Rassen und Rassenbildung beim Menschen — Ilse Schwidetzky, 1979

Nach­dem die deutsche Anthro­polo­gie und viele führende Anthro­polo­gen, ins­beson­dere der »Berlin­er Schule« um Eugen Fis­ch­er, durch ihre Ver­strick­ung in den Nation­al­sozial­is­mus und seine Ver­brechen stark belastet waren, hat­te die Mainz­er Anthro­polo­gin Ilse Schwidet­zky nach dem Krieg einen großen Anteil an der Wieder­her­stel­lung der deutschen Anthro­polo­gie. Auch bei ihrer Wiedere­ingliederung in die inter­na­tionale Wis­senschaft, wobei ihre Sprachken­nt­nisse und Kon­tak­te zu vie­len aus­ländis­chen Kol­le­gen hil­fre­ich waren. Schwidet­zky, eine Schü­lerin von Egon von Eick­st­edt, der die »Bres­lauer Schule« der deutschen Anthro­polo­gie begrün­det hat­te, ver­trat dabei eine klas­sis­che Form der Anthro­polo­gie mit Schw­er­punkt auf der Bevölkerungs­bi­olo­gie leben­der und his­torisch­er Bevölkerun­gen.

Ihr 1979 erschienenes Buch Rassen und Rassen­bil­dung beim Men­schen ist mit 130 Seit­en ein knappes, konzen­tri­ertes Lehrbuch für den Hochschulbe­darf. Es bein­hal­tet sowohl die method­is­chen Grund­la­gen, ein­schließlich der mod­er­nen sta­tis­tis­chen Meth­o­d­en, als auch die evo­lu­tions-biol­o­gis­che Entste­hung der ver­schiede­nen – haupt­säch­lich mor­phol­o­gis­chen und sero­genetis­chen – Merk­male und der Pop­u­la­tion­sun­ter­schiede. Ein Überblick über die ver­schiede­nen Erdteile schließt das Buch ab. Dabei wer­den nicht nur die unter­schiedlichen Rassen­typen und ihre Verteilung beschrieben, son­dern immer auch die empirischen Unter­suchun­gen und Meth­o­d­en, auf denen deren Ken­nt­nis beruht. Die kurze und ein­prägsame Form der Darstel­lung und der gün­stige Preis haben dem Buch eine weite Ver­bre­itung als Lehrbuch gesichert.

Die »Bres­lauer Schule« war bis Anfang der achtziger Jahre führend in der deutschen Anthro­polo­gie, bis sie von ein­er »Göt­tinger Schule« (u. a. Bernd Her­rmann) mit poli­tisch kor­rek­ter Aus­rich­tung abgelöst wurde, in der die klas­sis­chen The­men der mor­phol­o­gis­chen, geo­graphis­chen und sozialen Vari­abil­ität des Men­schen tabuisiert sind, und die sich in erster Lin­ie als tech­nis­che Hil­f­swis­senschaft der Archäolo­gie ver­ste­ht (»Umwelt­geschichte«, »Archäome­trie«). In jüng­ster Zeit hat vielfach die mod­erne Human­genetik mit der Erforschung der geo­graphis­chen und eth­nis­chen Vari­abil­ität der DNS The­men der Anthro­polo­gie aufgenom­men.

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Zitat:

Eine Rei­he mod­ern­er sta­tis­tis­ch­er Unter­suchun­gen hat die älteren Type­n­sys­teme, die im wesentlichen auf Anschau­ung beruht­en, in wichti­gen Zügen bestätigt.

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Lit­er­atur:

  • Uwe Hoßfeld: Geschichte der biol­o­gis­chen Anthro­polo­gie in Deutsch­land. Von den Anfän­gen bis in die Nachkriegszeit, Stuttgart 2005