München – Feldherrnhalle

Dem deutsch­gesin­nten Bay­ernkönig Lud­wig I. hat die Nach­welt zahlre­iche her­aus­ra­gende Denkmäler zu ver­danken: die Wal­hal­la in der Nähe von Regens­burg, die Befreiung­shalle bei Kehlheim oder die Ruhme­shalle mit der kolos­salen Bronze­fig­ur der Bavaria auf der There­sien­wiese in München. Der wohl geschicht­strächtig­ste Denkmal­bau Lud­wigs ste­ht eben­falls in München: die Feld­her­rn­halle. Sie schließt die his­torische Alt­stadt zum Odeon­splatz ab. Der Platz selb­st geht über in die nach dem König benan­nte Lud­wigstraße, mit deren Gesamt­pla­nung Lud­wig 1816 zunächst Leo von Klen­ze, den Architek­ten der Wal­hal­la, der Befreiung­shalle und der Ruhme­shalle, beauf­tragt hat­te und ab 1827 Friedrich von Gärt­ner, der auch die Feld­her­rn­halle baute.

Die Lud­wigstraße ist die mon­u­men­tal­ste von Münchens Pracht­straßen. Sie ver­läuft vom Odeon­splatz schnurg­er­ade in nordöstliche Rich­tung, weit­et sich gegen Ende zu einem viereck­en Platz, der von den Gebäu­den der Uni­ver­sität umschlossen wird, um nach etwa einem Kilo­me­ter an dem eben­falls von Friedrich von Gärt­ner errichteten Siegestor zu enden. Feld­her­rn­halle, Odeon­splatz, Lud­wigstraße und Siegestor bilden eine architek­tonis­che und stadt­planer­ische Ein­heit. Die Sich­tachse von der Feld­her­rn­halle zum Siegestor wird seit 2004 allerd­ings durch die Hochhaustürme der »High­light Tow­ers« empfind­lich gestört.

Die Grund­stein­le­gung zur Feld­her­rn­halle fand am 26. Jahrestag der Schlacht von Water­loo, am 18. Juni 1841, in Anwe­sen­heit des Königs statt. 1844 wurde der Bau, der genau wie das Siegestor aus Kehlheimer Sand­stein beste­ht, fer­tiggestellt. Als Vor­bild diente von Gärt­ner auf Wun­sch des Königs die Log­gia dei Lanzi in Flo­renz. Gewid­met ist die Feld­her­rn­halle dem bay­erischen Heer, was sich auch in seinem Fig­uren­pro­gramm wider­spiegelt. Betritt man über die mit­tig vorge­lagerte Fre­itreppe die sich zum Odeon­splatz mit drei Bögen öff­nende Halle, befind­en sich links und rechts die Stand­bilder von zwei Feld­her­ren, näm­lich des Grafen Tilly (u. a. 1629 Sieger über den Dänenkönig Chris­t­ian IV.) und des Fürsten Wrede, der die bay­erische Armee 1815 bis nach Paris führte. Die Fig­uren wur­den nach den Entwür­fen des von Lud­wig beson­ders geschätzten Bild­hauers Lud­wig von Schwan­thaler aus eingeschmolzenen Kanonen gegossen. 1892, während der Regierungszeit des Prinzre­gen­ten Luit­pold, wurde das zen­tral aufgestellte, bronzene Armee­denkmal, das an den Deutsch-Franzö­sis­chen Krieg von 1870/71  erin­nert, nach einem Entwurf von Fer­di­nand von Miller hinzuge­fügt. Es zeigt eine antik­isierende Gestalt mit erhoben­er Fahne, welche die Frauen­fig­ur der Bavaria (mit Palmzweig) zu schützen scheint. Vor den bei­den Fig­uren befind­et sich ein liegen­der Löwe. Die neben der Fre­itreppe 1906 in schre­i­t­en­der Posi­tion beige­fügten stein­er­nen Löwen stam­men von Wil­helm von Rümann.

Am 1. August 1914 wurde der Münch­en­er Bevölkerung von der Feld­her­rn­halle aus die deutsche Kriegserk­lärung an Ruß­land bekan­nt­gegeben, nach­dem Ruß­land sich zuvor geweigert hat­te, seine Gen­eral­mo­bil­machung einzustellen, was in der Folge zum Ersten Weltkrieg führte. Nach Kriegsaus­bruch zogen von dem Platz der Feld­her­rn­halle aus die bay­erischen Reg­i­menter ins Feld.

»Wir gin­gen in der Überzeu­gung, daß es das Ende war, so oder so«, äußerte sich Hitler in ein­er am 8. Novem­ber 1935 gehal­te­nen Rede zu dem Ereig­nis, das die Feld­her­rn­halle zu ein­er Kult­stätte der Nation­al­sozial­is­ten gemacht hat: der Putschver­such vom 9. Novem­ber 1923. Als damals der Zug der Umstür­zler, ange­führt u. a. von Hitler, Gen­er­al Erich Luden­dorff und Her­mann Göring, vom Bürg­er­bräukeller kom­mend, die schmale Res­i­den­zs­traße passierte, um zum Odeon­splatz zu gelan­gen, kam es an der Feld­her­rn­halle zu ein­er kurzen, aber hefti­gen Schießerei zwis­chen
Nation­al­sozial­is­ten und der Bay­erischen Lan­despolizei. Als erster Putschist stürzte Max Erwin von Scheub­n­er-Richter tödlich getrof­fen zu Boden und riß dabei im Fall­en Hitler mit, wobei er diesem einen Arm aus­renk­te. Die Fol­gen des Zusam­men­stoßes: 16 tote Nation­al­sozial­is­ten und vier tote Polizis­ten.

Nach der Machter­grei­fung 1933 wurde der »Marsch auf die Feld­her­rn­halle« mit Gedenk­feiern an der Feld­her­rn­halle alljährlich wieder­holt. Einen beson­deren Höhep­unkt bilde­ten dabei die Feier­lichkeit­en 1935. In diesem Jahr waren die zwei »Ehrentem­pel« am Königsplatz fer­tiggestellt wor­den, in welche man die »Blutzeu­gen der Bewe­gung« über­führte, damit sie dort in ihren ehernen Sarkopha­gen »ewige Wache« hal­ten soll­ten. Nach­dem man die sterblichen Über­reste der gefal­l­enen Putschis­ten aus ihren Gräbern geholt hat­te, wur­den sie am Vor­abend des 9. Novem­ber in der mit braunem Tuch aus­geschla­ge­nen Feld­her­rn­halle aufge­bahrt. An der rück­wär­ti­gen Wand der Feld­her­rn­halle ragten sechzehn mit Feuer­schalen bekrönte rote Pylo­nen auf, an denen mit aufgelegten gold­e­nen Let­tern die Namen der Blutzeu­gen prangten. Unmit­tel­bar davor lagen deren Sarkophage. Tags darauf wur­den sie mit einem pom­phaft-düsteren »Marsch des Schweigens« in die Ehrentem­pel gebracht. Genau vier Jahre später erfol­gte eine weit­ere the­atralis­che Toten­feier: Die bei dem mißlun­genen Hitler­at­ten­tat von Johann Georg Elser im Bürg­er­bräukeller getöteten sieben »alten Kämpfer« wur­den dort vor ihrer Beiset­zung in mit Hak­enkreuz­fah­nen über­zo­ge­nen Sär­gen zur Schau gestellt.

Bere­its am 9. Novem­ber 1933, dem 10. Jahrestag des Putsches, hat­te Hitler an der Feld­her­rn­halle das »Mah­n­mal für die 16 Gefal­l­enen des 9. Novem­ber 1923« enthüllt. Es stammte von dem Architek­ten Paul Lud­wig Troost, der auch die Ehrentem­pel am Königsplatz ent­wor­fen hat­te, und befand sich in dem zur Res­i­den­zs­traße geöffneten Bogen der Feld­her­rn­halle. Auf einem gestuften
Sock­el wurde eine bronzene Tafel mit den Namen der Putschis­ten geset­zt. Bekrönt wurde das Mah­n­mal mit einem von dem Bild­hauer Kurt Schmid-Ehmen geschaf­fe­nen Hoheit­sze­ichen. Unter dem Mah­n­mal war – als Akt der Ver­söh­nung gedacht – auch noch eine Gedenk­tafel für die beim Putschver­such getöteten Polizis­ten ange­bracht wor­den. Davor stand eine von zwei SS-Män­nern gebildete Ehrenwache. Jed­er Pas­sant mußte an dieser Stelle den »Deutschen Gruß« ent­bi­eten; wer das nicht tun wollte, nahm einen kurzen Umweg durch die benach­barte, als »Drücke­berg­er­gasse« beze­ich­nete Vis­cardi­gasse. – Auf­grund des großen Sym­bol­w­ertes, den die Nation­al­sozial­is­ten der Feld­her­rn­halle beimaßen, erhiel­ten mehrere Kampfver­bände der Wehrma­cht den Namen­szusatz »Feld­her­rn­halle«.

Unmit­tel­bar nach dem Ein­marsch der Amerikan­er wurde das Mah­n­mal ent­fer­nt, wobei man im Übereifer auch gle­ich die Gedenk­tafel für die getöteten Polizis­ten mit abschraubte. Im Novem­ber 1994 wurde in den Boden vor der Feld­her­rn­halle eine neue Gedenkplat­te für die Polizis­ten ein­ge­lassen. Allerd­ings lag sie dort – wegen zu geringer Beach­tung – nur 16 Jahre. Seit dem Novem­ber 2010 prangt nun eine aber­mals neue Gedenk­tafel an der der Feld­her­rn­halle gegenüber­liegen­den West­seite der Res­i­denz.

Längst geht es betont ziv­il an der Feld­her­rn­halle zu. Lud­wigstraße, Odeon­splatz sind Touris­ten­tr­e­ff­punk­te, und beson­ders die Feld­her­rn­halle ist ein beliebtes Foto­mo­tiv. Diese harm­los-heit­ere Welt erfuhr am 25. April 1995 eine empfind­liche Störung. An diesem Tag ver­bran­nte sich der damals 75jährige Diplom-Inge­nieur, Heimatver­triebene und ehe­ma­lige Wehrma­chtssol­dat Rein­hold Elst­ner auf den Stufen der Feld­her­rn­halle. In einem Abschieds­brief schrieb er: »Mit meinen 75 Jahren kann ich nicht mehr viel tun, aber doch so viel, daß ich mit meinem Flam­men­tode als Fanal ein sicht­bares Zeichen  der Besin­nung set­zen will.«

Doch ein Mär­tyr­ertod für Deutsch­land ist im gegen­wär­ti­gen Deutsch­land vol­lkom­men uner­wün­scht. Poli­tik und Medi­en bemüht­en sich daher, den tragis­chen Vor­fall so schnell wie möglich vergessen zu machen. Als 2003 öffentlich an der Feld­her­rn­halle des Flam­men­todes von Rein­hold Elst­ner gedacht wurde, löste dies sofort Abwehrreflexe seit­ens der Poli­tik und Stadtver­wal­tung aus. Seit­dem sorgt ein Ver­bot dafür, daß an dieses Ereig­nis an einem so »sen­si­blen« Erin­nerung­sort wie der Feld­her­rn­halle nicht mehr gedacht wer­den darf.

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Lit­er­atur:

  • Klaus Eggert: Friedrich von Gaert­ner. Der Baumeis­ter König Lud­wigs I., München 1963
  • Georg Franz-Will­ing: Putsch und Ver­bot­szeit der Hitler­be­we­gung, Preußisch Old­en­dorf 1977
  • Peter Köpf: Der Königsplatz in München, Berlin 2005