Otto Höfler, geboren am 10. Mai 1901 in Wien, verdankte seinem großbürgerlichen Elternhaus zwei wichtige Prägungen: den tiefverwurzelten katholischen Glauben und das gesamtdeutsche Bekenntnis. Daß die Idee eines alle Deutschen umfassenden Schicksals in den Vordergrund trat, hatte vor allem mit den Zeitumständen zu tun: der Niederlage der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg, dem „Anschluß“-Verbot der Sieger, der Demütigung durch den Versailler Vertrag.
Höfler schloß sich schon als junger Mann völkischen Organisationen und dann der NSDAP an. Wichtiger als der politische Einsatz war ihm allerdings die wissenschaftliche Arbeit. Höfler wandte sich der Germanistik, Skandinavistik und Philosophie zu. Er war Schüler Rudolf Muchs, der zum ersten Mal eine konsequente Verknüpfung der Germania des Tacitus mit den Befunden von Historiographie, Religionswissenschaft und Archäologie vorgenommen hatte. Nach seinem Studium an den Universitäten Wien, Lund, Basel und Kiel habilitierte sich Höfler 1931 mit einer Arbeit über Kultische Geheimbünde bei den Germanen.
Diese nur mit dem ersten Band veröffentlichte Untersuchung führte schon bei Erscheinen 1934 zu erheblicher Irritation. Das hatte vor allem damit zu tun, daß Höfler die Bedeutung des Ekstatischen und das hieß auch des Magischen und Primitiven der germanischen Religion hervorhob und jedenfalls der Vorstellung des Nüchtern-Nordischen wenig Raum ließ. Obwohl er als linientreu galt und sogar Mitglied der SS-Wissenschaftsorganisation „Ahnenerbe“ war, wurde seine Deutung niemals als „orthodox“ anerkannt. Ähnliches gilt auch für andere Veröffentlichungen der dreißiger und frühen vierziger Jahre, in denen es Höfler vor allem um den Nachweis einer Glaubenskontinuität seit frühester Zeit ging, die – trotz aller Morphosen – einen bestimmten Kern an Vorstellungen – auch im Christentum – erhalten habe.
Durch seine am irrationalen Gehalt der Religion orientierte und letztlich phänomenologische Auffassung der Religion stand Höfler Wilhelm Grönbech einerseits, Georges Dumézil, Jan de Vries und Mircea Eliade andererseits sehr nahe. Mit diesen Forschern hielt er über Jahrzehnte hinweg Verbindung und erfreute sich ihrer außerordentlichen Bewunderung wegen seiner großen Gelehrsamkeit und intuitiven Erfassung von scheinbar weit auseinanderliegendem.
Nach Kriegsende verlor Höfler seinen Lehrstuhl in München, den er seit 1938 innegehabt hatte, und konnte seine Tätigkeit erst 1950 wieder aufnehmen. Allerdings hatte man ihm untersagt, Volkskunde zu lesen, weshalb er 1957 in seine Heimatstadt Wien zurückkehrte und dort einen Lehrstuhl für Germanische Altertumskunde übernahm. Höfler veröffentlichte in den folgenden Jahrzehnten eine große Zahl von Arbeiten, die vor allem die germanische Religionsgeschichte betrafen. Hervorzuheben sind insbesondere seine Thesen zur Bedeutung der „Individualweihe“, zur Interpretation der Siegfriedsage und zum Sakralkönigtum.
Eine politische Botschaft konnte man diesen Publikationen nur im Ausnahmefall ablesen. Allerdings war immer deutlich, daß im Hintergrund eine letztlich aus der Romantik und der „Ganzheitslehre“ Othmar Spanns abgeleitete Konzeption stand. Deutlicher trat dieser Sachverhalt in einigen Aufsätzen Höflers hervor, mit denen er sein Weltbild klarer umriß, das vor allem bestimmt war durch die Annahme eines organischen Zusammenhangs, der im Lauf der Geschichte zu immer neuen Entfaltungen treibt und einer „anschauenden Urteilskraft“ im Sinne Goethes, die das zu erfassen vermag.
Otto Höfler verstarb in seiner Geburtsstadt Wien am 25. August 1987.
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Zitat:
Es liegt in dieser Theorie der morphologischen Erkenntnis eine ethische Forderung, die nicht dem Ideal der Wertfreiheit huldigt, sondern voraussetzt, daß die Kraft, die die Gestalten der Natur und die des Geistes schafft, werthaft sei, daß ein objektiver Wertunterschied bestehe zwischen Gestalt und Ungestalt, und daß eine geistig-sittliche Anerkennung dieses Wertes von uns gefordert werde, wenn wir der geistigen Teilnahme an dieser schaffenden Kraft „würdig“ werden sollen.
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Schriften:
- Kultische Geheimbünde der Germanen, Bd 1 (mehr nicht erschienen), Frankfurt a. M. 1934
- Germanisches Sakralkönigtum, Bd 1: Der Rundenstein von Rök und die germanische Individualweihe, Tübingen 1952
- Goethes Homunculus, Wien 1963
- Siegfried, Arminius der Nibelungenhort, Wien 1978
- Kleine Schriften. Ausgewählte Arbeiten zur germanischen Altertumskunde und Religionsgeschichte, zur Literatur des Mittelalters, zur germanischen Sprachwissenschaft sowie zur Kulturphilosophie und ‑morphologie, hrsg. v. Helmut Birkhan, Hamburg 1992
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Literatur:
- Heinrich Beck: Otto Höfler, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 15, Berlin/ New York 2000
- Helmut Birkhan: Otto Höfler – Nachruf, in: Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 138 (1988)