Gruhl, Herbert, Umweltschützer, 1921–1993

Her­bert Gruhl war als Parteipoli­tik­er und Pub­lizist eine der wichtig­sten Fig­uren des Ver­suchs, eine Öko-Partei zu grün­den. Ohne Gruhl hätte es die »Grü­nen« nicht gegeben, mit ihm wären sie etwas ganz anderes gewor­den.

Der am 22. Okto­ber 1922 im säch­sis­chen Gnaschwitz geborene Bauern­sohn Gruhl, der 1957 über Hugo von Hof­mannsthal pro­moviert wurde, war als Vertreter bäuer­lich­er Inter­essen 1969 für die CDU in den Bun­destag gelangt und hat­te sich zusam­men mit dem dama­li­gen Bun­desvor­stands­beauf­tragten für Umwelt­fra­gen, Richard von Weizsäck­er, um eine Pro­fil­ierung der Union im neuen The­men­bere­ich bemüht.

Dies gelang zunächst auch für den Wahlkampf 1972 mit dem »Pro­gramm für Umweltvor­sorge«, in dem u. a. die Aus­sage eines notwendi­gen Werte­wan­dels und ein­er Aus­rich­tung »stärk­er auf kul­turelle als materielle Werte« stand. 1975 erschien Gruhls Buch Ein Plan­et wird geplün­dert, das sich bald zu einem Best­seller entwick­elte und Gruhls Namen deutsch­landweit bekan­nt machte. Darin entwick­elt Gruhl eine Gen­er­alkri­tik am west­lichen Lebensstil, den er von Mate­ri­al­is­mus und Irra­tional­is­mus geprägt sieht. Er fordert die »plan­e­tarische Wende«, die wieder von den Gren­zen, die die Erde vorgibt, denkt, um das Über­leben der Men­schheit zu sich­ern. Als Mit­tel dazu emp­fiehlt er einen starken Staat, der als Öko-Dik­tatur den Ego­is­mus des einzel­nen zugun­sten des Ganzen zurück­drängt.

Inner­halb der CDU wurde das Buch kaum öffentlich disku­tiert, und die Partei ging ohne umwelt­poli­tis­che Aus­sage in den Wahlkampf 1976. Daß Gruhl anschließend nicht mehr als Sprech­er für Umwelt­fra­gen von Partei und Frak­tion fungieren durfte, führte zur endgülti­gen Ent­frem­dung von Gruhl mit sein­er Partei, die er nicht mehr als seine poli­tis­che Heimat emp­fand. Damit hat­ten die »Kon­ser­v­a­tiv­en« bere­its zu diesem Zeit­punkt ihre »Kro­n­juwe­len« (Peter Glotz), ihr ure­igen­stes The­ma, aus der Hand gegeben.

Nach­dem Gruhl öffentlich über die Notwendigkeit ein­er vierten Partei gesprochen hat­te, trat er am 12. Juli 1978 aus der CDU aus und grün­dete einen Tag später die GAZ (Grüne Aktion Zukun­ft), mit der sich dann die AUD (Aktion unab­hängiger Deutsch­er) des ehe­ma­li­gen CSU-Vize August Hausleit­ner zusam­men­schloß. Dabei erschien zum ersten­mal der Name DIE GRÜNEN/AUD. Das Pro­gramm war rein auf ökol­o­gis­che Anliegen aus­gerichtet. Ein Jahr später ent­stand 1979 schließlich unter Beteili­gung von GAZ, AUD und ander­er die SPV (Son­stige Poli­tis­che Vere­ini­gung) »Die Grü­nen«. Auch hier soll­ten ide­ol­o­gis­che Rich­tungskämpfe zugun­sten der Umwelt­the­matik zurück­treten, wie der Slo­gan »Wed­er links noch rechts, son­dern vorn« unter­strich.

Nach der Parteigrün­dung im Jan­u­ar wurde im März 1980 in Saar­brück­en das Bun­de­spro­gramm der Grü­nen beschlossen. Gruhl verzichtete auf ein Vor­stand­samt, da dieses Pro­gramm mehr der Logik des Habens als der des Seins verpflichtet wäre. Schon hier grün­dete sich die AGÖP (Arbeits­ge­mein­schaft Ökol­o­gis­che Poli­tik bei den Grü­nen), die aus Mit­gliedern der Grü­nen bestand, die des Übergewichts sozial-und min­der­heit­spoli­tis­ch­er The­men leid waren. Dieses Übergewicht hielt an und ver­stärk­te sich im Zuge der Partei­w­er­dung der Grü­nen. Unpop­uläre Hal­tun­gen wie Wach­s­tum­skri­tik, Spar­forderun­gen in der Sozialpoli­tik und Forderung nach Nach­haltigkeit kon­nten sich gegen die Emanzi­pa­tions­be­stre­bun­gen der Parteilinken nicht durch­set­zen.

Gruhl trat im Jan­u­ar 1981 aus der Grü­nen-Partei aus und grün­dete im Okto­ber 1981 die ÖDP mit. Doch der Kairos ließ sich nicht wieder­holen, und der Erfolg blieb aus. Einen großen Anteil daran hat­ten frühzeit­ig erhobene Faschis­musvor­würfe gegen die neue Partei, die ins­beson­dere an der Kri­tik am Aus­län­derzuzug nach Deutsch­land (und der damit ver­hin­derten Bevölkerungss­chrump­fung als Voraus­set­zung der Ver­ringerung des Ressourcenver­brauchs, die sich bere­its in Gruhls Best­seller find­et) fest­gemacht wur­den. Daraus fol­gte die Ver­wässerung des Pro­gramms, aus dem die Bevölkerungs­frage ver­schwand. Gruhl wurde schließlich 1989 aus der Partei gedrängt. Seine Ver­bit­terung darüber schlug sich in einem zunehmenden Pes­simis­mus, wenn nicht gar Men­schen­feindlichkeit, nieder.

Seine weni­gen verbliebe­nen Getreuen gaben die Hoff­nung, parteipoli­tisch reüssieren zu kön­nen, auf. Sie bilde­ten die Unab­hängi­gen Ökolo­gen (UÖD), die die kleine Zeitschrift Ökolo­gie her­aus­gaben. Es ist beze­ich­nend für den weit­eren Abstieg der­er, die noch an dem ursprünglichen Impuls – der Verbindung von Kul­turkri­tik, Apoka­lyp­tik und Naturschutz – fes­thiel­ten, daß die UÖD schließlich in ein­er Gruhl-Gesellschaft aufging. Damit war das, was als Ansatz zu ein­er plan­e­tarischen Wende ange­fan­gen hat­te, endgültig eine Sache his­torisch­er (per­so­n­en­be­zo­gen­er) Erin­nerung.

Gruhl starb am 26. Juni 1993 in Regens­burg.

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Zitat:

Die Wach­s­tums­fa­natik­er, die seit dem II. Weltkrieg die Welt in Ost und West beherrschen, haben die Völk­er in keinen gerin­geren Rausch ver­set­zt als Hitler sein­erzeit das deutsche Volk. Er ver­sprach das Tausend­jährige Reich in Macht und Wohl­stand. Für ihn gab es keine anderen Gren­zen als die Kraft seines eige­nen Wol­lens. Nach zwölf Jahren war er an den Gren­zen der Mitwelt gescheit­ert.

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Schriften:

  • Ein Plan­et wird geplün­dert. Die Schreck­ens­bi­lanz unser­er Poli­tik, Frank­furt a. M. 1975
  • Das irdis­che Gle­ichgewicht. Ökolo­gie unseres Daseins, Düs­sel­dorf 1982
  • Der atom­are Selb­st­mord, München 1986
  • Über­leben ist alles. Erin­nerun­gen, München 1987
  • Him­melfahrt ins Nichts. Der geplün­derte Plan­et vor dem Ende, München 1992