Gross, Johannes, Publizist, 1932–1999

Johannes Gross, am 6. Mai 1932 in Neunkhausen geboren, stammte aus ein­er kleinen rheinis­chen Ortschaft. Er studierte nach dem Abitur Jura und Philoso­phie, war aber wed­er an ein­er akademis­chen Lauf­bahn noch am Beruf des Recht­san­walts inter­essiert und wandte sich dem Jour­nal­is­mus zu. Er kam früh in die CDU und grün­dete 1954 mit Rüdi­ger Alt­mann die RCDS-Zeitschrift Civis. Bei­de gaben 1958 ein Buch her­aus, das irri­tieren­der­weise den Titel der sozialdemokratis­chen The­o­riezeitschrift Die neue Gesellschaft trug. Darin waren ver­schiedene Essays aus Civis zusam­mengestellt, die schon etwas ahnen ließen von Grossens€™ »exzep­tioneller Wortmächtigkeit«(Konrad Adam) und darüber hin­aus einen eige­nen Ton vernehm­bar macht­en: selb­stver­ständlich nicht links, aber auch nicht kaltkriegerisch, wed­er deutschna­tion­al noch ade­nauer­fromm, mit Wohlwollen auf die Bun­desre­pub­lik blick­end, aber immer zum Spott über das spießige Poli­tikver­ständ­nis der Neudeutschen bere­it.

Über Alt­mann wurde Gross auch Carl Schmitt vorgestellt und gehörte schon Ende der fün­fziger Jahre zu dessen »Hof« (Dirk van Laak). Was ihn anzog, war die Möglichkeit, von Schmitt für einen kul­tivierten Zynis­mus dazuzuler­nen. Die Wertschätzung des Meis­ters für den offen­sichtlich Begabten muß groß gewe­sen sein und wurde auch nicht dadurch beein­trächtigt, daß Gross sein­er lib­eralen Umdeu­tung zuneigte, die es ihm ein­er­seits ermöglichte, als Berater von Lud­wig Erhard (zusam­men mit Alt­mann) den Begriff der »formierten Gesellschaft« zu lancieren, ander­er­seits den Ruch des »Recht­en« stets zu mei­den.

Entsprechend steil ver­lief seine Kar­riere trotz ’68, vom Ressortchef Poli­tik der Deutschen Zeitung über die Leitung der poli­tis­chen Abteilung des Deutsch­land­funks bis zur Chefredak­tion des Wirtschafts­magazins Impulse und zum Vor­standsmit­glied bei Gruner + Jahr. Daneben mod­erierte Gross zwis­chen 1977 und 1984 die »Bon­ner Runde« des ZDF. Auf ern­sthaften Wider­stand traf er eigentlich nur, als er 1983 zusam­men mit Peter Scholl-Latour die Chefredak­tion des Stern übernehmen sollte und dieser Schritt am Wider­stand der Belegschaft gegen den »Recht­sruck« scheit­erte.

Zu dem Zeit­punkt hat­te Gross unter Kon­ser­v­a­tiv­en vor allem einen Namen wegen seines im FAZ-Mag­a­zin erscheinen­den Notizbuchs. Dessen Attrak­tiv­ität lag nicht nur in der intellek­tuellen Kon­ter­bande, die Gross zu schmuggeln ver­stand, son­dern auch in den glänzen­den Apho­ris­men, die er zu for­mulieren wußte; Franz Josef Strauß meinte, Gross küsse jedes sein­er Worte. Darin lag auch die Fest­stel­lung eines beson­ders hohen Maßes an Eit­elkeit eines sehr begabten Mannes, der allerd­ings früh – in seinen Büch­ern Die Deutschen (1967) und Absagen an die Zukun­ft (1970) – hat­te erken­nen lassen, daß die entschei­den­den poli­tis­chen Fra­gen erledigt, jeden­falls keine Anstren­gung von sein­er Seite mehr wert seien.

Gross starb über­raschend am 29.9.1999 in Köln.

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Zitat:

Ein Grun­dele­ment der Ver­fas­sung als Krisen­sicherungsan­lage ist neben der Gewal­tenteilung das Miß­trauen gegen das Volk. Die her­zliche Abnei­gung der Parteien, die 1949 schon als Machthaber etabliert, alles Plebisz­itäre als gefährlich, ja undemokratisch verabscheuten,könnte durch die san­ft­mütige Rev­o­lu­tion der Ost­deutschen eines Guten belehrt wor­den sein; doch wer so denkt, der ken­nt nicht die poli­tis­che Psy­cholo­gie. Die Krisen­sicherungsan­lage ist ein Mon­u­ment pos­i­tiv­er Ängstlichkeit und im Ernst nie erprobt wor­den, weil die Gefahren, mit denen die Ver­fas­sungs­ge­ber rech­neten, just die nicht waren, die auftreten kon­nten.

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Schriften:

  • mit Rüdi­ger Alt­mann Die neue Gesellschaft, Stuttgart 1958
  • Die Deutschen, Stuttgart 1967
  • Absagen an die Zukun­ft, Frank­furt a. M. 1970
  • Unsere let­zten Jahre, Berlin (West) 1985
  • Begrün­dung der Berlin­er Repub­lik, Stuttgart 1995