Laboe – Marine-Ehrenmal: Schleswig-Holstein, 20 km nordöstlich von Kiel

Wei­thin sicht­bar prägt die über der Ost­see aufra­gende Sil­hou­ette des Marine-Ehren­mals das Gesicht der Kiel­er Außen­förde. Sein in ein­er expres­sion­is­tis­chen, aber klaren For­men­sprache gehal­tener 85 Meter hoher Turm bietet dabei Anlaß zu viel­er­lei Inter­pre­ta­tio­nen. Ist er dem Steven eines Wikinger­schiffes nachemp­fun­den, den Umris­sen eines U‑Boot-Turmes, dem
auf­peitschen­den Meer oder einem gewalti­gen Segel? Der Architekt Gus­tav August Mun­z­er wollte nach eigen­er Aus­sage ein Bauw­erk schaf­fen, das mit der See und der Erde gle­icher­maßen ver­bun­den ist und gen Him­mel steigt »wie eine Flamme, den Helden zum Andenken und den Glauben kräfti­gend an eine bessere Zukun­ft Deutsch­lands«.

Die Idee für die Errich­tung eines Marine-Ehren­mals ging von dem ehe­ma­li­gen Ober­maat Wil­helm Lam­mertz aus. 1925 schlug er dem Deutschen Marineb­und vor, eine Gedenkstätte für die 34 836 auf See gebliebe­nen Mari­nesol­dat­en zu erricht­en. Ein Jahr später wurde der Bau beschlossen. Als Stan­dort kam naturgemäß nur die unmit­tel­bare Nähe zur Küste in Frage. Die Gemeinde Laboe bot kosten­los ein Gelände an, auf dem bish­er ein Panz­er­turm ges­tanden hat­te, der nach dem Ver­sailler Ver­trag abge­baut wer­den mußte. Der Stan­dort an der äußeren Kiel­er Förde bot neben sein­er Küsten­nähe noch andere Vorteile, so z. B. eine gute Verkehrsan­bindung für seine Besuch­er und die Möglichkeit, der inter­na­tionalen Schif­fahrt zu demon­stri­eren, wie Deutsch­land die Gefal­l­enen der Kaiser­lichen Marine ehrte; denn alle Schiffe zum oder vom Kaiser-Wil­helm-Kanal (heute Nord-Ost­see-Kanal) passieren das Ehren­mal, eben­so die den Kiel­er Hafen ein- und aus­laufend­en Schiffe.

Nach einem eingeschränk­ten Architek­tur­wet­tbe­werb wurde am 8. August 1927 von Admi­ral Rein­hard Scheer der Grund­stein zum Marine-Ehren­mal gelegt. Aber erst im Juni 1929 kon­nten die Bauar­beit­en begin­nen, die mit Unter­brechun­gen bis 1936 dauerten; denn die Kosten für die Errich­tung des Ehren­mals von etwa 800 000 Reichs­mark wur­den über­wiegend durch Spenden aus der Bevölkerung und von den Marin­ev­ere­inen geleis­tet. Auf ein­er Gesamt­fläche von 5,7 Hek­tar, was ein­er Größe von nahezu acht Fußballfeldern entspricht, gehören zu der Anlage neben dem markan­ten, als Wahrze­ichen aus­ge­bilde­ten Turm eine unterirdis­che Wei­he­halle (heute Gedenkhalle), die His­torische Halle mit zahlre­ichen Schiff­s­mod­ellen und anderen marine- und schif­fahrts­geschichtlichen Exponat­en sowie eine 7 000 Quadrat­meter große, mit Weser­sand­stein belegte Fläche. Die Baut­en sind weit­ge­hend mit dem für Nord­deutsch­land typ­is­chen Klink­er­stein errichtet bzw. verblendet. Teile des Turmes (beson­ders zur See­seite) wur­den allerd­ings mit Natursteinen umman­telt.

Am 30. Mai 1936, dem Tag vor dem 20. Jahrestag der Skager­rakschlacht, die als größte Seeschlacht der Geschichte gilt und bei der sich die zahlen­mäßig kleinere deutsche Flotte gegenüber der britis­chen behaupten kon­nte, wurde das Ehren­mal in Gegen­wart von Adolf Hitler und Vizead­mi­ral Adolf von Trotha eingewei­ht. Hitler, der dem Expres­sion­is­mus ablehnend gegenüber­stand und für Mon­u­men­tal­baut­en eine klas­sizis­tis­che oder roman­is­che For­men­sprache als verbindlich ansah, war von der Architek­tur des Marine-Ehren­mals nicht begeis­tert. In seinen von Hen­ry Pick­er im Führerhaup­tquarti­er aufgeze­ich­neten Tis­chge­sprächen beze­ich­nete er es im Juli 1942 »mit seinem verkehrt herumgestell­ten Schiffs­bug« als ein »Kitsch­pro­dukt  son­der­gle­ichen«.

Nach dem Ende des Zweit­en Weltkrieges wurde das nahezu unz­er­störte Ehren­mal von der britis­chen Besatzungs­macht beschlagnahmt. Der Deutsche Marineb­und wurde aufgelöst. Als 1946 der Alli­ierte Kon­troll­rat den Beschluß faßte, alle nation­al­sozial­is­tis­chen Museen und Denkmäler in Deutsch­land zu zer­stören, dro­hte auch das Marine-Ehren­mal gesprengt zu wer­den. Doch glück­licher­weise nahm man davon Abstand, da das Ehren­mal nicht den Krieg ver­her­rliche, son­dern ein »per­sön­lich­er Trib­ut« für die »im Dienst des Lan­des gefal­l­enen Ange­höri­gen der Marine« sei. 1954 gaben die Briten dem im Jahre 1952 neuge­grün­de­ten Deutschen Marineb­und das Ehren­mal zurück.

Obgle­ich das Äußere des Marine-Ehren­mals seit sein­er Ein­wei­hung 1936 unverän­dert geblieben ist, hat es von sein­er Sin­nge­bung her – was sich auch in sein­er inneren Gestal­tung wider­spiegelt – einen klaren Bedeu­tungswan­del erfahren. Das zeigt sich nicht zulet­zt in den ver­schiede­nen Wid­mungen, die das Ehren­mal bekom­men hat. 1936 hieß es: :»Für deutsche See­mannsehr’ /
Für Deutsch­lands schwim­mende Wehr / Für bei­der Wiederkehr«. Bei der Wieder­eröff­nung 1954 wurde die Wid­mung auch auf den Kriegs­geg­n­er aus­gedehnt: »Dem Gedenken aller toten deutschen Seefahrer bei­der Weltkriege und unser­er toten Geg­n­er«. Die 1996 vol­l­zo­gene Umwid­mung »ver­wässerte« das Gedenken noch weit­er: »Gedenkstätte für die auf See Gebliebe­nen aller Natio­nen / Mah­n­mal für eine friedliche Seefahrt auf freien Meeren«.

Der sich in den unter­schiedlichen Wid­mungen aus­drück­ende Zeit­geist tat sich auch in viel­er­lei Umbe­nen­nun­gen, Umgestal­tun­gen und einem Objek­taus­tausch kund: Die unterirdis­che Wei­he­halle wurde in »Gedenk- und Mahn­halle« umbe­nan­nt. Die 16 Flaggen der Kaiser­lichen bzw. Reichs­ma­rine, die dort hin­gen, wur­den gegen 19 Nation­al­wim­pel beliebiger seefahrt­treiben­der Staat­en aus­ge­tauscht. In der His­torischen Halle »ertrinken« seit ihrer let­zten Umgestal­tung 2010 die Wände, Tafeln und die Bilder in ein­er Textflut, die nicht zulet­zt die »neg­a­tiv­en Seit­en« der
Kriegs­ma­rine her­vorhebt.

Wie andere deutsche Kriegermale wird auch Laboe regelmäßig geschän­det und mit Farbe beschmiert. 1986 veröf­fentlichte der Stu­di­en­rat Hannes Hansen ein Buch mit dem Titel Vorschlag, das Marine-Ehren­mal Laboe von dem amerikanis­chen Kün­stler Chris­to ein­pack­en zu lassen. Darin ver­höh­nt er das Ehren­mal als einen »Phal­lus«, dem ein Präser­v­a­tiv überge­zo­gen wer­den müsse. Jan Philipp Reemts­ma nan­nte Laboe einen »nazis­tis­chen Phal­lus«.

Der vol­lkommene Man­gel an Pietät gegenüber den eige­nen Gefal­l­enen ist mit­tler­weile der­art kennze­ich­nend für die bun­des­deutsche Gesellschaft gewor­den, daß sich auch der Deutsche Marineb­und dem nicht mehr entziehen mochte. Nach wie vor Eigen­tümer des Ehren­mals, ste­ht der Marineb­und nicht nur hin­ter der zeit­geistkon­for­men Umwid­mung der Anlage, son­dern stößt sich offen­sichtlich nicht daran, unmit­tel­bar über der unterirdis­chen Gedenkhalle, aus finanziellen Erwä­gun­gen her­aus, Freilicht­spek­takel zu ver­anstal­ten, wie z. B. die Auf­führung der Ver­di-Oper Nabuc­co. Ein Sieg der kom­merziellen bun­des­deutschen Event-»Kultur« über das Totenge­denken.

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Lit­er­atur:

  • Dieter Hartwig/Reinhard Scheib­lich: Das Marine-Ehren­mal in Laboe. »Für die Ewigkeit zeit­los und klar… «, Ham­burg 2004
  • Thorsten Prange: Das Marine-Ehren­mal zu Laboe. Geschichte eines deutschen Nation­al­sym­bols, Wil­helmshaven 1996