„Wie darfst du, frecher, ungerechter Schurke, es wagen, einen so großen und herrlichen Ritter zum Tode zu verurteilen?“ schrie Graf Robert von Flandern. Er bekam keine Antwort. Charles d’Anjou lächelte nur höhnisch. Der Richtblock auf der Piazza de Mercato in Neapel erfüllte an diesem 29. Oktober 1268 seinen grausigen Zweck. Mit den Worten „Mutter, welche Schreckensnachricht wirst du von mir hören!“ starb der erst 16jährige Kaisersproß Konradin von Hohenstaufen unter dem Schwert des Scharfrichters. Noch 18 Jahre zuvor hatte das Imperium der Staufer nach außen einen glänzenden Eindruck vermittelt. Kaiser Friedrich II., genannt „Stupor mundi“ (das Staunen der Welt), beherrschte ein Reich, das sich von der Nordsee bis zum Mittelmeer erstreckte.
100 Jahre lang hatten die Kaiser aus der Hohenstaufer-Dynastie um die Kaiserkrone gekämpft. Friedrich I. „Barbarossa“ und seine Nachkommen besaßen zwei mächtige Widersacher: Oberitaliens Städte wie Mailand und Florenz, die ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit gefährdet sahen, und den Papst in Rom, dessen Kirchenstaat fast die Hälfte Italiens umfaßte. Erst unter Friedrich II. kam es zur Konsolidierung der deutschen Oberherrschaft. Doch als der Kaiser Ende 1250 starb, zeigte sich schnell, wie brüchig sein Gebäude war. Die Italiener verweigerten seinem Sohn Konrad IV. die Gefolgschaft. Es brachen immer wieder Kämpfe aus. Der Papst mußte aus Rom fliehen und belegte den Deutschen mit einem Bannfluch. Doch schon 1254 starb auch Konrad, erst 26 Jahre alt.
Friedrichs Erbe wurde nun von dessen unehelichen Söhnen Enzio und Manfred verteidigt. Da die Italiener militärisch zu schwach waren, wandten sie sich um Hilfe nach Paris. Charles d’Anjou, Bruder des Königs von Frankreich, zog mit einem Heer nach Unteritalien und wurde hier 1265 zum König von Neapel und Sizilien gekrönt. Rasch merkten die Italiener, daß sie in Gestalt der französischen Truppen nur die Cholera mit der Pest vertauscht hatten, aber ihre Aversion gegen die deutschen Besatzer war so groß und übertünchte vorerst alle Gegensätze.
Charles gelang es, den Staufer Manfred 1266 in der Schlacht bei Benevent zu besiegen. Manfred fiel im Kampf. Alle seine Kinder wurden danach ermordet. Enzio war auf Nimmerwiedersehen hinter Kerkermauern verschwunden. Jetzt lebte nur noch Konrads gleichnamiger Sohn, den die Einheimischen „Corradino“ oder Konradin (der kleine Konrad) nannten. Er war bei Manfreds Tod erst 14 Jahre alt und hielt sich am Hof seines Onkels auf, des Bayernherzogs Ludwig des Strengen. Alle Zeitgenossen beschrieben Konradin als bildhübschen Jüngling, gewandten Ritter und anmutigen Dichter. Mit seinem Freund und Vetter Markgraf Friedrich von Baden führte er am Ufer des Bodensees oft militärische Übungen durch.
Als Anfang 1267 einige italienische Adelige zu Konradin kamen, über das Regime der Franzosen klagten und ihn aufforderten, sein Erbe zu erkämpfen, zögerte er nicht lange. Mit einem Heer, das allerdings nur 5000 Mann zählte, zog Konradin über die Alpen nach Verona und marschierte auf Rom zu. Papst Clemens IV., ein gebürtiger Franzose, floh zu Charles d’Anjou und prophezeite: „Einer Rauchwolke gleich wird Konradins Unternehmen vergehen, gleich einem Opfertiere geht er zur Schlachtbank.“
Der Papst sollte recht behalten, denn Konradins Streitmacht wurde am 23. August 1268 bei Tagliacozzo vernichtend geschlagen. Ein römischer Adeliger, Giovanni Frangipani, verriet gegen üppige Bezahlung den Franzosen die Fluchtroute Konradins, der mit seinen Gefolgsleuten auf dem Meer vor Pisa gefangen wurde. Um den Schein des Rechts zu wahren, berief Charles d’Anjou einen Gerichtshof ein, der den Staufer als Hochverräter aburteilen sollte. Doch die Rechtsgelehrten erklärten bis auf einen den Angeklagten für unschuldig, so daß Charles persönlich das Todesurteil verhängte.
Der Legende nach soll Konradin das Verdikt während eines Schachspiels mit seinem Freund Friedrich von Baden gehört und danach die Partie seelenruhig zu Ende gespielt haben. Am folgenden Tag wurden er und ein Dutzend Edelleute hingerichtet. Das ruhmreiche Geschlecht der Hohenstaufen war damit für immer untergegangen. In Deutschland folgte darauf das Interregnum, die kaiserlose, die schreckliche Zeit.
Papst Clemens IV. starb ein Jahr nach Konradins Tod am 29. November 1268. Charles d’Anjou machte sich bei den Italienern so verhaßt, daß 1282 ein großer Aufstand losbrach. Während dieser „Sizilianischen Vesper“ wurden nahezu 20000 Franzosen erschlagen. Anjous Heer und Flotte erlitten eine schmähliche Niederlage. Er selbst mußte nach Frankreich fliehen.
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Literatur:
- Evamaria Engel/Eberhard Holtz: Deutsche Könige und Kaiser des Mittelalters, Leipzig 1989
- Alfred Mühr: Die deutschen Kaiser, München 1978
- Hans Uwe Ullrich: Konradin von Hohenstaufen. Die Tragödie von Neapel, München 2004