Die Zukunft des Krieges — Martin van Creveld, 1991

Mar­tin van Crev­eld spielte eine wichtige Rolle beim mil­itärischen Par­a­dig­men­wech­sel west­lich­er Stre­itkräfte nach dem Ende des Kalten Krieges. Der auf­grund sein­er stre­it­baren Per­sön­lichkeit inzwis­chen von vie­len gemiedene israelis­che Mil­itärhis­torik­er hat mit seinem 1991 zuerst auf Englisch erschienen Buch Die Zukun­ft des Krieges einen wichti­gen Beitrag zum Umdenken
geleis­tet.

Spätestens nach diesem Werk war er ein gern gese­hen­er Gas­tred­ner bei fast jed­er mil­itärischen oder sicher­heit­spoli­tis­chen Ein­rich­tung des West­ens. Van Crev­eld ergänzt darin Clause­witz, indem er neben dessen drei­seit­igem Kriegsmod­ell das Phänomen der nicht­staatlichen Akteure anspricht. Dabei kri­tisiert er, daß die Clause­witzsche Vorstel­lung von Krieg zu stark auf den zwis­chen­staatlichen Kon­flikt fokussiert und so nur bed­ingt für Kriegsszenar­ien anwend­bar ist, an denen »sub­staatliche« Kriegsparteien teil­nehmen.

Er spricht dabei fünf wichtige Fra­gen zum Ver­ständ­nis von Krieg an:

1. Wer sind die kriegführen­den Parteien? Sind es Staat­en oder nicht­staatliche Akteure?

2. Um was geht es und wie stellen sich die Beziehun­gen zwis­chen den Akteuren und zwis­chen diesen und den Nichtkom­bat­tan­ten dar?

3. Wie wird der Krieg geführt, mit welch­er Strate­gie und Tak­tik?

4. Wofür wird gekämpft? Wer­den nation­al­staatliche Ziele ver­fol­gt oder wird Krieg um des Krieges willen geführt?

5. Warum wird Krieg geführt? Welche Moti­va­tion treibt die einzel­nen Kom­bat­tan­ten an?

Im Zeital­ter divers­er eth­nis­ch­er Kon­flik­te und einem sicher­heit­spoli­tisch plump agieren­den West­en erhofften sich viele von van Crev­eld Antworten auf die neuen Her­aus­forderun­gen. Allerd­ings stießen die von ihm gebote­nen Antworten auf starke, wenn nicht mil­itärische dann zumin­d­est poli­tis­che Kri­tik und führten dazu, daß er zuse­hends mar­gin­al­isiert wurde. Seine Werke zu Frauen und Krieg (2001) oder Auf­stieg und Unter­gang des Staates (1999) stell­ten in einem realpoli­tis­chen Ton viele liebge­wonnene Annah­men in Frage. Daraus erfol­gte eine gewisse Äch­tung des stre­it­baren His­torik­ers, der sich auch zu den sicher­heit­spoli­tis­chen Fol­gen von Illu­sio­nen, beispiel­sweise Über die Fol­gen von Migra­tion, stets offen äußerte. Van Crev­eld kri­tisierte die Entschei­dung, gegen den Irak Krieg zu führen aufs schärf­ste und set­zt sich von vie­len sein­er Land­sleute ab, indem er den iranis­chen Erwerb von Atom­waf­fen als unprob­lema­tisch betra­chtet.

Van Crev­elds Nei­gung, klare Worte zu find­en, teilt seine Leser­schaft in zwei klare Lager. Während Die Zukun­ft des Krieges im pos­i­tiv­en Sinne als radikalste Neuin­ter­pre­ta­tion von Krieg seit Clause­witz beschrieben wurde, wid­men sich seine Kri­tik­er vielmehr sein­er teils polemis­chen Absage an Frauen in Kampfein­heit­en und der »Fem­i­nisierung« der Stre­itkräfte. Unter Sol­dat­en sind und bleiben seine Büch­er und Vorträge gefragt, während unter Wehrbeamten, Sozial­wis­senschaftlern, Frauen­beauf­tragten und Min­is­te­ri­al­beamten starke Vor­be­halte herrschen – obgle­ich eine inhaltliche Wider­legung sein­er The­sen, daß z. B. Stre­itkräfte durch die wach­sende Anzahl von Sol­datin­nen an Wert ver­lieren, bis­lang nicht geleis­tet wurde.

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Zitat:

Das Wesen des Krieges ist Kampf… Zum Kampf gehören zwei. Er begin­nt nicht dann, wenn einige Men­schen andern das Leben nehmen, son­dern dort, wo sie ihr eigenes riskieren.

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Aus­gabe:

  • 3., über­ar­beit­ete deutsche Aus­gabe, Ham­burg: Mur­mann 2004

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Lit­er­atur:

  • Klaus Ham­mel: Mar­tin van Crev­eld, in: Sezes­sion (2003), Heft 1