Fernau, Joachim, Schriftsteller, 1909–1988

Joachim Fer­nau war bis in die frühen achtziger Jahre hinein ein­er der erfol­gre­ich­sten Autoren auf kon­ser­v­a­tiv­er Seite und damit ein­er der weni­gen, denen es gelang, sich als solch­er in den Best­sellerlis­ten zu behaupten.

Fer­nau entstammte ein­er preußis­chen Fam­i­lie mit hugenot­tis­chen Wurzeln. Geboren wurde er am 11.9. 1909 in Bromberg. Prä­gend waren der frühe Tod des Vaters und die Vertrei­bung aus der Heimat­stadt nach dem Ersten Weltkrieg. In Hirschberg legte Fer­nau das Abitur ab und ging 1930 nach Berlin, um als Volon­tär den Jour­nal­is­ten­beruf zu ergreifen. Nach 1933 wurde er ent­lassen und arbeit­ete als freier Jour­nal­ist, u. a. als Son­der­berichter­stat­ter bei den Olymp­is­chen Spie­len. Fer­nau über­legte 1939, sein­er jüdis­chen Fre­undin nach Eng­land zu fol­gen, wurde aber von der Ein­beru­fung über­rascht. Zunächst bei einem Polizei-Batail­lon in Posen einge­set­zt, erfol­gte 1940 die Kom­mandierung zur Waf­fen-SS, die eine eigene Kriegs­berichter-Kom­panie auf­stellte.

Unter­brochen von eini­gen Freis­tel­lun­gen, berichtete Fer­nau zunächst von der Ost­front und war ab Ende 1943 in Paris bei der Feind­pro­pa­gan­da einge­set­zt. Im Rah­men dieser Tätigkeit ver­faßte Fer­nau den Text »Das Geheim­nis der let­zten Kriegsphase«, das den über­hand­nehmenden Par­ti­sa­nen in Frankre­ich den bevorste­hen­den Ein­satz von neuar­ti­gen Waf­fen sug­gerieren sollte. Dieser Text, der ent­ge­gen der ursprünglichen Inten­tion auch auf deutsch und im Völkischen Beobachter erschien, bot in den sechziger Jahren Fer­naus Geg­n­ern Muni­tion für eine Kam­pagne. Bei Kriegsende erfol­gte Fer­naus »Selb­st­de­mo­bil­isierung«; nach der 1949 erfol­gten Ent­naz­i­fizierung als »nicht belastet« gel­tend, begann Fer­nau zunächst als Mitar­beit­er bei ver­schiede­nen Zeitschriften sein Geld zu ver­di­enen.

1952 erschien sein erstes Buch, »Deutsch­land, Deutsch­land über alles«, das sich nach schwierigem Anfang bald zu einem »stillen Best­seller« entwick­elte. Darin bietet er einen »alter­na­tiv­en« Zugang zur deutschen Geschichte an, die seit 1945 vor allem mit den Augen der Sieger betra­chtet wurde. Fer­nau war nicht der einzige, der diese deutsche Sicht ver­trat, aber er war der erfol­gre­ich­ste. Das Buch ist bis heute liefer­bar und dürfte Mil­lio­nen Lesern dieses Bild ver­mit­telt haben. Der Erfolg liegt in der sprach­lichen Gestal­tung begrün­det, die den Leser »an die Hand« nimmt und ihm so, im Stile eines Volks­buch­es, auf Augen­höhe die deutsche Geschichte nahe­bringt. Fer­nau per­fek­tion­ierte diesen Stil im Laufe der Jahre und ver­faßte ähn­lich gelagerte Geschichts­büch­er zum klas­sis­chen Griechen­land, zum Römis­chen Imperi­um, zu den Vere­inigten Staat­en und zu Preußen. Dabei verteilte er seine Sym­pa­thien offen, nahm Partei für die Griechen und für Preußen. Bei den Römern sah er eine Blau­pause für die Dekadenz sein­er Gegen­wart, die Amerikan­er machte er als die Schuldigen am geisti­gen Nieder­gang der Welt aus. Dementsprechend wur­den seine Büch­er immer pes­simistis­ch­er.

Deutsch­land blieb aber eines sein­er Haupt­the­men. Mit Dis­teln für Hagen (1966) ver­suchte er am Beispiel der Nibelun­gen­sage eine Bestand­sauf­nahme der deutschen Seele, die er durch den Gedanken der Treue geprägt sah; in den Genies der Deutschen (1953) wollte er die großen Per­sön­lichkeit­en der deutschen Geis­tes­geschichte als Ideen­träger des Volkes wieder­beleben. Auch in seinen bel­letris­tis­chen Werken ging Fer­nau deutsche The­men an. In Haupt­mann Pax (1954) ist dem Schick­sal und der Lei­dens­fähigkeit des deutschen Sol­dat­en ein Denkmal geset­zt, in Die jun­gen Män­ner (1960) beschreibt Fer­nau beispiel­haft die Wirkung der Machter­grei­fung von 1933, die für den einzel­nen zunächst nicht viel bedeuten mußte und die nicht aus der Zeit gefall­en war, son­dern einen zunächst wenig bemerkenswerten Vor­gang (eine weit­ere neue Regierung) darstellte. Hier flossen, wie auch in den Roman über seine Mut­ter, Ein wun­der­bares Leben (1975), viele per­sön­liche Erfahrun­gen mit ein.

Neben dem Schreiben wid­mete sich Fer­nau der Malerei und der Kun­st­geschichte, u. a. als lei­den­schaftlich­er Kun­st­samm­ler. Er ver­faßte ein Lexikon der Alten Malerei (1958) und eine kurzweilige Stilkunde (1969). Doch tritt dieser Aspekt gegenüber seinen geschichtlichen Best­sellern, zu denen auch seine 1958 erschienene Geschichte der Liebe, Und sie schäme­ten sich nicht, gehört, zurück. Let­ztere provozierte in den fün­fziger Jahren durch ihre rel­a­tive Freizügigkeit noch Wider­spruch und stand kurz vor der Indizierung. Einen zweit­en Skan­dal gab es, als Fer­naus Geg­n­er, darunter vor allem Peter Wap­news­ki, anläßlich des Erscheinens seines Nibelun­gen-Buch­es, den Artikel von 1944 her­vorholten und Fer­nau als Nazi-Autor brand­marken woll­ten. Das war insofern erfol­gre­ich, als daß Fer­nau aus den Feuil­letons der großen Zeitun­gen weit­ge­hend ver­schwand; auf den Absatz sein­er Büch­er, die sich weit­er­hin in den Best­sellerlis­ten fan­den, hat­te es allerd­ings keinen Ein­fluß.

Die sub­ku­tane Wirkung der Büch­er Fer­naus kann auf­grund der großen Ver­bre­itung und leicht­en Les­barkeit kaum über­schätzt wer­den. Sie gaben ein­er Grund­hal­tung Bestä­ti­gung, die sich in der neuen Sicht nach 1945 nicht wiederfind­en kon­nte. Bis heute sind daher ins­beson­dere Fer­naus Büch­er zu Deutsch­land ein erster Augenöffn­er, der allerd­ings nicht mehr massen­haft wirk­sam wer­den kann, weil die fol­gen­den Gen­er­a­tio­nen zunehmend weniger damit anfan­gen kon­nten.

Fer­nau starb am 24. 11. 1988 in Flo­renz.

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Zitat:

Der wahre Inhalt des Fortschritts ist Wech­sel. Mit ein­er Qual­itätssteigerung hat er nichts zu tun, nichts mit ein­er Höher­en­twick­lung, wie man sie fälschlich immer mit dem Wort Fortschritt verbindet! Auch ein Imkreise­drehen wird von der erkrank­ten Seele dur­chaus als Fortschritt emp­fun­den – blick­en Sie um sich, und Sie haben den Beweis vor Augen. Die kranke Seele kon­sum­iert die Bewe­gung wie eine Droge! Zustände, die zuvor von Dauer waren und auch von Dauer sein soll­ten, wer­den jet­zt am laufend­en Band »ver­braucht«.

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Schriften:

  • »Deutsch­land, Deutsch­land über alles« Von Arminius bis Ade­nauer, Old­en­burg 1952
  • Abschied von den Genies. Die Genies der Deutschen und die Welt von mor­gen, Old­en­burg 1953
  • Bericht von der Furcht­barkeit und Größe der Män­ner, Old­en­burg 1954
  • Die jun­gen Män­ner, Berlin 1960
  • Rosen für Apoll. Die Geschichte der Griechen, Berlin 1961
  • Dis­teln für Hagen. Bestand­sauf­nahme der deutschen Seele, Berlin 1966
  • Cäsar läßt grüßen. Die Geschichte der Römer, München 1971
  • Hal­lelu­ja. Die Geschichte der USA, München 1977
  • Sprechen wir über Preußen. Die Geschichte der armen Leute, München 1981
  • Tausend Tage. Frag­mente eines Sol­daten­lebens 1939 und 1940, Schnell­ro­da 2009.

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Lit­er­atur:

  • Gus­tav René Hocke: Schrift­steller und Maler Joachim Fer­nau. Sein malerisches Werk, Wies­baden 1976
  • Götz Kubitschek/Erik Lehn­ert (Hrsg.): Joachim Fer­nau. Leben und Werk in Tex­ten und Bildern, Schnell­ro­da 2009