kul­turellen Recht­en, die – unbeein­druckt vom geschichtlichen Wan­del – die Auf­fas­sung ver­tritt, daß spätestens seit der großen »Erwartungsent­täuschung« (Her­mann Lübbe) am Ende des 19. Jahrhun­derts die Ver­heißun­gen der Aufk­lärung und damit die des Sozial­is­mus und des Lib­er­al­is­mus erledigt wur­den und ein­er anderen, gle­icher­maßen älteren wie mod­erneren, weil wirk­lichkeits­gerechteren, Sicht der Dinge Platz machen müßten.

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Zitate:

Und auch eine kon­ser­v­a­tive Krise hat es immer gegeben; sie ist dem Wesen des Kon­ser­vatismus einge­boren. Der Nomos, sagten wir, ist der Lebens­geist der poli­tis­chen Ein­heit selb­st, die er gebildet hat; in kul­tischen Gebräuchen, in Sit­ten und Über­liefer­un­gen wirkt er nicht anders als in Geset­zen und poli­tis­chen Entschlüssen. Aber im Laufe der Geschichte wan­delt sich die poli­tis­che Ein­heit immer aufs neue; die poli­tis­chen Sit­u­a­tio­nen verän­dern sich schneller als Brauch und Sitte. So tun sich immer­fort Risse in der poli­tis­chen Ein­heit auf; Auf­gaben treten an sie her­an, deren Meis­terung neue For­men, neue Wag­nisse erfordert. Immer gilt es, die beste­hende Ord­nung aus dem Nomos neu zu kon­sti­tu­ieren, und sel­ten lassen Drang und Not Zeit, alle alten Heiligtümer zu bewahren und in die neue Zeit zu ret­ten, immer wieder müssen die Tem­pelschätze geplün­dert wer­den.
Albrecht Erich Gün­ther

Kon­ser­v­a­tiv sein bedeutet mehr als ein Pro­gramm, es ist eine Hal­tung. Kon­ser­v­a­tiv sein heißt frei, inner­lich frei, sich­er und der Wirk­lichkeit, dem Leben nahe sein.
Karl Anton Prinz Rohan

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Lit­er­atur: