Hayek, Friedrich August von, Wirtschaftswissenschaftler, 1899–1992

Hayek wurde am 8. Mai 1899 in Wien als ältester von drei Söh­nen in eine natur­wis­senschaftlich-medi­zinisch geprägte Fam­i­lie hineinge­boren, die auch dank ihrer Ver­wandtschaft mit den Wittgen­steins fest in der Wiener Gesellschaft um 1900 ver­ankert war. Nach der Teil­nahme am Ersten Weltkrieg studierte er in sein­er Vater­stadt Rechtswis­senschaft und Nation­alökonomie und wurde von der durch Carl Menger begrün­de­ten Öster­re­ichis­chen Schule der Nation­alökonomie geprägt. Für diese war ein method­ol­o­gis­ch­er Sub­jek­tivis­mus kennze­ich­nend, der ins­beson­dere in der Gren­znutzen­lehre zum Aus­druck kam.

Am Vor­abend der Weltwirtschaft­skrise machte sich Hayek einen Namen als ein­er der führen­den Kon­junk­tur­the­o­retik­er sein­er Zeit. Im Unter­schied zu Keynes, der eine makroökonomis­che Krisen­the­o­rie vor­legte und zur Über­win­dung der Krise auf eine staatlich induzierte Steigerung der Gesamt­nach­frage set­zte, erk­lärte Hayek die Krise aus den sub­jek­tiv­en Erwartun­gen dezen­traler Preise und sprach sich deshalb dezi­diert gegen poli­tisch motivierte Inter­ven­tio­nen in das Preis­sys­tem und gegen makroökonomis­che Steuerung aus.

Von 1931 bis 1949 lehrte Hayek als erster Aus­län­der an der Lon­don School of Eco­nom­ics. Dem »Anschluß« seines Heimat­landes an das Deutsche Reich ent­zog er sich 1938 durch Annahme der britis­chen Staats­bürg­er­schaft. Im Gegen­satz zur neok­las­sis­chen Wirtschaft­s­the­o­rie sah Hayek nicht in der Knap­pheit der ver­füg­baren Güter, son­dern in der Ver­streutheit des Wis­sens das eigentliche Koor­di­na­tion­sprob­lem der Wirtschaft. An der Seite seines Lehrers, Lud­wig von Mis­es, pro­fil­ierte er sich in den 1930er Jahren als Kri­tik­er des Sozial­is­mus und argu­men­tierte, daß die Wirtschaft­srech­nung im Sozial­is­mus daran scheit­ern müsse, daß sie ohne freie Preise das ver­streute Wis­sen ein­er Gesellschaft nicht nutzen könne. Über­haupt wandte sich Hayek gegen ratio­nal­is­tis­che und szi­en­tis­tis­che Ord­nungsvorstel­lun­gen, die von der Zen­tral­isier­barkeit des erforder­lichen Wis­sens und von der voll­ständi­gen Plan­barkeit von Wirtschaft und Gesellschaft aus­gin­gen.

Daß Plan­wirtschaft und Wohlfahrtsstaat notwendi­ger­weise auch in ein Sys­tem poli­tis­ch­er Unfrei­heit führen müßten, war die zen­trale These sein­er Stre­itschrift The Road to Serf­dom aus dem Jahre 1944, die Hayeks Ruhm unter Lib­eralen und Total­i­taris­muskri­tik­ern begrün­dete. Im Jahre 1947 wurde er Grün­dung­spräsi­dent der »Mont Pèlerin Soci­ety«, in der sich im Laufe der Jahrzehnte nahezu alle wichti­gen Repräsen­tan­ten der neolib­eralen Bewe­gung ver­sam­melten. Seit 1950 lehrte er an der Uni­ver­sität Chica­go – allerd­ings nicht als Ökonom, son­dern als Mit­glied der Fakultät für »Moral Sci­ences«. Dort ent­stand sein 1960 erschienenes Hauptwerk, The Con­sti­tu­tion of Lib­er­ty, in dem sich Hayek um eine ideen­his­torisch fundierte Neu­for­mulierung des klas­sis­chen Lib­er­al­is­mus bemühte, eine frei­heitliche Ver­fas­sungs­the­o­rie ent­warf und die Gren­zen der Tätigkeit eines lib­eralen Staats absteck­te.

Nach seinem Wech­sel an die Uni­ver­sität Freiburg im Breis­gau im Jahre 1962 arbeit­ete Hayek eine The­o­rie spon­tan­er Ord­nung und kul­tureller Evo­lu­tion aus, die vor allem in den Freiburg­er Stu­di­en von 1969 sowie in der zwis­chen 1973 und 1979 erschiene­nen Trilo­gie Law, Leg­is­la­tion and Lib­er­ty dargelegt wurde. Anknüpfend an die Rechts- und Moral­philoso­phie der Schot­tis­chen Aufk­lärung von Hume, Smith und Fer­gu­son, betonte Hayek, daß viele grundle­gende Insti­tu­tio­nen der men­schlichen Zivil­i­sa­tion – z. B. Sprache, Eigen­tum und Geld – nicht bewußt kon­stru­iert, son­dern in einem Prozeß kul­tureller Evo­lu­tion allmäh­lich ent­deckt und spon­tan weit­er­en­twick­elt wor­den seien.

In Par­al­lelität zu Pop­pers »offen­er Gesellschaft« skizzierte Hayek unter wech­sel­nden Begrif­f­en – spon­tane Ord­nung, Nomokratie oder Katal­lax­ie – ein frei­heitlich­es Ord­nungsmod­ell, das durch die Ver­wen­dung impliziten und ver­streuten Wis­sens im Wet­tbe­werb und durch die Gel­tung von all­ge­meinen Regeln des Rechts kom­plex­er und leis­tungs­fähiger ist als archais­che Stammes­ge­sellschaften ein­er­seits und von zen­traler Stelle ent­wor­fene und kon­stru­ierte Organ­i­sa­tio­nen ander­er­seits. Den Sozial­is­mus wies Hayek deshalb als eine atavis­tis­che Moral­philoso­phie zurück, welche die zivil­isatorische Bedeu­tung von Frei­heit und Recht ignoriere.

Im Jahre 1974 wurde Hayek, der zwis­chen 1969 und 1977 in Salzburg lebte und lehrte, mit dem Nobel­preis für Wirtschaftswis­senschaften aus­geze­ich­net. In ein­er Zeit, als der vorherrschende Key­ne­sian­is­mus in vie­len west­liche Staat­en an über­bor­den­der Infla­tion, Arbeit­slosigkeit, Staatsver­schul­dung und Pla­nungsver­sagen scheit­erte, erlebte Hayek dadurch eine uner­wartete Renais­sance. Er inspiri­erte vor allem Mar­garet Thatch­er in Großbri­tan­nien, aber seine grundle­gende Kri­tik an Sozial­is­mus und Wohlfahrtsstaat wurde auch in Osteu­ropa von kri­tis­chen Ökonomen wie Václav Klaus, Leszek Bal­cerow­icz oder Ivan Mik­los rezip­iert, die nach dem Zer­fall des Ost­blocks für mark­twirtschaftliche Refor­men in ihren Län­dern ver­ant­wortlich zeich­neten.

Hayek gren­zte sich zwar zeitlebens vom Kon­ser­vatismus ab und warf diesem ins­beson­dere Fortschrittsskep­sis, Man­gel an fes­ten Prinzip­i­en und Anfäl­ligkeit gegenüber kollek­tivis­tis­chem Denken vor. Mit sein­er evo­lu­tionären, anti­ra­tional­is­tis­chen, antikollek­tivis­tis­chen und antikon­struk­tivis­tis­chen Ord­nungs­the­o­rie gehört Hayek aber ähn­lich wie Mon­tesquieu, Hume, Burke oder Toc­queville zu jenen Denkern, die sowohl von Lib­eralen als auch von Kon­ser­v­a­tiv­en beansprucht wer­den. Vor allem im angel­säch­sis­chen Raum berufen sich auch Kon­ser­v­a­tive immer wieder auf ihn – in erster Lin­ie solche, die ihr Denken an Begrif­f­en wie Frei­heit, Ord­nung, Eigen­tum, Per­son­al­is­mus und Dezen­tral­ität aus­richt­en und damit auch klas­sisch-lib­erale, mark­twirtschaftliche Posi­tio­nen vertreten. Derzeit wird im Zuge der Staatss­chuldenkrise viel­er west­lich­er Demokra­tien die von Hayek in den 1970er Jahren erhobene Forderung nach Aufhe­bung des staatlichen Geld­monopols und nach Etablierung eines Wet­tbe­werbs der Währun­gen ver­stärkt disku­tiert.

Hayek starb am 23. März 1992 in Freiburg.

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Zitat:

Daß in die Ord­nung der Mark­twirtschaft viel mehr Wis­sen von Tat­sachen einge­ht als irgen­dein einzel­ner Men­sch oder selb­st irgen­deine Organ­i­sa­tion wis­sen kann, ist der entschei­dende Grund, weshalb die Mark­twirtschaft mehr leis­tet als irgen­deine andere Wirtschafts­form.

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Schriften:

  • Geldthe­o­rie und Kon­junk­tur­the­o­rie, Jena 1929
  • Preise und Pro­duk­tion, Wien 1931
  • The Road to Serf­dom, London/Chicago 1944 (dt.: Der Weg zur Knechtschaft)
  • The Sen­so­ry Order, Lon­don 1952 (dt.: Die sen­sorische Ord­nung)
  • The Counter-Rev­o­lu­tion of Sci­ence, Glen­coe 1952 (dt.: Mißbrauch und Ver­fall der Ver­nun­ft)
  • The Con­sti­tu­tion of Lib­er­ty (dt.: Die Ver­fas­sung der Frei­heit), London/Chicago 1960
  • Freiburg­er Stu­di­en, Tübin­gen 1969
  • Law, Leg­is­la­tion and Lib­er­ty, 3 Bde., Lon­don 1973–1979 (dt.: Recht, Gesetz und Frei­heit)
  • Dena­tion­al­i­sa­tion of Mon­ey, Lon­don 1976 (dt.: Ent­na­tion­al­isierung des Geldes)
  • The Fatal Con­ceit, Lon­don 1988 (dt.: Die ver­häng­nisvolle Anmaßung)

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Lit­er­atur:

  • Bruce Cald­well: Hayek’s Chal­lenge. An Intel­lec­tu­al Biog­ra­phy of F. A. Hayek, New York/Houndsmills 2004
  • Hans Jörg Hen­necke: Friedrich August von Hayek zur Ein­führung, Ham­burg ²2010
  • John C. Wood/Ronald N. Woods (Hrsg.): Friedrich A. Hayek. Crit­i­cal Assess­ments, 4 Bde., London/New York 1991
  • Christoph Zeitler: Spon­tane Ord­nung, Frei­heit und Recht, Frank­furt a. M. 1995