Im Nachgang des Ersten Weltkriegs, der die immense Bedeutung der „neuen“ Luftwaffen für zukünftige militärische Strategien erwiesen hatte, wurde die Forschung insbesondere an Strahltriebwerken — die im Gegensatz zum Raketentriebwerk ihren Oxidator nicht mitführen, sondern den Treibstoff mit zuvor angesaugter Umgebungsluft vermengen, um ein brennfähiges Gemisch zu erzeugen — weltweit vorangetrieben.
Während die Bereitstellung von Energie für den Betrieb des hierfür notwendigen Kompressors anfangs ein Problem darstellte, erkannten Konstrukteure wie der Brite Frank Whittle Anfang der 1930er Jahre die Tauglichkeit einer (Wellen-)Gasturbine zu diesem Zweck, bei der die Energie für Verdichter, Kraftstoffpumpen usf. direkt von der Antriebswelle entnommen wurde. Erste entsprechende Patente wurden 1932 erteilt. Darauf aufbauende Triebwerke wurden ab 1937 erprobt und führten zum Erstflug der Gloster E.28/39, des ersten alliierten Strahlflugzeugs, am 15. Mai 1941 — knappe zwei Jahre nach dem deutschen Experimentalflugzeug Heinkel He 178 am 27. August 1939, dem weltweit ersten erfolgreichen Testflug einer Maschine mit Strahltriebwerk.
Im Deutschen Reich hatte 1935 der Physiker Hans Joachim Pabst von Ohain unabhängig von Whittle die Forschung an einem ähnlichen Triebwerksprototypen aufgenommen, wobei er anfangs Wasserstoff anstatt Kerosin als Treibstoff verwendete. Ohain wandte sich mit der Bitte um Unterstützung an den Ingenieur und Firmenbesitzer Ernst Heinkel, dem das Potential des neuen Antriebskonzepts sofort einsichtig war. Die Entwicklungsserie des neuen Antriebs — über das 1937 fertiggestellte Heinkel HeS 1 bis hin zum HeS 3, das einzeln in der eigens zu Erprobungszwecken konstruierten He 178 verbaut wurde — fand fortan als privat finanziertes Projekt Heinkels statt, da das Reichsluftfahrtministerium (RLM) vorerst auf Flugzeugmodellen mit dem klassischen Kolbenmotor beharrte.
Auch nach dem Erstflug des revolutionären neuen Flugzeugtypus zeigte sich die Luftwaffenführung daran in der vorliegenden Konfiguration aufgrund der unbefriedigenden Reichweite desinteressiert; bereits zuvor hatte das RLM bei Heinkel allerdings die Entwicklung eines zweistrahligen Jagdflugzeugs in Auftrag gegeben. Die daraus hervorgehende He 280 — das erste Flugzeug der Welt, in dem ein Schleudersitz verbaut war — flog im September 1940 erstmals als Schleppflugzeug, erreichte wegen größerer Probleme bei der Triebwerkskonstruktion jedoch nie die Serienreife. Sie war nichtsdestoweniger eine eminent wichtige Konstruktionsstudie, gerade im Hinblick auf die vorteilhaften Auswirkungen einer Pfeilung der Tragflächen für das weltweit erste in Serie gebaute Flugzeug mit Strahltriebwerken: die Messerschmitt Me 262.
Etwa zeitgleich mit dem Auftrag an Heinkel waren auch die Bayerischen Flugzeugwerke, Vorgängerunternehmen der Messerschmitt AG, mit der Entwicklung eines strahlgetriebenen Jagdflugzeugs beauftragt worden. Der Bauauftrag über drei Prototypen erfolgte im März 1940; der Erstflug in geplanter Konfiguration verschob sich jedoch um 15 Monate gegenüber dem Prototyp. Am 18. Juli 1942 schließlich startete der Messerschmitt-Chefpilot Fritz Wendel vom schwäbischen Fliegerhorst Leipheim zum ersten Flug der Me 262 mit Jumo-Strahltriebwerken; ein Flugerlebnis, das der verantwortliche General der Jagdflieger, Adolf Galland, nach Erprobung des Modells im Mai 1943 mit den Worten „als wenn ein Engel schiebt“ beschreiben sollte.
Dem Erfolg des Hochgeschwindigkeitsflugzeugs stand der Befehl Adolf Hitlers entgegen, die Me 262 als „Blitzbomber“ gegen die bevorstehende alliierte Invasion einzusetzen. Bombenzuladung und erhöhter Luftwiderstand ließen das Fluggerät jedoch wieder in den Geschwindigkeitsbereich alliierter Jäger zurückfallen; von seiten des Generalluftzeugmeisters Erhard Milch soll im Streit gar der Satz gefallen sein: „Mein Führer, das sieht doch jedes Kind, daß dies kein Bomber, sondern ein Jäger ist!“
Adolf Galland, wie viele fronterfahrende Offiziere von der dringenden Notwendigkeit eines Einsatzes gegen die stetig eskalierenden US-amerikanischen Luftangriffe überzeugt, konnte nur mit einer Rücktrittsdrohung die Aufstellung des weltweit ersten Strahl-Jagdgeschwaders „Erprobungskommando Nowotny“ unter der Führung des hochdekorierten Jagdfliegers Walter Nowotny erzwingen, das die Luftkampfeigenschaften der Me 262 im „Fronteinsatz“ gegen alliierte Bomberverbände testete. Außerdem wurde infolge der Ablösung Gallands als General der Jagdflieger aufgrund „unüberbrückbarer Differenzen“ zwischen ihm und Hermann Göring noch Ende Januar 1945 die Aufstellung des in der Luftwaffe singulären „Jagdverbandes 44“ (JV 44) angeordnet, den Galland allein organisieren und mit ihm die Überlegenheit der Me 262 im Jagdeinsatz nachweisen sollte.
Trotz einer Einsatzstärke von niemals über zwölf einsatzbereiten Flugzeugen (Staffelgröße) entwickelte sich der JV 44 rasant zu einer „Veteraneneinheit“, zu der sich etliche Jagdfliegerasse aus persönlicher Enttäuschung über die Weisungen des RLM freiwillig meldeten. Der Verband operierte in den letzten elf Wochen vor Kriegsende größtenteils von München-Riem aus und erzielte 24 Luftsiege bei drei eigenen Verlusten; wesentliche Schwäche der Me 262 waren ihre empfindlichen Triebwerke, die nur langsame Lastwechsel vertrugen und die Maschine im so erzwungenen langsamen Start- und Landevorgang zu einer hoch instabilen, leichten Beute machten. Prominentestes Opfer dieser Gefahrenphase wurde der spätere Inspekteur der Luftwaffe der Bundeswehr, Johannes Steinhoff, der am 18. April 1945 beim Start schwer verunglückte.
Insgesamt wurden in den letzten beiden Kriegsjahren 1433 Me 262 gefertigt, von denen ca. 800 zum Kampfeinsatz kamen. Die Bedeutung des Modells für die Geschichte der Luftfahrt läßt sich nicht überschätzen: Die Me 262 war das technisch fortschrittlichste Flugzeug seiner Zeit und revolutionierte die Antriebstechnologie im Luftverkehr von Grund auf. Pläne, Teile und vollständige Exemplare des Flugzeugs gerieten nach Kriegsende sowohl in die Hände der Amerikaner als auch der Sowjets und hatten so wegweisenden Einfluß auf die weitere Entwicklung strahlgetriebener Kampfflugzeuge; bei frühen Modellen wie der North American F‑86 „Sabre“ oder der Jakowlew Jak-15 sind die Messerschmitt-Anleihen mehr als offensichtlich.
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Literatur:
- Adolf Galland: Die Ersten und die Letzten. Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg, Darmstadt 1953
- Mano Ziegler: Turbinenjäger Me 262. Die Geschichte des ersten einsatzfähigen Düsenjägers der Welt, Stuttgart 1977