Berlin – Invalidenfriedhof

Friedrich der Große befahl unter dem Ein­druck der hohen Ver­wun­de­ten­zahlen aus den ersten bei­den Schle­sis­chen Kriegen die Ein­rich­tung eines Haus­es für Kriegs­versehrte. Bis zu dessen Eröff­nung am 15. Novem­ber 1748 wur­den weit­ere königliche Instruk­tio­nen für den Dien­st­be­trieb dieser mil­itärischen Ein­rich­tung für die »lah­men Kriegsleut« erlassen. Sie bes­timmten die Selb­stver­sorgung der Anstalt auf einem Stück Land im öden und unbe­wohn­ten Nor­den Berlins vor dem Oranien­burg­er Tor mit­tels Land­wirtschaft, regel­ten den Kirchen­be­trieb sowohl für eine reformierte als auch eine katholis­che Kirche und sahen die Anlage eines unmit­tel­bar am Invali­den­haus befind­lichen Kirch­hofs vor. Am 20. Dezem­ber 1748 erfol­gte auf dem Invali­den­fried­hof die erste Grable­gung: die des katholis­chen Unterof­fiziers Hans Michael Neu­mann aus Bam­berg.

Wur­den anfänglich nur ver­stor­bene Ein­wohn­er des Invali­den­haus­es dort beerdigt, kamen bald die zuge­zo­ge­nen Anwohn­er der »Invali­den­haus-Civil­ge­meinde« dazu, zog der Betrieb des Invali­den­haus­es doch viele Handw­erk­er und Händler an, die sich in der Nähe nieder­ließen. Im Jahre 1824 ord­nete der preußis­che König Friedrich Wil­helm III. an, die »Nobil­itäten der Armee« auf dem Invali­den­fried­hof beizuset­zen. Damit war der Grund­stein für »eine Stätte preußisch-deutschen Ruhmes« gelegt, ver­gle­ich­bar dem Paris­er Invali­den­dom oder der Lon­don­er St. Pauls-Kathe­drale.

Bis 1872 gab es etwa 18 000 Beerdi­gun­gen, in der gesamten Fried­hof­s­geschichte waren es rund 30 000. Seit 1850 erhiel­ten auch Staats­beamte, The­olo­gen, Gelehrte, Unternehmer und Kün­stler hier eine exponierte Beiset­zungsstätte. Der Invali­den­fried­hof in Berlin wurde zur let­zten Ruh­estätte der preußis­chen Mil­itäre­lite: Gen­er­alleut­nant Karl Leopold von Köck­ritz und von Gen­er­al Friedrich Bog­islav Emanuel Tauentzien von Wit­ten­berg, von Gen­er­alleut­nant Karl Ernst Job Wil­helm von Wit­zleben und Her­mann von Boyen waren bzw. sind hier bestat­tet.

Zum ein­drucksvoll­sten Zeug­nis preußisch-deutsch­er Sepulkralkul­tur wurde das 1834 von Chris­t­ian Daniel Rauch nach einem Entwurf Karl Friedrich Schinkels errichtete Grab­mal für Ger­hard von Scharn­horst. »Schinkels reif­ste Leis­tung im Bere­ich des Grab­mal­baues«, ein auf zwei Sock­eln ruhen­der Mar­mor­sarkophag mit Reli­ef­fries, Szenen aus dem Leben Scharn­horsts darstel­lend, hat die Zer­störun­gen während der DDR-Zeit über­dauert. Das 1990 restau­ri­erte gußeis­erne Kreuz des Turn­ers und glühen­den Patri­oten Karl Friedrich Friesen beein­druckt dage­gen durch seine Schlichtheit.

Im Ersten Weltkrieg und in den Nachkriegs­jahren fes­tigte sich die Stel­lung des Invali­den­fried­hofes als »Ehren­hain preußisch-deutsch­er Geschichte«. Aber nicht nur Gen­eräle, auch gefal­l­ene Sol­dat­en nieder­er Dien­st­grade wur­den im Laufe des Krieges beige­set­zt. Ein beson­ders berühren­des Denkmal dieser Zeit war der Stein des Leut­nant John: »Mut­ter Erde nimmt ihren Sohn auf.« 119 gefal­l­ene oder in Berlin­er Lazaret­ten ver­stor­bene Sol­dat­en sind während des Ersten Weltkriegs auf dem Invali­den­fried­hof bestat­tet wor­den, unter ihnen die Jagdflieger Hans Joachim Bud­decke, Erich Bahr und Oliv­er Frei­herr von Beaulieu-Mar­con­nay. Zahlre­iche Träger des Pour le mérite ruht­en auf dem Invali­den­fried­hof, so auch Man­fred von Richthofen, der als Held verehrte Jagdflieger, dessen sterbliche Über­reste am 20. Novem­ber 1925 aus Frankre­ich nach Berlin über­führt wur­den.

War das Invali­den­haus bis 1918 geschlossen­er Trup­pen­teil der preußis­chen Armee, über­nahm nach der Novem­ber­re­volte das Reich­sar­beitsmin­is­teri­um die Ver­ant­wor­tung, da es auch für die Ver­sorgung der Krieg­sopfer zuständig war. Im Feb­ru­ar 1933 fand auf dem Invali­den­fried­hof die Beerdi­gung des SA-Mannes Hans Maikows­ki statt. Er war auf dem Rück­marsch vom Fack­elzug am 30. Jan­u­ar 1933 von Kom­mu­nis­ten erschossen wor­den. Joseph Goebbels insze­nierte dazu eine Großver­anstal­tung. Unter der Anteil­nahme von rund 600 000 Berlin­ern hiel­ten der Invali­den­hausp­far­rer, Reich­stagspräsi­dent Her­mann Göring und Goebbels die Trauerre­den am Grab, die der Rund­funk im ganzen Reich ver­bre­it­ete.

1937 wurde die Anlage des Invali­den­haus­es wieder der Ver­ant­wor­tung des Reich­skriegsmin­is­teri­ums unter­stellt und 1939 die »Stiftung Invali­den­haus« nach Berlin-Frohnau ver­legt, wo noch heute die Invali­den­sied­lung beste­ht. Für die geplante Umgestal­tung Berlins durch Albert Speer wurde eine Eineb­nung des Invali­den­fried­hofes erwogen, wofür die Über­führung der bedeu­tend­sten Sol­daten­gräber vom Invali­den­fried­hof in die von Wil­helm Kreis ent­wor­fene Sol­daten­halle geplant war. Der Zweite Weltkrieg führte zur Ein­stel­lung der Pro­jek­tierung. Die Beiset­zun­gen promi­nen­ter Sol­dat­en wie Ernst Udet oder Wern­er Mölders gehörten weit­er­hin zum pro­pa­gan­dis­tis­chen Rit­u­al. Auch für Rein­hard Hey­drich wurde ein mon­u­men­tales Grab­mal auf dem Invali­den­fried­hof geplant. Das Vorhaben kon­nte wegen des Krieges nicht ver­wirk­licht wer­den.

Neben führen­den Vertretern des NS-Staates liegen auch Wider­stand­skämpfer auf dem Invali­den­fried­hof, so Ober­stleut­nant Fritz von der Lanck­en, der für kon­spir­a­tive Tre­f­fen seine Pots­damer Vil­la zur Ver­fü­gung gestellt und dort auch den Sprengstoff für Stauf­fen­berg ver­steckt hat­te.

Mit dem Ende des Zweit­en Weltkrieges wurde der Invali­den­fried­hof durch alli­ierten Kon­troll­rats­beschluß als mil­itärisches Objekt beschlagnahmt. Der Fried­hofs­be­trieb blieb davon zunächst unberührt. In einem Befehl vom 17. Mai 1946 ver­langten die Alli­ierten die Ent­fer­nung aller »mil­i­taris­tis­chen und nation­al­sozial­is­tis­chen Denkmäler« auf den Begräb­nis­plätzen. Im Juni 1950 begann mit ein­er Ver­fü­gung zur »Rekon­struk­tion« die erste Abräu­mak­tion. Erste Grab­stellen wur­den eingeeb­net ver­steckt hat­te. Mit dem Ende des Zweit­en Weltkrieges wurde der Invali­den­fried­hof durch alli­ierten Kon­troll­rats­beschluß als mil­itärisches Objekt beschlagnahmt. Der Fried­hofs­be­trieb blieb davon zunächst unberührt. In einem Befehl vom 17. Mai 1946 ver­langten die Alli­ierten die Ent­fer­nung aller »mil­i­taris­tis­chen und nation­al­sozial­is­tis­chen Denkmäler« auf den Begräb­nis­plätzen. Im Juni 1950 begann mit ein­er Ver­fü­gung zur »Rekon­struk­tion« die erste Abräu­mak­tion. Erste Grab­stellen wur­den eingeeb­net.

Im Mai 1951 wurde der Invali­den­fried­hof auf Beschluß des Mag­is­trats von Groß-Berlin geschlossen und der Ablauf der Ruhe­frist aller vor 1925 belegten Grab­stellen verkün­det. Die Besuch­szeit­en wur­den auf jew­eils vier Stun­den an vier Wochen­t­a­gen eingeschränkt. Bis in die sechziger Jahre fan­den jedoch noch Beerdi­gun­gen statt.

Die sys­tem­a­tis­che Zer­störung des Invali­den­fried­hofes begann mit dem Mauer­bau 1961. Zu dieser Zeit befan­den sich auf dem Fried­hof etwa 3 000 Grab­stellen. Auf­grund sein­er direk­ten
Mauer­lage erk­lärte das DDR-Regime große Bere­iche der Anlage zum Gren­zge­bi­et: Die Grabfelder E, F und G gehörten zum soge­nan­nten Todesstreifen. Wachtürme, Schein­wer­fer, Schießan­la­gen, eine Lau­fan­lage für Wach­hunde ent­standen – und es wurde eine Beton­straße über Gräber gelegt. Eine Abteilung »Abräu­mung« beim Ost­ber­lin­er Bezirk­samt Mitte verze­ich­nete den Abbau von 94 Ton­nen Grab­denkmalen sowie 26,5 Ton­nen Grab­steinen; drei Ton­nen Grabgit­ter wur­den Alt­met­all.

Die Abtra­gung der Grab­male wurde nicht doku­men­tiert. 1967 war etwa ein Drit­tel des Fried­hofes eingeeb­net. Einzig die Gräber der Mil­itär­reformer Scharn­horst und Boyen, denen sich die DDR mit ihrer »Volk­sarmee« verpflichtet fühlte, ver­hin­derten die Gesamtzer­störung des Invali­den­fried­hofes. Die wohl einzige Umbet­tung der Nachkriegszeit war die des berühmten Jagdfliegers Man­fred von Richthofen, der 1976 von Ost-Berlin auf den Helden­fried­hof nach Wies­baden über­führt wurde. Die »Königslinde« auf dem Invali­den­fried­hof – unter der Friedrich der Große gerastet haben soll – wurde im Zuge des Aus­baus der Gren­zan­la­gen gefällt. Am 23. Mai 1962 ver­suchte der 14jährige Schüler Wil­fried Tews, über den Invali­den­fried­hof in den West­en zu fliehen. Gren­z­sol­dat­en schossen auf ihn, West­ber­lin­er Polizis­ten erwiderten das Feuer. Let­ztere bar­gen schließlich den durch Schüsse ver­let­zten Flüchtling am west­lichen Ufer des Berlin-Span­dauer Schif­fahrt­skanals. Der DDR-Gren­z­sol­dat Peter Göring starb bei dem Schußwech­sel. Zwei Jahre später, am 22. Juni 1964, wurde der 29jährige Ost­ber­lin­er Mau­r­erge­hil­fe Wal­ter Heike bei einem Fluchtver­such auf dem Invali­den­fried­hof erschossen.

Trotz schw­er­er Ver­wüs­tun­gen während der DDR-Zeit bot der Invali­den­fried­hof nach der Maueröff­nung im Jahre 1990 nicht zulet­zt dank der Erhal­tungs­be­mühun­gen des Insti­tutes für Denkmalpflege der DDR mit seinen etwa 200 erhal­te­nen Grab­malen ein umfassendes Bild der Berlin­er Sepulkralkul­tur der let­zten 200 Jahre. Zur Erhal­tung dieses erstrangi­gen Nation­aldenkmals grün­dete im Novem­ber 1992 ein Kreis ehre­namtlich­er Denkmalpfleger den »Fördervere­in Invali­den­fried­hof e.V.«, der die Arbeit­en der städtis­chen Behör­den unter­stützend begleit­et.

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Lit­er­atur:

  • Lau­renz Demps: Der Invali­den-Fried­hof. Denkmal preußisch-deutsch­er Geschichte in Berlin, Berlin 1996
  • Lau­renz Demps: Zwis­chen Mars und Min­er­va. Weg­weis­er über den Invali­den­fried­hof, Berlin 1998
  • Fördervere­in Invali­den­fried­hof e.V. (Hrsg.): Der Invali­den­fried­hof. Ret­tung eines Nation­aldenkmals, Berlin/Hamburg 2003