Die Juden als Rasse — Salcia Landmann, 1967

Wer nach dem Zweit­en Weltkrieg ein Buch mit solchem Titel schrieb, kon­nte das nur als Jude tun, und selb­st dann stand zu erwarten, daß er den Sinn des Rassen­be­griffs im jüdis­chen Fall bezweifeln werde und keines­falls, daß sich im Vor­wort ein Dik­tum wie das fol­gende fände: »Es war kein Nazi und nicht ein­mal ein soge­nan­nter Ari­er, son­dern der jüdisch-englis­che Staats­mann Dis­raeli, der den Satz prägte: “Die Rassen­frage ist der Schlüs­sel zur Welt­geschichte.” Dies gilt für alle Völk­er. Es gilt – wir wer­den das noch aufzeigen – ins­beson­dere für die Juden.«

Das Buch Die Juden als Rasse der Judaistin und allzeit stre­it­baren Autorin Sal­cia Land­mann strotzt vor solchen und ähn­lichen Pro­voka­tio­nen: von der Behaup­tung, daß der »Ari­er­para­graph« stu­den­tis­ch­er Verbindun­gen ein ver­ständlich­er Selb­stschutz war, über die Fest­stel­lung, daß der Abschluß der Aschke­nasen zu ein­er Steigerung des Intel­li­gen­zpo­ten­tials, die frühere Emanzi­pa­tion der wes­teu­ropäis­chen Juden zu dessen Nieder­gang führte, bis zu der Annahme, daß die Unfähigkeit des Schrift­stellers Ilja Ehren­burg, anschauliche Schilderun­gen zu schreiben, eben darauf zurück­zuführen ist, daß es sich um einen »beduinis­chen Juden« han­delt. Land­mann betra­chtete die Juden natür­lich nicht als eine Art Urrasse und betonte die Het­ero­gen­ität, sprach aber ganz selb­stver­ständlich von den »Ari­ern« als den »Wirtsvölk­ern« der jüdis­chen Min­der­heit und nahm die Aver­sion als Fak­tum hin, das zu beseit­i­gen nicht in der Macht des Men­schen liege. Diese Aver­sion wog aus ihrer Sicht um so schw­er­er, als bei­de Völk­er­grup­pen oder Rassen ver­wandt sind und ger­ade gewisse Ähn­lichkeit­en die Feind­schaft schürten. Der war durch Assim­i­la­tion nie beizukom­men, und für die Bestre­bun­gen von Juden zu Nichtju­den zu wer­den, hat­te sie nur milden Spott übrig. Sal­cia Land­mann lebte ganz aus dem Stolz ein­er alten großen Über­liefer­ung, ein­er Frau, die ein­er bedeu­ten­den Rab­bin­er­fam­i­lie Altöster­re­ichs entstammte, und aus dem Bewußt­sein, daß es nur eine »Lösung« der jüdis­chen Frage geben kon­nte: die Schaf­fung eines jüdis­chen Staates, in dem die Juden ihrer Eige­nart gemäß leben sollen, auch wenn dessen dauer­hafter Bestand ihr zweifel­haft erschien.

Die Juden als Rasse gehört zu den heim­lichen Best­sellern der Nachkriegszeit, es sind immer wieder Nach­drucke und Neuau­fla­gen erschienen. Argu­men­ta­tiv war Sal­cia Land­mann in jedem Fall zwei anderen jüdis­chen Autoren über­legen, die sich mit der jüdis­chen Iden­tität beschäftigten, William S. Schlamm (Wer ist Jude?, 1964) und Arthur Koestler (Der dreizehnte Stamm, 1976). Was alle drei ver­band, war übri­gens die Sym­pa­thie für die poli­tis­che Rechte. Schlamm gehörte zu den pro­fil­iertesten kon­ser­v­a­tiv­en Autoren der sechziger und siebziger Jahre, Koestler war Mit­glied im Comité de Patron­age der neurecht­en Nou­velle Ecole, und Sal­cia Land­mann schrieb am Ende ihres Lebens mit ein­er gewis­sen Regelmäßigkeit für die Junge Frei­heit.

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Zitat:

Hat man die Rasse oder Rassenkom­po­si­tion eines Volkes eruiert, dann kann man dur­chaus die Frage stellen: Welche Bedeu­tung haben ger­ade diese ras­sis­chen Fak­toren für die his­torische und kul­turelle Entwick­lung des betr­e­f­fend­en Volkes? Denn worin immer die Rassen­fa­natik­er der Naz­izeit und ihre Vor­läufer im 19. Jahrhun­dert geir­rt und gesündigt haben mögen – in der Annahme, daß die biol­o­gis­che Beson­der­heit des Men­schen bis in seine let­zte geistige Äußerung hinein spür­bar bleibt, irrten sie nicht.

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Aus­gabe:

  • Taschen­buch, Berlin: Ull­stein 2001

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Lit­er­atur:

  • Nein, nein, du bist keine Jüdin! Hen­ning von Vogel­sang im Gespräch mit Sal­cia Land­mann, Bad Schussen­ried 2001