Seinem Selbstverständnis nach war Erik Maria Ritter von Kuehnelt-Leddihn ein „katholischer rechtsradikaler Liberaler“, der seine politischen Überzeugungen aus der vitalen Tradition gewann, in die er am 31.Juli 1909 in Tobelbad (bei Graz) hineingeboren wurde. Seine Familie stellte dem Habsburgerreich zahlreiche hohe Beamte, der Vater arbeitete allerdings als Naturwissenschaftler und schrieb in seiner Freizeit Romane.
Zwar hat Kuehnelt-Leddihn den Untergang der alten Ordnung nur als Kind erlebt, aber innerlich nie akzeptiert. Er blieb Monarchist und – damit eng verbunden – Verfechter eines Katholizismus klassischer Prägung. Aus dieser Orientierung resultierte seine Feindseligkeit gegenüber jeder Art von Gleichmacherei oder Gottlosigkeit, er bekämpfte den „Demoliberalismus“ und jede Art von Planwirtschaft genauso wie den Faschismus oder Kommunismus. Seine Sympathie gehörte der alteuropäischen societas civilis, einer aristokratischen, an den Glauben wie die Geschichte gebundenen Ordnung. Zu seinen Vorbildern zählte er den Liberalen Alexis de Tocqueville genauso wie den Reaktionär Juan Donoso Cortés.
Kuehnelt-Leddihns betont prowestliche Ausrichtung hatte nicht nur mit seinem lebenslangen Kampf gegen das sowjetische System zu tun, sondern auch mit der Sympathie für die ursprüngliche Verfassung der USA, in der er viel von dem realisiert sah, was seinem Gesellschaftsideal entsprach. Direkt nach seinem Studium in Wien und Budapest (Jura, Theologie, Osteuropakunde; Promotion in Staatswissenschaft und Volkswirtschaftslehre) war Kuehnelt-Leddihn 1937 in die Vereinigten Staaten gegangen und hatte dort Japanisch beziehungsweise Geopolitik an verschiedenen katholischen Hochschulen gelehrt.
Erst nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft kam er in seine österreichische Heimat zurück und lebte ab 1947 als Privatgelehrter in Tirol. Seit 1955 unternahm er ausgedehnte Reisen, seit den sechziger Jahren begann er im Stil eines phantastischen Realismus zu malen. Seine Haupttätigkeit war allerdings die eines Publizisten und Schriftstellers. Mit seinen Artikeln, Essays und Büchern gehörte er zu den wichtigsten konservativen Autoren Amerikas wie Europas in der Nachkriegszeit.
Neben mehreren Romanen, von denen ihm Gates of Hell (1933) am wichtigsten erschien, und einzelnen Kampfschriften veröffentlichte Kuehnelt-Leddihn als Hauptwerk Freiheit oder Gleichheit (1953), eine scharfe Abrechnung mit den „Ideen von 1789“, vor allem dem Egalitarismus. Ein Leitmotiv seiner Argumentation war hier die Behauptung, daß der Totalitarismus – insbesondere der Nationalsozialismus – als genuin linkes Phänomen zu betrachten sei. Eine These, die er unter anderen Bedingungen, in der Phase der Achtundsechzigerrevolte, dahingehend weiterentwickelte, daß er eine gerade Linie von de Sade und den französischen Revolutionären über Marx und Hitler zu Marcuse und der Frankfurter Schule auszog.
Die Bücher Kuehnelt-Leddihns waren wie alle seine politischen Arbeiten charakterisiert durch außerordentlichen Kenntnisreichtum, einen sehr eigenwilligen Standpunkt und gnadenlose Urteile. Exzentrik war auch sonst ein wichtiges Kennzeichen dieses Mannes, der acht Sprachen mehr oder weniger fließend sprach, elf weitere mindestens passiv verstand und unter seine Liebhabereien nicht nur das Briefmarkensammeln, sondern auch das Fahren per Anhalter – hitch-hiking – zählte. Ernst Jünger sagte über ihn: “Eine einsame Stechpalme, die im Humus des alten Österreich verwurzelt ist. Ein Beleg dafür, daß es heute weder Schulen, noch Eliten, sondern nur noch Solitäre gibt.”
Kuehnelt-Leddihn starb am 26. Mai 1999 in Lans/Tirol.
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Zitat:
Durch den Schleim, den uns die „Männer der Mitte“ bringen wollen, wird der Feind mühelos seinen Weg bahnen. Wir müssen deshalb wieder Zeugen einer Überzeugung werden. Und gerade dafür brauchen wir eine Ideologie.
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Schriften:
- Freiheit oder Gleichheit, Salzburg 1953
- Zwischen Ghetto und Katakombe, Salzburg 1966
- Leftism. From de Sade and Marx to Hitler und Marcuse, New Rochelle/ New York 1974
- Amerika. Leitbild im Zwielicht, Einsiedeln 1971
- Narrenschiff auf Linkskurs, Graz 1977
- Rechts wo das Herz schlägt, Graz 1980
- Gleichheit oder Freiheit, Tübingen 1985
- Die falsch gestellten Weichen, Wien 1985
- Die rechtgestellten Weichen, Wien 1989
- Demokratie. Eine Analyse, Graz 1996
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Literatur:
- Johann Holzner/ Christine Riccabona: Der Löwe von Lans. Erika Maria Ritter von Kuehnelt-Leddihn, in: Sieglinde Klettenhammer (Hrsg.): Kulturraum Tirol, Germanistische Reihe 75 (2009)
- Robert Rill: Was ist links und wo ist rechts? Erik Ritter von Kuehnelt-Leddihn und die Krise der Moderne, in: Ulrich Zellenberg (Hrsg.): Konservative Profile. Ideen & Praxis in der Politik zwischen FM Radetzky, Karl Kraus und Alois Mock, Graz/ Stuttgart 2003