1740 — Friedrich II. befiehlt die Abschaffung der Folter

Zwis­chen der Thronbestei­gung Friedrichs des Großen und seinem Ein­marsch in Schle­sien vergin­gen 1740 lediglich sech­sein­halb Monate. Sel­ten in der Geschichte hat ein Monarch oder Staats­mann während so kurz­er Zeit der­maßen gravierende gesellschaftliche Verän­derun­gen bewirkt. Aus dem Pots­damer Stadtschloß hagelte es ger­adezu Befehle, Hin­weise und Verord­nun­gen. Der König dekretierte noch im Juni 1740 Presse- und Mei­n­ungs­frei­heit („Gazetten, wenn sie inter­es­sant sein wollen, sollen nicht genieret wer­den“) sowie Reli­gions­frei­heit („Hier muß ein jed­er nach sein­er Fas­son selig wer­den“) und erhöhte die Rechtssicher­heit durch Abschaf­fung der Folter. Dies war am 3. Juni 1740 über­haupt seine erste Regierungs­maß­nahme.

Friedrich holte den großen Philosophen Chris­t­ian Wolff, den sein königlich­er Vater aus Preußen ver­ban­nt hat­te, wieder ins Land und machte ihn zum Vizekan­zler der Uni­ver­sität Halle. Der Buch­händler Ambro­sius Haude erhielt den Auf­trag, er möge eine deutsche Zeitung, die Berlin­is­chen Nachricht­en, her­aus­geben und zwar unter dem Mot­to „Wahrheit und Frei­heit“. Mit den Worten „Berlin muß die The­ater­stadt Europas wer­den“ befahl er dem Architek­ten Georg Wen­zes­laus von Kno­bels­dorff, unverzüglich ein königlich­es Opern­haus in Berlin zu erricht­en. Ein­er 25jährigen Frau aus Quedlin­burg erlaubte er das Medi­zin­studi­um an der Uni­ver­sität mit dem Ziel, ein Dok­tordiplom zu erwer­ben; 1755 wird diese Dorothea Erxleben Deutsch­lands erste Frau Dok­tor.

Friedrich befand sich in einem Schaf­fen­srausch und berichtete seinem Fre­und Charles Jor­dan: „Adieu, ich muß noch an den König von Frankre­ich schreiben, ein Flöten­so­lo kom­ponieren, eine Ode an Voltaire ver­fassen, das Heeres­re­gle­ment ändern und tausend andere Dinge mehr.“ Er arbeit­ete mit der einen Hand für die Armee, mit der anderen für das Volk und die schö­nen Kün­ste. Manch­mal spielte er sog­ar mit dem Gedanken, sich den Schlaf abzugewöh­nen — ein Exper­i­ment, das ihm schon während sein­er Rheins­berg­er Kro­n­prinzen­zeit einen Kreis­laufkol­laps einge­bracht hat­te.

Die Abschaf­fung der Folter wirk­te im Europa des 18. Jahrhun­derts ger­adezu rev­o­lu­tionär. „Wir wollen, daß die pein­liche Befra­gung der Angeklagten, daß die Tor­tur ein für alle­mal zu unterbleiben hat! Es sei denn, es han­dele sich um Hochver­rat oder große Mord­tat­en.“ 1755 wird die Folter auch für diese bei­den Delik­te abgeschafft, wobei sie in der Zwis­chen­zeit nur ein einziges Mal angewen­det wurde. Das war im März 1752 und richtete sich gegen zwei beson­ders „hart­näck­ige und boshafte Male­fikan­ten“.

Beim dama­li­gen unter­en­twick­el­ten Zus­tand der gerichtlichen Unter­suchungsver­fahren galt das Geständ­nis, in vie­len Fällen durch die Folter erzwun­gen, als einziges Mit­tel, Beschuldigte zu über­führen. Es herrschte der Grund­satz „Con­fes­sio regi­na pro­ba­tion­um est“ (das Geständ­nis ist die Köni­gin der Beweise). Ein beze­ich­nen­des Beispiel hier­für bildete die „Con­sti­tu­tio Crim­i­nalis“ (Pein­liche Gericht­sor­d­nung) der Kaiserin Maria There­sia von 1769. Sie sah mehr als ein Dutzend Folter­meth­o­d­en im Gerichtsver­fahren vor, samt pedan­tisch genauen Gebrauch­san­weisun­gen für die entsprechen­den Instru­mente wie Dau­men­schrauben, Streck­leit­er, Brus­treißer etc.

Friedrich der Große hinge­gen erk­lärte in einem Befehl an die Jus­tizbe­hör­den, daß er „in der­gle­ichen Krim­i­nalfällen die Tor­tur alle­mal als ein teils grausames, teils aber ungewiss­es Mit­tel anse­he, die Wahrheit der Sache her­auszubrin­gen“ (1754). Er fol­gte damit den mod­er­nen Aufk­lär­ern sein­er Zeit wie etwa dem Rechts­gelehrten Chris­t­ian Thoma­sius. Der hat­te schon 1701 moniert, daß durch die Folter „den Angeklagten Strafen aufer­legt wer­den, die an Grausamkeit­en diejeni­gen weit übertr­e­f­fen, die sie erhal­ten wür­den, wenn ihre Schuld bewiesen wäre“.

Friedrich hat die Tor­tur nicht nur abgeschafft, son­dern als ober­ster Gericht­sherr die Ein­hal­tung seines Gebotes auch genau überwacht. Als er erfuhr, einige Amts­gerichte hät­ten das Folter­ver­bot zu umge­hen ver­sucht, indem sie die Beschuldigten „durch heftiges Schla­gen zum Beken­nt­nisse zu brin­gen“ ver­sucht­en, erließ der König am 18. Novem­ber 1756 einen Befehl an sämtliche Jus­tizkol­legien, in dem er das Prügeln als ille­gales, „schon längst ver­botenes“ Mit­tel beze­ich­nete.

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Lit­er­atur:

  • Siegfried Fis­ch­er-Fabi­an: Preußens Glo­ria. Der Auf­stieg eines Staates, Locarno 1979
  • Wolf­gang Venohr: Friedrich der Zweite, in: ders.: Preußis­che Pro­file, Frank­furt a. M. 1980
  • Jan Zopfs: Quellen zur Aufhe­bung der Folter, Berlin 2010