Wilflingen – Oberförsterei

Dieser ober­schwäbis­che Ort ist seit 1469 der Wohn­sitz der Schenken von Stauf­fen­berg. Franz Wil­helm Karl Maria Gabriel Schenk Frei­herr von Stauf­fen­berg über­ließ 1950 seine alte Ober­försterei, ein Barock­bau aus dem Jahr 1728, Ernst Jünger als Wohn- und Arbeitsstätte. Es war der Ort, an dem der größere Teil seines Werkes (nach den Strahlun­gen) ent­stand. Daran arbeit­ete er hier im Haus über die Jahre mit ver­schiede­nen Ver­traut­en, zwis­chen 1950 und 1953 mit Armin Mohler, ab März 1955, in dessen Semes­ter­fe­rien – als »Feriensekretär« –, mit Albert von Schirnd­ing, zwis­chen Früh­jahr 1961 und Som­mer 1964 mit Heinz Lud­wig Arnold und dann nach 1990 mit Georg Knapp; er war Vor­sitzen­der des Fre­un­deskreis der Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger e.V.

Das Leben Ernst Jüngers in der Wil­flinger »Raut­en-Klause« (als Erin­nerung an Auf den Mar­mor-Klip­pen) – Ort von Rück­zug und Samm­lung – wurde von zwei bemerkenswerten Frauen geprägt. Im ersten Wil­flinger Jahrzehnt war es Gretha von Jein­sen, des geliebten »Ern­s­tel« (der 1944 gefal­l­ene erste Sohn Jüngers) Mut­ter, die hier den kom­plizierten All­t­ag meis­terte. Schließlich war es dann ab 1962 Liselotte Jünger, ehe­mals Archivarin im Mar­bach­er Lit­er­atur­mu­se­um, die seinem Werk Gestalt und Über­sicht ver­schaffte.

Wil­flin­gen wurde zum Ort sin­gulär­er intellek­tueller, his­torisch­er Begeg­nun­gen – so im Herb­st 1953, als Ernst von Salomon (Jüngers hat­ten ihn seit 1929 nicht mehr gese­hen) zu Gast war: »Sein berühmter Zynis­mus«, so erkan­nte Gretha sehr schön, sei nichts anderes »als die einzig natür­liche Reak­tion gegen die Außen­welt, die ihn eine Kenn-Num­mer ein­bran­nte und niemals nach dem Men­schen forschte, der sich dahin­ter ver­barg«. Am 27. Okto­ber 1982 »hat­ten wir die Freude und Ehre«, so notierte sich Jünger in sein Tage­buch, »Jorge Luis Borges hier zu bewirten – die Begeg­nung mit einem Dichter ist fast so sel­ten gewor­den wie jene mit einem beina­he aus­gestor­be­nen oder sog­ar mythis­chen Tier, dem Ein­horn etwa … Die Unter­hal­tung zwis­chen uns Fün­fen, die wir in der Bib­lio­thek saßen, war poly­glott; deutsche, spanis­che, franzö­sis­che und englis­che Sätze durchkreuzten sich. Borges rez­i­tierte auf deutsch Angelus Sile­sius; dabei wurde seine Sprache deut­lich­er, als ob er auf seine Jugend zurück­griffe«.

Und natür­lich, als am 20. Juli 1993 der franzö­sis­che Staat­spräsi­dent Fran­cois Mit­ter­rand und Bun­deskan­zler Hel­mut Kohl (žVer­dun) hier im Stauf­fen­bergschen Forsthaus in Wil­flin­gen zu Besuch waren. An seinem 100. Geburt­stag, am 29. März 1995, schließlich kon­nte er Bun­de­spräsi­dent Roman Her­zog in Wil­flin­gen willkom­men heißen. Am 21. Feb­ru­ar 1998 ver­ließ Ernst Jünger im Sarg sein Altes Forsthaus; oben im alten Dorf­fried­hof liegt er begraben, neben seinen bei­den Söh­nen und seinen bei­den Frauen. Am Wil­flinger Wei­her wurde zum Palm­son­ntag 2007 ein von Gerold Jäg­gle gestal­tetes Jünger-Denkmal errichtet. Schon im März 1960 wurde Ernst Jünger Ehren­bürg­er der Gemeinde Wil­flin­gen: »Die Schwaben sind seit jeher als unser musis­ch­er Stamm beze­ich­net wor­den; der Autor wird also hier gut aufge­hoben sein.«

1999 wurde das Gebäude in Verbindung mit der Arbeitsstelle für lit­er­arische Museen, Archive und Gedenkstät­ten in Baden- Würt­tem­berg, Mar­bach am Neckar, als Muse­um und Gedenkstätte ein­gerichtet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

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Lit­er­atur:

  • Heinz Lud­wig Arnold: Wil­flinger Erin­nerun­gen. Mit Briefen von Ernst Jünger, Göt­tin­gen 2012
  • Briefwech­sel Gretha Jünger/Carl Schmitt (1934–1953), hrsg. v. Inge­borg Villinger u. Alexan­der Jas­er, Berlin 2007
  • Bernd E. Fis­ch­er: Ernst Jünger in Wil­flin­gen, Berlin 2007
  • Edith Mohler: In Wil­flin­gen 1950 – 1953, in: Armin Mohler: Ravens­burg­er Tage­buch, Wien/Leipzig 1999, S. 90–109
  • Albert von Schirnd­ing: Begeg­nung mit Ernst Jünger, Tübin­gen 2002