1648 — Der Westfälische Friede beendet den Dreißigjährigen Krieg

Zwis­chen dem 15. Mai und dem 24. Okto­ber 1648 schlossen die Kon­tra­hen­ten des Dreißigjähri­gen Krieges in Mün­ster und Osnabrück jene Verträge, die in ihrer Gesamtheit als der „West­fälis­che Friede“ beze­ich­net wer­den. Bere­its 1643 hat­ten die Vorver­hand­lun­gen begonnen, ohne daß während­dessen die Waf­fen schwiegen: Es tagten in Osnabrück Kaiser­liche, die Reichsstände und Schwe­den, und — unter päp­stlich­er Ver­mit­tlung — in Mün­ster die mehrheitlich katholis­chen Parteien, das heißt Spanien, Frankre­ich und die Kaiser­lichen, sowie die Nieder­lande.

Zwar war mit dem Frieden von Prag (1635) der „teutsche“ Krieg been­det wor­den, doch focht­en die anderen europäis­chen Mächte — Schwe­den, Frankre­ich, Spanien — ihre Gegen­sätze weit­er­hin auf Reichs­ge­bi­et aus. Seit Luthers The­se­nan­schlag (1517) und dem Augs­burg­er Reli­gions­frieden (1555) über­lagerte die Auseinan­der­set­zung um das rechte Beken­nt­nis die Friedens- und Recht­sor­d­nung im Reich, die zwar mit der „Cuius regio, eius religio“-Formel einen ersten, einst­weili­gen Abschluß gefun­den hat­te, aber let­ztlich ungelöst blieb. Dem Siegeszug des Protes­tantismus fol­gten die gegen­re­for­ma­torischen Bestre­bun­gen der katholis­chen Stände.

Organ­isiert in der protes­tantis­chen Union und der katholis­chen Liga, standen sich bei­de Grup­pen arg­wöh­nisch gegenüber. Das müh­sam aus­tari­erte Kon­fes­sion­s­gle­ichgewicht zer­fiel mit der Wahl des Kur­fürsten von der Pfalz, Friedrichs V., zum böh­mis­chen König (1619) eben­so wie die hab­s­bur­gis­che Herrschaft über die Län­der der Wen­zel­skro­ne. Dem fol­gten: pfälzis­ch­er Krieg, dänis­ch­er Krieg, schwedis­ch­er Krieg und schließlich franzö­sis­ch­er Krieg; alle europäis­chen Mächte ver­sucht­en, über die Zwistigkeit­en im Reich eigene Inter­essen durchzuset­zen.

Dank der Wal­len­stein­schen Finanzmit­tel und Armeen obsiegte zuerst die kaiser­lich-hab­s­bur­gis­che Seite. Doch ins­beson­dere mit dem Resti­tu­tionsedikt von 1629 überspan­nte Fer­di­nand II. den Bogen des Durch­set­zbaren, indem er die Axt an die Wurzeln des Reli­gions­friedens legte und die Ref­or­ma­tion in Deutsch­land qua­si zu liq­ui­dieren tra­chtete. Damit rief er Schwe­den auf den Plan. Keine Seite war bis auf weit­eres stark genug, den Sieg zu errin­gen, und die Schlacht­en von Bre­it­en­feld (1631), Rain am Lech (1632) oder Lützen (1634) bracht­en alle­samt keine poli­tisch aus­münzbaren mil­itärischen Erfolge. Einzig bei Rocroi (1643) schlu­gen Spanier und Fran­zosen eine Entschei­dungss­chlacht, die den Nieder­gang der spanis­chen Hege­monie in Wes­teu­ropa besiegelte.

Mit der lan­gen Dauer des Krieges ent­stand in Deutsch­land das, was in den rezen­ten Kon­flik­ten des 20. und 21. Jahrhun­derts „Kriegsökonomien“ heißt, deren Akteure von der Fort­dauer des Krieges größere materielle Vorteile erwarten als vom friedlichen Miteinan­der. Es ist die let­zte Phase nicht­staatlichen, mil­itärischen Krieg­sun­ternehmer­tums in großem Stile, für die emblema­tisch der Name Wal­len­steins mit seinem Dik­tum, daß der Krieg den Krieg ernähren müsse, ste­ht.

„Pax opti­ma rerum“, die nach­ma­lige Devise des West­fälis­chen Friedens, galt also keineswegs für alle, so daß auch die Frage der Paz­i­fizierung, der „Abdankung der Kriegsvölk­er“, ein wesentlich­es Prob­lem der neuen Frieden­sor­d­nung bildete. Der West­fälis­che Friede markiert aber noch in ein­er ganz anderen Weise eine europäis­che Zäsur ersten Ranges, denn mit dem Frieden von Mün­ster und Osnabrück endigte nicht nur ein Krieg, son­dern zahlre­iche Prinzip­i­en trat­en in Kraft, die bis ins frühe 21. Jahrhun­dert prä­gend blieben: ein europäis­ches „ius gen­tium“, das ins­beson­dere auf den Schriften des bedeu­ten­den Gelehrten Hugo Grotius (1583–1645) fußt — De iure bel­lo ac pacis (1625). Darunter fall­en u.a. die Festschrei­bung des staatlichen Gewalt­monopols und die Grun­dregeln des diplo­ma­tis­chen Verkehrs der Mächte untere­inan­der. All jene Prinzip­i­en des bis in die jüng­ste Ver­gan­gen­heit anerkan­nten Kriegsvölk­er­rechts wer­den um das west­fälis­che Friedenswerk herum greif­bar.

Für Deutsch­land brachte der West­fälis­che Friede das Ende der uni­versellen Reich­sidee, und er zemen­tierte die kon­fes­sionelle Spal­tung in ein „cor­pus catholico­rum“ und ein „cor­pus evan­gelico­rum“. Die Schei­dung zwis­chen katholisch und protes­tantisch, die geo­graphisch zudem Nord- und Süd­deutsch­land tren­nte, blieb bis zum Ende des Alten Reich­es und sein­er Insti­tu­tio­nen (1806) ein kon­sti­tu­tives Ele­ment, das bere­its den — teil­weise kon­fes­sionell vorgeprägten — Antag­o­nis­mus Preußen/Österreich prä­fig­uri­ert, der im 18. Jahrhun­dert der kaiser­lichen Gewalt noch weit­ere Ein­bußen bere­it­ete.

Mit dem West­fälis­chen Frieden ging eine ter­ri­to­ri­ale Schmälerung des Reichs­ge­bi­ets ein­her, indem die Nieder­lande und die Eidgenossen­schaft (Schweiz) endgültig aus dem Reichsver­band auss­chieden, während mit Schwe­den und Frankre­ich auswär­tige Mächte die Reichs­stand­schaft erlangten und mithin im Reich­stag zu Regens­burg vertreten waren. Schwe­den gewann u.a. Vor­pom­mern und Bre­men, während Frankre­ich in Lothrin­gen mit Metz, Toul und Ver­dun und im Elsaß Gebi­ets­gewinne erzielte — wesentlich waren hier z.B. die Brückenköpfe/Festungen Philipps­burg und Breisach.

Reich­srechtlich umris­sen die Bes­tim­mungen des West­fälis­chen Friedens zusam­men mit der Gold­e­nen Bulle von 1356 den kon­sti­tu­tionellen Rah­men der weit­eren Entwick­lung. Hier errang die fürstliche „Lib­ertät“ endgültig die Ober­hand über die kaiser­liche Zen­tral­ge­walt. Bay­ern behielt die nun­mehr achte Kur­würde, und für die Resti­tu­tion der kirch­lichen Besitzver­hält­nisse set­zte das „Nor­mal­jahr“ 1624 den ter­ri­to­ri­alen Bezugspunkt. Der all­ge­meine Friede bedurfte noch der Präzisierung in Einzelbes­tim­mungen, die in den Jahren 1649/50 auf dem Nürn­berg­er Exeku­tion­stag ver­han­delt und in Form eines Reich­srezess­es und eines Reich­stagsab­schieds (1650) beschlossen wur­den.

Die Zeitgenossen würdigten den Friedenss­chluß als Segen, und in der barock­en Dich­tung eines Gryphius und eines Opitz find­et die all­ge­meine Friedenssehn­sucht ihren Aus­druck. Beredt bekla­gen sie die Ver­heerun­gen im Reich, dessen Bevölkerung in sum­ma durch Krieg und Seuchen wie die Pest um ein Drit­tel schrumpfte, dessen Han­del und dessen Gewerbe der­art darnieder­la­gen, daß sich die am meis­ten ver­wüsteten Gebi­ete am Ober­rhein und in Mit­teldeutsch­land für viele Gen­er­a­tio­nen nicht mehr davon erholten. Vom bes­tialis­chen Furor ein­er völ­lig ent­men­scht­en Sol­dates­ka zeu­gen zahlre­iche Abbil­dun­gen und Schriften, unter denen Grim­melshausens Sim­pli­cis­simus her­vorsticht.

In der Nach­schau gilt der West­fälis­che Friede als erster großer europäis­ch­er Friedenss­chluß, der dem Prinzip des ver­han­del­ten Inter­esse­naus­gle­ichs unter Gle­ichen fol­gte. Moral­isierende Ver­ant­wor­tungs- oder gar Schuldzuweisun­gen fan­den hier keinen Raum. Mit den Obliv­ion­sklauseln und der Gen­er­alamnestie für Untat­en, die nach 30 Jahren wed­er aufgek­lärt noch abgeurteilt wer­den kon­nten, trug man dem Wesen des zurück­liegen­den Krieges Rech­nung. Es war damit einem Geist küh­ler diplo­ma­tis­ch­er Ratio­nal­ität der Boden bere­it­et, der für den Verkehr der europäis­chen Staat­en untere­inan­der für reich­lich 300 Jahre prä­gende Maßstäbe set­zte.

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Lit­er­atur:

  • Max­i­m­il­ian Lanzin­ner: Neuere Forschun­gen zum West­fälis­chen Frieden­skon­greß und die Acta Pacis West­phal­i­cae, in: His­torisches Jahrbuch 133 (2013), S. 426–462
  • Kon­rad Rep­gen: Dreißigjähriger Krieg und West­fälis­ch­er Friede, Pader­born 1998
  • Edgar Wol­frum: Krieg und Frieden in der Neuzeit. Vom West­fälis­chen Frieden zum Zweit­en Weltkrieg, Darm­stadt 2002