Kuehnelt-Leddihn, Erik von, Gelehrter, 1909–1999

Seinem Selb­stver­ständ­nis nach war Erik Maria Rit­ter von Kuehnelt-Led­di­hn ein „katholis­ch­er recht­sradikaler Lib­eraler“, der seine poli­tis­chen Überzeu­gun­gen aus der vital­en Tra­di­tion gewann, in die er am 31.Juli 1909 in Tobel­bad (bei Graz) hineinge­boren wurde. Seine Fam­i­lie stellte dem Hab­s­burg­er­re­ich zahlre­iche hohe Beamte, der Vater arbeit­ete allerd­ings als Natur­wis­senschaftler und schrieb in sein­er Freizeit Romane.

Zwar hat Kuehnelt-Led­di­hn den Unter­gang der alten Ord­nung nur als Kind erlebt, aber inner­lich nie akzep­tiert. Er blieb Monar­chist und – damit eng ver­bun­den – Ver­fechter eines Katholizis­mus klas­sis­ch­er Prä­gung. Aus dieser Ori­en­tierung resul­tierte seine Feind­seligkeit gegenüber jed­er Art von Gle­ich­macherei oder Got­t­losigkeit, er bekämpfte den „Demolib­er­al­is­mus“ und jede Art von Plan­wirtschaft genau­so wie den Faschis­mus oder Kom­mu­nis­mus. Seine Sym­pa­thie gehörte der alteu­ropäis­chen soci­etas civilis, ein­er aris­tokratis­chen, an den Glauben wie die Geschichte gebun­de­nen Ord­nung. Zu seinen Vor­bildern zählte er den Lib­eralen Alex­is de Toc­queville genau­so wie den Reak­tionär Juan Donoso Cortés.

Kuehnelt-Led­di­hns betont prow­est­liche Aus­rich­tung hat­te nicht nur mit seinem lebenslan­gen Kampf gegen das sow­jetis­che Sys­tem zu tun, son­dern auch mit der Sym­pa­thie für die ursprüngliche Ver­fas­sung der USA, in der er viel von dem real­isiert sah, was seinem Gesellschaft­side­al entsprach. Direkt nach seinem Studi­um in Wien und Budapest (Jura, The­olo­gie, Osteu­ropakunde; Pro­mo­tion in Staatswis­senschaft und Volk­swirtschaft­slehre) war Kuehnelt-Led­di­hn 1937 in die Vere­inigten Staat­en gegan­gen und hat­te dort Japanisch beziehungsweise Geopoli­tik an ver­schiede­nen katholis­chen Hochschulen gelehrt.

Erst nach dem Zusam­men­bruch der NS-Herrschaft kam er in seine öster­re­ichis­che Heimat zurück und lebte ab 1947 als Pri­vat­gelehrter in Tirol. Seit 1955 unter­nahm er aus­gedehnte Reisen, seit den sechziger Jahren begann er im Stil eines phan­tastis­chen Real­is­mus zu malen. Seine Haupt­tätigkeit war allerd­ings die eines Pub­lizis­ten und Schrift­stellers. Mit seinen Artikeln, Essays und Büch­ern gehörte er zu den wichtig­sten kon­ser­v­a­tiv­en Autoren Amerikas wie Europas in der Nachkriegszeit.

Neben mehreren Roma­nen, von denen ihm Gates of Hell (1933) am wichtig­sten erschien, und einzel­nen Kampf­schriften veröf­fentlichte Kuehnelt-Led­di­hn als Hauptwerk Frei­heit oder Gle­ich­heit (1953), eine scharfe Abrech­nung mit den „Ideen von 1789“, vor allem dem Egal­i­taris­mus. Ein Leit­mo­tiv sein­er Argu­men­ta­tion war hier die Behaup­tung, daß der Total­i­taris­mus – ins­beson­dere der Nation­al­sozial­is­mus – als gen­uin linkes Phänomen zu betra­cht­en sei. Eine These, die er unter anderen Bedin­gun­gen, in der Phase der Achtund­sechziger­re­volte, dahinge­hend weit­er­en­twick­elte, daß er eine ger­ade Lin­ie von de Sade und den franzö­sis­chen Rev­o­lu­tionären über Marx und Hitler zu Mar­cuse und der Frank­furter Schule aus­zog.

Die Büch­er Kuehnelt-Led­di­hns waren wie alle seine poli­tis­chen Arbeit­en charak­ter­isiert durch außeror­dentlichen Ken­nt­nis­re­ich­tum, einen sehr eigen­willi­gen Stand­punkt und gnaden­lose Urteile. Exzen­trik war auch son­st ein wichtiges Kennze­ichen dieses Mannes, der acht Sprachen mehr oder weniger fließend sprach, elf weit­ere min­destens pas­siv ver­stand und unter seine Lieb­habereien nicht nur das Brief­marken­sam­meln, son­dern auch das Fahren per Anhal­ter – hitch-hik­ing – zählte. Ernst Jünger sagte über ihn: “Eine ein­same Stech­palme, die im Humus des alten Öster­re­ich ver­wurzelt ist. Ein Beleg dafür, daß es heute wed­er Schulen, noch Eliten, son­dern nur noch Solitäre gibt.”

Kuehnelt-Led­di­hn starb am 26. Mai 1999 in Lans/Tirol.

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Zitat:

Durch den Schleim, den uns die „Män­ner der Mitte“ brin­gen wollen, wird der Feind müh­e­los seinen Weg bah­nen. Wir müssen deshalb wieder Zeu­gen ein­er Überzeu­gung wer­den. Und ger­ade dafür brauchen wir eine Ide­olo­gie.

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Schriften:

  • Frei­heit oder Gle­ich­heit, Salzburg 1953
  • Zwis­chen Ghet­to und Katakombe, Salzburg 1966
  • Left­ism. From de Sade and Marx to Hitler und Mar­cuse, New Rochelle/ New York 1974
  • Ameri­ka. Leit­bild im Zwielicht, Ein­siedeln 1971
  • Nar­ren­schiff auf Linkskurs, Graz 1977
  • Rechts wo das Herz schlägt, Graz 1980
  • Gle­ich­heit oder Frei­heit, Tübin­gen 1985
  • Die falsch gestell­ten Weichen, Wien 1985
  • Die recht­gestell­ten Weichen, Wien 1989
  • Demokratie. Eine Analyse, Graz 1996

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Lit­er­atur:

  • Johann Holzner/ Chris­tine Ric­cabona: Der Löwe von Lans. Eri­ka Maria Rit­ter von Kuehnelt-Led­di­hn, in: Sieglinde Klet­ten­ham­mer (Hrsg.): Kul­tur­raum Tirol, Ger­man­is­tis­che Rei­he 75 (2009)
  • Robert Rill: Was ist links und wo ist rechts? Erik Rit­ter von Kuehnelt-Led­di­hn und die Krise der Mod­erne, in: Ulrich Zel­len­berg (Hrsg.): Kon­ser­v­a­tive Pro­file. Ideen & Prax­is in der Poli­tik zwis­chen FM Radet­zky, Karl Kraus und Alois Mock, Graz/ Stuttgart 2003