Köln – Dom

Der heutige Dom blickt auf Baut­en aus römis­ch­er, fränkisch­er und karolingis­ch­er Zeit zurück. Der unmit­tel­bare Vor­läufer diente als Auf­be­wahrung­sort für die Reliquien der Heili­gen Drei Könige. Erzbischof Rainald von Das­sel ließ sie im Jahre 1164 von Mai­land über­führen. Mit dieser Trans­ferierung began­nen die Diskus­sio­nen über einen adäquat­en Neubau, der imposan­ter sein sollte als der alte Dom. Die hochschießen­den franzö­sis­chen Kathe­dralen fungierten als Vor­bilder, vornehm­lich die von Amiens. Ihre Architek­tur wurde aber in mehrfach­er Hin­sicht abge­wan­delt. Die Grund­stein­le­gung begann 1248. In einem ersten Bauab­schnitt errichteten die Arbeit­er Chor und östliche Teile des Quer­haus­es. Anschließend, im späten 13. sowie im frühen 14. Jahrhun­dert, wur­den Tri­fo­ri­um und Ober­gaden­wand des süd­west­lichen Teils des Domes gebaut. Teile der Fas­sade und des Süd­turms erstanden bis zum aus­ge­hen­den Mit­te­lal­ter.

Kun­st­geschichtlich repräsen­tiert der Köl­ner Dom ein außergewöhn­lich­es Beispiel für franzö­sisch bee­in­flußte Hochgotik auf deutschem Boden – rund ein Jahrhun­dert nach dem gotis­chen Ini­tial­bau in Saint-Denis. Die Forschung hat diese Anlehnung des für den Bau nicht zulet­zt finanziell maßge­blich ver­ant­wortlichen Erzbischofs Kon­rad von Hochstaden an die älteren franzö­sis­chen Kathe­dralen als Aus­druck ein­er staufer­feindlichen Stim­mung gedeutet. In der Tat dürfte die stilis­tis­che Aus­rich­tung auch reich­spoli­tis­che Zielset­zun­gen gehabt haben. Primär aber
kann sie als Doku­ment der gefährde­ten Stadtherrschaft des Erzbischofs und der geistlichen Insti­tute inter­pretiert wer­den.

Durch den wei­thin sicht­baren Bau woll­ten Erzbischof und Domkapi­tel ihre Vor­ma­cht fes­ti­gen. Die durch den Besitz der Reliquien von den Heili­gen Drei Köni­gen ohne­hin vorhan­dene Legit­i­ma­tion sollte durch die exzel­lente und imposante Architek­tur zusät­zlich gefes­tigt wer­den. So ist die Absicht Kon­rads mit Hän­den zu greifen, Köln zu einem neuen geistlichen wie poli­tis­chen Zen­trum zu machen. Die Umset­zung dieser Inten­tion brachte auf län­gere Sicht eine deut­liche Zunahme der Bedeu­tung der Stadt mit sich. Freilich kon­nte Aachen als Krö­nungsstätte der Kaiser nicht ver­drängt wer­den. Der Rang von Köln wird aber dadurch deut­lich, daß der in Aachen gekrönte Herrsch­er sofort nach diesem Akt nach Köln reisen mußte, um dort das heilige Meßopfer zu feiern.

Seit dem 16. Jahrhun­dert ruhte der Weit­er­bau des Domes, nicht zulet­zt auf­grund fehlen­der finanzieller Mit­tel. Gedanken an eine mögliche Fer­tig­stel­lung blieben aber im Barock lebendig. Wichtig­ster Förder­er im 18. Jahrhun­dert war der Kur­fürst Clemens August. Weil der Aus­bau auf­grund sein­er Dimen­sio­nen zu riskant erschien, kam man über Stück­w­erk nicht hin­aus. Immer­hin wur­den Lang­haus und Quer­schiff 1748 bis 1751 durch eine Holzdecke geschützt. Weniger nach außen denn nach innen waren Verän­derun­gen unüberse­hbar. Die Ausstat­tung wan­delte sich im Laufe von Jahrhun­derten merk­lich. Beispiel­sweise erhielt das Gerokreuz eine neue Umrah­mung. Man kann von ein­er Barock­isierung der Kathe­drale sprechen.

Dieser in der Epoche des Barock noch fast voll­ständig the­ol­o­gisch-christliche Sinn wan­delte sich in den Jahren nach der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion. Das Bis­tum blieb von den Wirren der Säku­lar­i­sa­tion nicht ver­schont. Mehr und mehr rück­ten poli­tis­che Leitideen in den Vorder­grund. Das gesamte 19. Jahrhun­dert hin­durch war der nicht fer­tiggestellte Dom ein Sym­bol für die nichtbeste­hende Ein­heit Deutsch­lands. Bere­its in der Frühzeit des Jahrhun­derts existierten etliche Ini­tia­tiv­en zur Vol­len­dung des Bauw­erks. Die Roman­tik, die sowohl einen Auf­schwung des Nation­al­ge­fühls als auch eine Ver­stärkung der Mit­te­lal­ter­begeis­terung und eine Steigerung des Geschichts­be­wußt­seins in bre­it­eren Bevölkerungss­chicht­en mit sich brachte, sah im Dom ein gesamt­deutsches Pro­jekt. Zahlre­iche Dom­bausagen, zum Teil aus der mit­te­lal­ter­lichen Welt, waren im Umlauf.

Die Inter­pre­ta­tion der Gotik als »deutsch« – eine Per­spek­tive, die Goethe in seinem Hym­nus auf das Straßburg­er Mün­ster (1772) ein­nahm – förderte die Stil­isierung des Doms als Kunst­werk, das jen­seits der kon­fes­sionellen Spal­tung allen Deutschen gehört. Auch ein Denker der Aufk­lärung wie Georg Forster hob 1790 über­schwänglich die Architek­tur des Domes her­vor. Der Schrift­steller
Friedrich von Schlegel nahm sich in seinem Beitrag »Grundzüge der gotis­chen Baukun­st« der Fer­tig­stel­lung des Domes an. Darüber hin­aus engagierte sich der alternde Goethe für die Idee des Aus­baues. Auch der zum Katholizis­mus kon­vertierte, frühere Befür­worter der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion, Joseph Gör­res, schloß sich dieser Forderung an.

Dieser kul­turelle Hin­ter­grund macht es plau­si­bel, daß die Poli­tik mehr und mehr die Angele­gen­heit des Weit­er- und Fer­tig­baus forcierte. Mit der Krö­nung von König Friedrich Wil­helm IV. von Preußen, dem »Roman­tik­er auf dem Königsthron«, im Jahre 1840 wuchs die Hoff­nung, das Bauw­erk in sein­er ursprünglich geplanten Voll­ständigkeit zu Ende führen zu kön­nen. Um dieses Ziel zu erre­ichen, grün­dete man Dom­bau­vere­ine. Sie ver­bre­it­eten sich schnell über ganz Deutsch­land. Großes Auf­se­hen erregte das Dom­baufest anläßlich des Weit­er­baues, der nach den orig­i­nalen Plä­nen aus dem Mit­te­lal­ter vorgenom­men wer­den kon­nte, am 4. Sep­tem­ber 1842 in Anwe­sen­heit des preußis­chen Königs. An sein­er Seite erschien der Koad­ju­tor und spätere Kar­di­nal Johannes von Geis­sel, der den aus poli­tis­chen Grün­den ver­triebe­nen Erzbischof Clemens August II. von Droste zu Vis­cher­ing ver­trat.

Ein weit­eres wichtiges Datum war der 600. Jahrestag der Grund­stein­le­gung des mit­te­lal­ter­lichen Baues im Jahre 1848. Anläßlich dieses Festes kon­nte die Ein­wöl­bung der Seit­en­schiffe abgeschlossen und das Mit­telschiff über dem Tri­fo­ri­um abgedeckt wer­den. Die besseren Trans­port­möglichkeit­en führten zur Ver­wen­dung von Stein­ma­te­r­i­al, das im Mit­te­lal­ter nicht zur Ver­fü­gung stand. Nach­dem 1863 das Innere vol­len­det und die gotis­che West­wand des Bin­nen­chors abge­brochen wor­den war, existierte erst­mals der Raum in sein­er Gesamtheit. Der in einem zweit­en Bauab­schnitt im 19. Jahrhun­dert errichtete Nord­turm erre­ichte bald die Höhe des mit­te­lal­ter­lichen Süd­turms.

1880 war das Jahr der Fer­tig­stel­lung der Domtürme und des gesamten Domes. Er blieb, über die kon­fes­sionellen Gren­zen hin­aus, ein gesamt­deutsches Sym­bol. Nach­dem er im schw­erz­er­störten Köln weit­ge­hend unbeschädigt die Luftan­griffe des Zweit­en Weltkrieges über­lebt hat­te, versinnbildlichte er auf diese Weise den Über­lebenswillen der Bevölkerung.

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Lit­er­atur:

  • Der Köl­ner Dom – Bau- und Geis­tes­geschichte, in: Köl­ner Domblatt. Jahrbuch des Zen­tral-Dom­bau­vere­ins 11 (1956)
  • Klaus Gere­on Beuck­ers: Der Köl­ner Dom, Darm­stadt 2004
  • Paul Clemen: Der Dom zu Köln, Düs­sel­dorf 1937
  • Gérard Schmidt: Taschen­buch zur Geschichte, Architek­tur und Ausstat­tung des Köl­ner Doms, Köln 1980