Höfler, Otto, Spachwissenschaftler, 1901–1987

Otto Höfler, geboren am 10. Mai 1901 in Wien, ver­dank­te seinem großbürg­er­lichen Eltern­haus zwei wichtige Prä­gun­gen: den tiefver­wurzel­ten katholis­chen Glauben und das gesamt­deutsche Beken­nt­nis. Daß die Idee eines alle Deutschen umfassenden Schick­sals in den Vorder­grund trat, hat­te vor allem mit den Zei­tum­stän­den zu tun: der Nieder­lage der Mit­telmächte im Ersten Weltkrieg, dem „Anschluß“-Verbot der Sieger, der Demü­ti­gung durch den Ver­sailler Ver­trag.

Höfler schloß sich schon als junger Mann völkischen Organ­i­sa­tio­nen und dann der NSDAP an. Wichtiger als der poli­tis­che Ein­satz war ihm allerd­ings die wis­senschaftliche Arbeit. Höfler wandte sich der Ger­man­is­tik, Skan­di­nav­is­tik und Philoso­phie zu. Er war Schüler Rudolf Muchs, der zum ersten Mal eine kon­se­quente Verknüp­fung der Ger­ma­nia des Tac­i­tus mit den Befun­den von His­to­ri­ogra­phie, Reli­gion­swis­senschaft und Archäolo­gie vorgenom­men hat­te. Nach seinem Studi­um an den Uni­ver­sitäten Wien, Lund, Basel und Kiel habil­i­tierte sich Höfler 1931 mit ein­er Arbeit über Kul­tische Gehe­im­bünde bei den Ger­ma­nen.

Diese nur mit dem ersten Band veröf­fentlichte Unter­suchung führte schon bei Erscheinen 1934 zu erhe­blich­er Irri­ta­tion. Das hat­te vor allem damit zu tun, daß Höfler die Bedeu­tung des Eksta­tis­chen und das hieß auch des Magis­chen und Prim­i­tiv­en der ger­man­is­chen Reli­gion her­vorhob und jeden­falls der Vorstel­lung des Nüchtern-Nordis­chen wenig Raum ließ. Obwohl er als lin­ien­treu galt und sog­ar Mit­glied der SS-Wis­senschaft­sor­gan­i­sa­tion „Ahnenerbe“ war, wurde seine Deu­tung niemals als „ortho­dox“ anerkan­nt. Ähn­lich­es gilt auch für andere Veröf­fentlichun­gen der dreißiger und frühen vierziger Jahre, in denen es Höfler vor allem um den Nach­weis ein­er Glauben­skon­ti­nu­ität seit früh­ester Zeit ging, die – trotz aller Mor­pho­sen – einen bes­timmten Kern an Vorstel­lun­gen – auch im Chris­ten­tum – erhal­ten habe.

Durch seine am irra­tionalen Gehalt der Reli­gion ori­en­tierte und let­ztlich phänom­e­nol­o­gis­che Auf­fas­sung der Reli­gion stand Höfler Wil­helm Grön­bech ein­er­seits, Georges Dumézil, Jan de Vries und Mircea Eli­ade ander­er­seits sehr nahe. Mit diesen Forsch­ern hielt er über Jahrzehnte hin­weg Verbindung und erfreute sich ihrer außeror­dentlichen Bewun­derung wegen sein­er großen Gelehrsamkeit und intu­itiv­en Erfas­sung von schein­bar weit auseinan­der­liegen­dem.

Nach Kriegsende ver­lor Höfler seinen Lehrstuhl in München, den er seit 1938 innege­habt hat­te, und kon­nte seine Tätigkeit erst 1950 wieder aufnehmen. Allerd­ings hat­te man ihm unter­sagt, Volk­skunde zu lesen, weshalb er 1957 in seine Heimat­stadt Wien zurück­kehrte und dort einen Lehrstuhl für Ger­man­is­che Alter­tum­skunde über­nahm. Höfler veröf­fentlichte in den fol­gen­den Jahrzehn­ten eine große Zahl von Arbeit­en, die vor allem die ger­man­is­che Reli­gion­s­geschichte betrafen. Her­vorzuheben sind ins­beson­dere seine The­sen zur Bedeu­tung der „Indi­vid­u­al­wei­he“, zur Inter­pre­ta­tion der Siegfried­sage und zum Sakralkönig­tum.

Eine poli­tis­che Botschaft kon­nte man diesen Pub­lika­tio­nen nur im Aus­nah­me­fall able­sen. Allerd­ings war immer deut­lich, daß im Hin­ter­grund eine let­ztlich aus der Roman­tik und der „Ganzheit­slehre“ Oth­mar Spanns abgeleit­ete Konzep­tion stand. Deut­lich­er trat dieser Sachver­halt in eini­gen Auf­sätzen Höflers her­vor, mit denen er sein Welt­bild klar­er umriß, das vor allem bes­timmt war durch die Annahme eines organ­is­chen Zusam­men­hangs, der im Lauf der Geschichte zu immer neuen Ent­fal­tun­gen treibt und ein­er „anschauen­den Urteil­skraft“ im Sinne Goethes, die das zu erfassen ver­mag.

Otto Höfler ver­starb in sein­er Geburtsstadt Wien am 25. August 1987.

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Zitat:

Es liegt in dieser The­o­rie der mor­phol­o­gis­chen Erken­nt­nis eine ethis­che Forderung, die nicht dem Ide­al der Wert­frei­heit huldigt, son­dern voraus­set­zt, daß die Kraft, die die Gestal­ten der Natur und die des Geistes schafft, werthaft sei, daß ein objek­tiv­er Wer­tun­ter­schied beste­he zwis­chen Gestalt und Ungestalt, und daß eine geistig-sit­tliche Anerken­nung dieses Wertes von uns gefordert werde, wenn wir der geisti­gen Teil­nahme an dieser schaf­fend­en Kraft „würdig“ wer­den sollen.

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Schriften:

  • Kul­tische Gehe­im­bünde der Ger­ma­nen, Bd 1 (mehr nicht erschienen), Frank­furt a. M. 1934
  • Ger­man­is­ches Sakralkönig­tum, Bd 1: Der Run­den­stein von Rök und die ger­man­is­che Indi­vid­u­al­wei­he, Tübin­gen 1952
  • Goethes Homuncu­lus, Wien 1963
  • Siegfried, Arminius der Nibelun­gen­hort, Wien 1978
  • Kleine Schriften. Aus­gewählte Arbeit­en zur ger­man­is­chen Alter­tum­skunde und Reli­gion­s­geschichte, zur Lit­er­atur des Mit­te­lal­ters, zur ger­man­is­chen Sprach­wis­senschaft sowie zur Kul­tur­philoso­phie und ‑mor­pholo­gie, hrsg. v. Hel­mut Birkhan, Ham­burg 1992

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Lit­er­atur:

  • Hein­rich Beck: Otto Höfler, in: Reallexikon der Ger­man­is­chen Alter­tum­skunde, Bd. 15, Berlin/ New York 2000
  • Hel­mut Birkhan: Otto Höfler – Nachruf, in: Almanach der Öster­re­ichis­chen Akademie der Wis­senschaften 138 (1988)