1942 — Der „Düsenjäger“ Me 262 hebt zum ersten Mal ab

Im Nach­gang des Ersten Weltkriegs, der die immense Bedeu­tung der „neuen“ Luft­waf­fen für zukün­ftige mil­itärische Strate­gien erwiesen hat­te, wurde die Forschung ins­beson­dere an Strahltrieb­w­erken — die im Gegen­satz zum Rake­ten­trieb­w­erk ihren Oxida­tor nicht mit­führen, son­dern den Treib­stoff mit zuvor ange­saugter Umge­bungsluft ver­men­gen, um ein bren­n­fähiges Gemisch zu erzeu­gen — weltweit vor­angetrieben.

Während die Bere­it­stel­lung von Energie für den Betrieb des hier­für notwendi­gen Kom­pres­sors anfangs ein Prob­lem darstellte, erkan­nten Kon­struk­teure wie der Brite Frank Whit­tle Anfang der 1930er Jahre die Tauglichkeit ein­er (Wellen-)Gasturbine zu diesem Zweck, bei der die Energie für Verdichter, Kraft­stoff­pumpen usf. direkt von der Antrieb­swelle ent­nom­men wurde. Erste entsprechende Patente wur­den 1932 erteilt. Darauf auf­bauende Trieb­w­erke wur­den ab 1937 erprobt und führten zum Erst­flug der Gloster E.28/39, des ersten alli­ierten Strahlflugzeugs, am 15. Mai 1941 — knappe zwei Jahre nach dem deutschen Exper­i­men­talflugzeug Heinkel He 178 am 27. August 1939, dem weltweit ersten erfol­gre­ichen Test­flug ein­er Mas­chine mit Strahltrieb­w­erk.

Im Deutschen Reich hat­te 1935 der Physik­er Hans Joachim Pab­st von Ohain unab­hängig von Whit­tle die Forschung an einem ähn­lichen Trieb­w­erk­spro­to­typen aufgenom­men, wobei er anfangs Wasser­stoff anstatt Kerosin als Treib­stoff ver­wen­dete. Ohain wandte sich mit der Bitte um Unter­stützung an den Inge­nieur und Fir­menbe­sitzer Ernst Heinkel, dem das Poten­tial des neuen Antrieb­skonzepts sofort ein­sichtig war. Die Entwick­lungsserie des neuen Antriebs — über das 1937 fer­tiggestellte Heinkel HeS 1 bis hin zum HeS 3, das einzeln in der eigens zu Erprobungszweck­en kon­stru­ierten He 178 ver­baut wurde — fand for­t­an als pri­vat finanziertes Pro­jekt Heinkels statt, da das Reich­sluft­fahrt­min­is­teri­um (RLM) vor­erst auf Flugzeug­mod­ellen mit dem klas­sis­chen Kol­ben­mo­tor behar­rte.

Auch nach dem Erst­flug des rev­o­lu­tionären neuen Flugzeug­ty­pus zeigte sich die Luft­waf­fen­führung daran in der vor­liegen­den Kon­fig­u­ra­tion auf­grund der unbe­friedi­gen­den Reich­weite desin­ter­essiert; bere­its zuvor hat­te das RLM bei Heinkel allerd­ings die Entwick­lung eines zweis­trahli­gen Jagdflugzeugs in Auf­trag gegeben. Die daraus her­vorge­hende He 280 — das erste Flugzeug der Welt, in dem ein Schleud­er­sitz ver­baut war — flog im Sep­tem­ber 1940 erst­mals als Schleppflugzeug, erre­ichte wegen größer­er Prob­leme bei der Trieb­w­erk­skon­struk­tion jedoch nie die Serien­reife. Sie war nichts­destoweniger eine emi­nent wichtige Kon­struk­tion­sstudie, ger­ade im Hin­blick auf die vorteil­haften Auswirkun­gen ein­er Pfeilung der Tragflächen für das weltweit erste in Serie gebaute Flugzeug mit Strahltrieb­w­erken: die Messer­schmitt Me 262.

Etwa zeit­gle­ich mit dem Auf­trag an Heinkel waren auch die Bay­erischen Flugzeug­w­erke, Vorgängerun­ternehmen der Messer­schmitt AG, mit der Entwick­lung eines strahlgetriebe­nen Jagdflugzeugs beauf­tragt wor­den. Der Bauauf­trag über drei Pro­to­typen erfol­gte im März 1940; der Erst­flug in geplanter Kon­fig­u­ra­tion ver­schob sich jedoch um 15 Monate gegenüber dem Pro­to­typ. Am 18. Juli 1942 schließlich startete der Messer­schmitt-Chef­pi­lot Fritz Wen­del vom schwäbis­chen Fliegerhorst Leipheim zum ersten Flug der Me 262 mit Jumo-Strahltrieb­w­erken; ein Fluger­leb­nis, das der ver­ant­wortliche Gen­er­al der Jagdflieger, Adolf Gal­land, nach Erprobung des Mod­ells im Mai 1943 mit den Worten „als wenn ein Engel schiebt“ beschreiben sollte.

Dem Erfolg des Hochgeschwindigkeits­flugzeugs stand der Befehl Adolf Hitlers ent­ge­gen, die Me 262 als „Blitzbomber“ gegen die bevorste­hende alli­ierte Inva­sion einzuset­zen. Bomben­zu­ladung und erhöhter Luftwider­stand ließen das Flug­gerät jedoch wieder in den Geschwindigkeits­bere­ich alli­iert­er Jäger zurück­fall­en; von seit­en des Gen­er­al­luftzeug­meis­ters Erhard Milch soll im Stre­it gar der Satz gefall­en sein: „Mein Führer, das sieht doch jedes Kind, daß dies kein Bomber, son­dern ein Jäger ist!“

Adolf Gal­land, wie viele fron­ter­fahrende Offiziere von der drin­gen­den Notwendigkeit eines Ein­satzes gegen die stetig eskalieren­den US-amerikanis­chen Luftan­griffe überzeugt, kon­nte nur mit ein­er Rück­tritts­dro­hung die Auf­stel­lung des weltweit ersten Strahl-Jagdgeschwaders „Erprobungskom­man­do Nowot­ny“ unter der Führung des hochdeko­ri­erten Jagdfliegers Wal­ter Nowot­ny erzwin­gen, das die Luftkampfeigen­schaften der Me 262 im „Fron­tein­satz“ gegen alli­ierte Bomberver­bände testete. Außer­dem wurde infolge der Ablö­sung Gal­lands als Gen­er­al der Jagdflieger auf­grund „unüber­brück­bar­er Dif­feren­zen“ zwis­chen ihm und Her­mann Göring noch Ende Jan­u­ar 1945 die Auf­stel­lung des in der Luft­waffe sin­gulären „Jagdver­ban­des 44“ (JV 44) ange­ord­net, den Gal­land allein organ­isieren und mit ihm die Über­legen­heit der Me 262 im Jagdein­satz nach­weisen sollte.

Trotz ein­er Ein­satzstärke von niemals über zwölf ein­satzbere­it­en Flugzeu­gen (Staffel­größe) entwick­elte sich der JV 44 ras­ant zu ein­er „Vet­er­anenein­heit“, zu der sich etliche Jagdfliegerasse aus per­sön­lich­er Ent­täuschung über die Weisun­gen des RLM frei­willig melde­ten. Der Ver­band operierte in den let­zten elf Wochen vor Kriegsende größ­ten­teils von München-Riem aus und erzielte 24 Luft­siege bei drei eige­nen Ver­lus­ten; wesentliche Schwäche der Me 262 waren ihre empfind­lichen Trieb­w­erke, die nur langsame Last­wech­sel vertru­gen und die Mas­chine im so erzwun­genen langsamen Start- und Lan­de­vor­gang zu ein­er hoch insta­bilen, leicht­en Beute macht­en. Promi­nen­testes Opfer dieser Gefahren­phase wurde der spätere Inspek­teur der Luft­waffe der Bun­deswehr, Johannes Stein­hoff, der am 18. April 1945 beim Start schw­er verunglück­te.

Ins­ge­samt wur­den in den let­zten bei­den Kriegs­jahren 1433 Me 262 gefer­tigt, von denen ca. 800 zum Kampfein­satz kamen. Die Bedeu­tung des Mod­ells für die Geschichte der Luft­fahrt läßt sich nicht über­schätzen: Die Me 262 war das tech­nisch fortschrit­tlich­ste Flugzeug sein­er Zeit und rev­o­lu­tion­ierte die Antrieb­stech­nolo­gie im Luftverkehr von Grund auf. Pläne, Teile und voll­ständi­ge Exem­plare des Flugzeugs geri­eten nach Kriegsende sowohl in die Hände der Amerikan­er als auch der Sow­jets und hat­ten so weg­weisenden Ein­fluß auf die weit­ere Entwick­lung strahlgetrieben­er Kampf­flugzeuge; bei frühen Mod­ellen wie der North Amer­i­can F‑86 „Sabre“ oder der Jakowlew Jak-15 sind die Messer­schmitt-Anlei­hen mehr als offen­sichtlich.

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Lit­er­atur:

  • Adolf Gal­land: Die Ersten und die Let­zten. Jagdflieger im Zweit­en Weltkrieg, Darm­stadt 1953
  • Mano Ziegler: Tur­binen­jäger Me 262. Die Geschichte des ersten ein­satzfähi­gen Düsen­jägers der Welt, Stuttgart 1977