Der Weg — Edward Goldsmith, 1992

Der Weg ist eine Samen­verkapselung all dessen, was Edward Gold­smith seit 1969 mit dem Mag­a­zin The Ecol­o­gist in die aktuelle Diskus­sion einzubrin­gen ver­sucht hat­te. Um 1990, als das Buch ent­stand, zeigte sich nicht nur, daß die Ökolo­giede­bat­te in eine Rei­he von Refor­man­liegen zer­split­terte, die zu schwach waren, um den Wan­del zu ermöglichen, der für eine Erhal­tung der men­schlichen Lebens­be­din­gun­gen auf der Erde nötig wäre. Es zeigte sich darüber hin­aus, daß die Anwälte des »Weit­er so« auf dem »amer­i­can high­way of life« echte Ökolo­gie zunehmend als unmen­schlich und faschis­tisch dif­famierten, weil diese die Notwendigkeit der Ver­ringerung der Welt­bevölkerung nicht ver­schweigt oder gar über­legt, wie diese erre­icht wer­den kön­nte.

Gold­smiths Buch ist eine Zusam­men­fas­sung der ökol­o­gis­chen Fragestel­lung und ihrer Entwick­lungs­geschichte, und das heißt: ihrer Ver­biegung durch Anpas­sung an die mod­er­ne­typ­is­chen Vorurteile. Die The­o­rie, wonach Vielfalt Sta­bil­ität bed­ingt, vor allem aber die The­o­rie ein­er Kli­max, wonach sich unter­schiedlich aus­gereifte und wertvolle Ord­nun­gen eines Biotops unter­schei­den lassen, wurde von den Linken unter dem Stich­wort »Monok­li­max­the­o­rie « mas­siv ange­grif­f­en, weil sie ihren anti­hier­ar­chis­chen Instink­ten zuwider­lief. Gold­smith zeigt, daß die Ein­wände der Mod­ernisten gegenüber ver­schiede­nen ökol­o­gis­chen The­o­rien nur Vertei­di­gungslin­ien für ihre gle­ich­macherische Ide­olo­gie sind. Er belegt, daß am Schluß ihrer Argu­men­ta­tio­nen der Rück­zug auf die Grund­po­si­tion ste­ht, Natur dürfe nicht nor­ma­tiv genom­men wer­den, weil sie let­ztlich bru­tal­dar­win­is­tisch funk­tion­iere und deshalb unmen­schlich sei.

Gold­smith arbeit­ete eng mit den Kreisen um den nor­wegis­chen Philosophen Arne Naess zusam­men, die mit der soge­nan­nten Tiefenökolo­gie über eine bloße Ökonomie der Natur hin­auskom­men und die Natur in all den Dimen­sio­nen würdi­gen woll­ten, auch denen, die nur durch die men­schliche Wahrnehmung auf­scheinen. Dabei glitt Gold­smith aber nie wie viele sein­er anfänglichen Mit­stre­it­er, deren Tiefenökolo­gie schließlich zu einem Mosaik­stein des Psy­cho- und New-Age-Booms wurde, in den dem Dar­win­is­mus gegenüber­liegen­den Straßen­graben ab. Wed­er
verniedlichte er die Natur, noch ver­lor er ihre Rolle aus den Augen, den Men­schen nicht nur zu tra­gen, son­dern auch zu begren­zen. Diese Grat­wan­derung zwis­chen Sen­ti­men­tal­isierung und Dämon­isierung bes­timmte seinen Weg.

Gold­smith will zwar zu einem tra­di­tionalen Welt­mod­ell zurück und bezieht sich gerne auf Stammeskul­turen. Aber er möchte die mech­a­nis­tis­chen Kat­e­gorien des Sys­tem­denkens nicht aufgeben. So fällt er teil­weise vom Kausal­is­mus in die Tele­olo­gie, vom Indi­vid­u­al­is­mus in den Holis­mus. Sein Stil ist weniger nach­den­klich als Man­i­feste verkün­dend. Zen­tral ist dabei der Kampf gegen einige Vorurteile, die wis­senschaftlich begrün­det scheinen. So die ange­bliche Uner­laubtheit des Schlusses vom Sein auf das Sollen (sog. »nat­u­ral­is­tis­ch­er Fehlschluß«) und die Vorstel­lung, daß die Natur let­ztlich auf Entropie hin­aus­laufe, ohne zu ver­ste­hen, daß es Entropie nur in geschlosse­nen Sys­te­men gibt.

Wie Gold­smith fest­stellt, ist die Erde aber kein geschlossenes Sys­tem, und die Welt ist gar kein Sys­tem, weil wir sie prinzip­iell nicht von außen sehen kön­nen. Der Autor erken­nt auch scharf, daß diejeni­gen, die immer vom nat­u­ral­is­tis­chen Fehlschluß reden, eigentlich einen arti­fizial­is­tis­chen Fehlschluß bege­hen, für den nur das Nichtbeste­hende das Gute sein kann. Ein prinzip­ielles Nichtein­ver­standen­sein mit der Welt und die daraus fol­gende Verän­derungssucht führt aber immer zur Feind­schaft gegenüber der Natur.

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Zitat:

Statt unsere Prob­leme als unver­mei­dliche Kon­se­quenz der wirtschaftlichen Entwick­lung oder des Fortschritts zu inter­pretieren, des antievo­lu­tionären Prozess­es, der uns immer weit­er vom Weg abführt – inter­pretieren wir sie statt  dessen so, daß die wirtschaftliche Entwick­lung nicht weit oder schnell genug fort­geschrit­ten ist – daß wir in Wirk­lichkeit noch nicht weit genug vom Weg abgewichen sind.

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Lit­er­atur

  • Rein­hard Fal­ter: Natur neu denken, Klein Jase­dow 2003