Revolution

Rev­o­lu­tion bedeutet im Wortsinn „Zurück­be­we­gung“, der lateinis­che Begriff rev­o­lu­tio wurde deshalb ursprünglich für die Lauf­bahn der Plan­eten ver­wen­det, die von einem Punkt aus­ge­hend schließlich auf diesen wieder zurück­kehrten. Eine poli­tis­che Bedeu­tung erhielt der Ter­mi­nus erst später, bed­ingt durch die großen, noch sehr stark von kon­fes­sionellen Gegen­sätzen geprägten Umwälzun­gen des 17. Jahrhun­derts, bei denen allerd­ings immer auch die Vorstel­lung mitschwang, daß nicht etwas ganz Neues ange­fan­gen wer­den sollte, son­dern eine Entar­tung auf den guten Ursprung zurück­ge­führt. Durch die Natur­rechtsvorstel­lun­gen der Aufk­lärung spielte diese Idee sog­ar noch in den großen Rev­o­lu­tion des 18. Jahrhun­derts – der amerikanis­chen wie der franzö­sis­chen – eine Rolle.

Hier war allerd­ings die Vorstel­lung mächtiger, daß man am Beginn ein­er Epoche ste­he und mit der Rev­o­lu­tion ein Zeital­ter wie keines zuvor her­aufge­führt werde, eben weil es möglich schien, die Gesellschaft­sor­d­nung voll­ständig umzugestal­ten. Das rev­o­lu­tionäre Sendungs­be­wußt­sein hat für die bei­den fol­gen­den Jahrhun­derte außeror­dentliche Bedeu­tung gehabt, zumal die Vor­mächte der Rev­o­lu­tion sich berufen glaubten, ihre Weltan­schau­un­gen – not­falls mit Gewalt – glob­al auszubre­it­en. Die Rückschläge haben kaum zur Ernüchterung beige­tra­gen und in viel­er Hin­sicht kann man das 19. als ein rev­o­lu­tionäres Jahrhun­dert beschreiben, das 1789 mit dem Sturm auf die Bastille begann, über die europaweit­en Rev­o­lu­tio­nen von 1830 und 1848 sowie den Auf­s­tand der Com­mune von 1871 bis zu den rus­sis­chen Rev­o­lu­tion von 1905 und 1917 führte, nicht zu reden von den rev­o­lu­tionären oder rev­o­lu­tion­sar­ti­gen Erhe­bun­gen in Lateinameri­ka und später auch in Asien.

Eine neue Qual­ität erre­ichte die Entwick­lung dadurch, daß mit dem Ersten Weltkrieg die USA und Rus­s­land als Vor­mächte zweier, wen­ngle­ich ver­fein­de­ter rev­o­lu­tionär­er Prinzip­i­en eine Welt­bürg­erkriegssi­t­u­a­tion her­auf­führten, die prak­tisch alle Staat­en und in den Staat­en alle Bürg­er zwang, für diese oder jene Seite, für den west­lichen Lib­er­al­is­mus oder den östlichen Bolschewis­mus Partei zu ergreifen. Die Ver­suche, angesichts dieser Lage einen Drit­ten Weg zu beschre­it­en, scheit­erten samt und son­ders.

Das war für die poli­tis­che Rechte ein erhe­blich­es Prob­lem, die von Anfang an vor dem Dilem­ma stand, ob sie eine Gegen-Rev­o­lu­tion ein­leit­en oder vielmehr „das Gegen­teil ein­er Rev­o­lu­tion“ (Joseph de Maistre) anstreben sollte. Eine gen­uine „Rev­o­lu­tion von rechts“ (Hans Frey­er) kam jeden­falls nicht zus­tande, mochte man nun Hoff­nun­gen in den Faschis­mus geset­zt haben, der vorüberge­hend rechts-rev­o­lu­tionäre Züge aufwies, oder eine „Kon­ser­v­a­tive Rev­o­lu­tion“ im eigentlichen Sinn erhofft haben, die jeden­falls an frühere Ver­suche ein­er „Rev­o­lu­tion von oben“ (Preußis­che Refor­men, Bis­mar­ck) hätte anknüpfen wollen.

Unbe­stre­it­bar ist allerd­ings die Hell­sicht der kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion­s­analyse. Schon die Zeitgenossen der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion, soweit sie der Recht­en zuzuord­nen waren, erkan­nten die Geset­zmäßigkeit­en des Prozess­es: die Schwäche des Ancien Régime als zen­trale Voraus­set­zung, die Bedeu­tung der kul­tur­rev­o­lu­tionären Vor­bere­itung, die Unselb­ständigkeit der Massen, das Entste­hen ein­er Dop­pel­herrschaft, die Ten­denz zur Radikalisierung, der Umschlag in Dik­tatur oder Restau­ra­tion.

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Zitate:

Eine Rev­o­lu­tion ist nichts als der Fehler einiger und das Unglück aller. 

Louis de Bonald

Der Prozeß, von dem ich rede, ist nichts anderes als eine kon­ser­v­a­tive Rev­o­lu­tion von einem Umfange, wie die europäis­che Geschichte ihn nicht ken­nt. Ihr Ziel ist Form, eine neue deutsche Wirk­lichkeit, an der die ganze Nation teil­nehmen kön­nte.

Hugo von Hof­mannsthal

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Lit­er­atur: