Bautzen – Gefängnis

Mit der Lan­desstrafanstalt Bautzen wurde im Jahr 1904 am nördlichen Rand der Kle­in­stadt die damals mod­ern­ste Strafvol­lzugsanstalt Sach­sens ihrer Bes­tim­mung übergeben. Bere­its in dieser Zeit erhielt das aus gel­ben Klink­ern errichtete Gebäude den berüchtigten Beina­men »Gelbes Elend«. In den dreißiger Jahren gehörte »Bautzen I« zu den sieben größten Gefäng­nis­sen in Deutsch­land. Auch poli­tis­che Gefan­gene inhaftierte man hier, u.a. den Kom­mu­nis­ten­führer Ernst Thäl­mann von 1943 bis 1944.

Zwis­chen 1902 und 1906 ent­stand an der Less­ingstraße in der Bautzen­er Ostvorstadt ein weit­er­er Vol­lzugskom­plex, der ursprünglich 134 Einzel‑, 23 Dreimann‑, zwei Durchgangs‑, vier Kranken- und fünf Arrestzellen umfaßte. Diese Haf­tanstalt »Bautzen II« wurde im Jahr 1933 offiziell zur Zweig­stelle von »Bautzen I«.

»Bautzen II« diente zwis­chen 1933 und 1945 als Gerichts­ge­fäng­nis und zur Unter­bringung soge­nan­nter Schutzhäftlinge der SA. Nach dem Kriegsende 1945 unter­hielt die sow­jetis­che Mil­itärver­wal­tung dort bis 1949 ein Unter­suchungs­ge­fäng­nis. Ab 1949 unter­stand die Haf­tanstalt als Unter­suchungs­ge­fäng­nis »Bautzen II« dem Jus­tizmin­is­teri­um der DDR, wurde 1951 der Ver­wal­tung des Innen­min­is­teri­ums übergeben und unter­stand seit 1956 fak­tisch der Kon­trolle des Min­is­teri­ums für Staatssicher­heit (MfS). Die Stasi war im »Son­der­ob­jekt für Staats­feinde«, wie die Haf­tanstalt intern genan­nt wurde, mit beson­deren Zugriffs- und Auf­sicht­srecht­en aus­ges­tat­tet.

Der offizielle Sprachge­brauch der DDR kan­nte keine poli­tis­chen Häftlinge. Das wurde vom Jus­tizmin­is­teri­um im Jahr 1951 unter­sagt: »Wer unsere antifaschis­tisch demokratis­che Ord­nung angreift… bege­ht eine straf­bare Hand­lung… Die Strafge­fan­genen dieser Art sind deshalb auch keine poli­tis­chen Gefan­genen, son­dern krim­inelle Ver­brech­er. Die Beze­ich­nung dieser Strafge­fan­genen als poli­tis­che Häftlinge wird daher hier­mit unter­sagt.«

»Ab nach Bautzen!« galt umgangssprach­lich als schlimm­ste Dro­hung für den, der sich dem SED-Staat ver­weigerte. »Bautzen II« war die meist­ge­fürcht­este Haf­tanstalt der DDR, berüchtigt als der »Stasi-Knast« und damit Sym­bol des sozial­is­tis­chen Regimes. Im Hochsicher­heit­strakt mit rund 200 Plätzen wur­den ins­beson­dere promi­nente oder dem Staat­sap­pa­rat gefährliche Häftlinge — Regimegeg­n­er, Fluchthelfer, Spi­one, ehe­ma­lige NSDAP-Funk­tionäre, »Repub­lik­flüchtlinge« — inhaftiert. Am Klin­gelschild stand »Volk­spolizeikreisamt« und »Staat­san­waltschaft«. Das Straf­maß der »Poli­tis­chen« wurde zwis­chen Jus­tiz, MfS und SED-Orga­nen abges­timmt. Nach dem Urteil und der Ein­liefer­ung nach Bautzen war der Häftling der Willkür der Staatssicher­heit aus­geliefert.

Einzelzellen und ein eigen­er Iso­la­tion­strakt, spezielle Arbeit­szellen für Einzelper­so­n­en und separi­erte Gefäng­nishöfe bilde­ten das äußere Sys­tem der total­en Iso­la­tion. Häftlin­gen dro­hte die Arrestzelle mit wegschließbar­er Toi­lette. Die Häftlinge in »Bautzen II« wur­den sys­tem­a­tisch ihrer Per­sön­lichkeit beraubt. Vie­len Gefan­genen war jeglich­er Kon­takt zur Außen­welt ver­boten.

Iso­la­tion war Haft­prinzip in »Bautzen II«. Zel­len­fen­ster wur­den bis auf einen kleinen Schlitz zuge­mauert, wobei es wed­er Tisch noch Stuhl oder eine Pritsche in den 2,50 Meter mal 1,50 Meter kleinen, nicht beheizbaren Zellen gab. An der Zim­merdecke war eine Lampe ange­bracht, die alle halbe Stunde eingeschal­tet wurde, wenn die Auf­se­her die Zellen durch einen »Spi­on« kon­trol­lierten. Zweimal am Tag wurde ein Not­durftkü­bel in den Raum gestellt, am Abend eine Holzpritsche in die Zelle gegeben. Gefan­gene im Stasi-Knast »Bautzen II« durften unaufge­fordert wed­er sprechen noch sin­gen, nicht pfeifen. Schreib­sachen in der Zelle waren zumin­d­est bis in die siebziger Jahre hinein weit­ge­hend ver­boten.

Zur Überwachung der Häftlinge set­zte das MfS ver­steck­te Kam­eras und Mikro­phone sog­ar im Iso­la­tion­strakt ein. Hin­ter Putz und mehreren Farb­schicht­en ver­steckt, wur­den auf diese Weise die sel­te­nen Gespräche der Häftlinge in der soge­nan­nten »Ver­bote­nen Zone« kon­trol­liert. Verbindung­sof­fiziere des MfS überwacht­en das Per­son­al, den Haf­tall­t­ag sowie die Außenkon­tak­te der Gefan­genen. In der MfS-Kreis­di­en­st­stelle, die sich in unmit­tel­bar­er Nähe zum Gefäng­nis­trakt befand, kon­nten die ver­wanzten Zellen und Besprechungsräume abge­hört wer­den. Zur Überwachung set­zte die Stasi Spitzel beim Gefäng­nis­per­son­al wie auch unter den Inhaftierten ein.

In »Bautzen II«, wo auf zwei Gefan­gene ein Bedi­en­steter kam, wur­den zahlre­iche Promi­nente in Haft gehal­ten: vom ersten Außen­min­is­ter der DDR, Georg Dertinger, über den Schrift­steller Erich Loest bis zu den Opfern der poli­tis­chen Säu­berung von 1956 wie Wal­ter Jan­ka und Wolf­gang Harich. Für Rudolf Bahro, den pro­fil­iertesten Dis­si­den­ten und intellek­tuellen Kopf der DDR-Oppo­si­tion, wurde 1979 ein eigen­er Iso­la­tion­strakt herg­erichtet.

Im öffentlichen Bewußt­sein wurde zwis­chen »Bautzen« I und II vielfach nicht unter­schieden; teil­weise war es in der Öffentlichkeit nicht bekan­nt, daß es in Bautzen zwei ver­schiedene Strafvol­lzug­sein­rich­tun­gen gab. Bis zum Jahr 1989 waren ins­ge­samt 2.350 Gefan­gene in »Bautzen II« inhaftiert. Mit der friedlichen Rev­o­lu­tion und der Abset­zung von Honeck­er und Mielke stellte die Stasi ihre Arbeit im Gefäng­nis ein. Von Okto­ber bis Dezem­ber 1989 wur­den die poli­tis­chen Gefan­genen durch die neue DDR-Regierung amnestiert. Zwis­chen 1990 und 1992 diente »Bautzen II« als Außen­stelle der JVA Bautzen dem neugeschaf­fe­nen Jus­tizmin­is­teri­um des Freis­taates Sach­sen. Im Jan­u­ar 1992 wurde die Anstalt endgültig geschlossen. Die Stiftung Säch­sis­che Gedenkstät­ten über­nahm mit ihrer Grün­dung im Feb­ru­ar 1994 den Auf- und Aus­bau der Gedenkstätte Bautzen.

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Lit­er­atur:

  • Gedenkstätte Bautzen (Hrsg.): Der his­torische Ort. Stasi-Gefäng­nis Bautzen II. Die Ortsste­len in der Gedenkstätte Bautzen, Bautzen 2005
  • Karl Wil­helm Fricke; Silke Klewin: Bautzen II. Son­der­haf­tanstalt unter MfS-Kon­trolle 1956 bis 1989. Bericht und Doku­men­ta­tion, Dres­den 2007
  • Wege nach Bautzen II. Biographis­che und auto­bi­ographis­che Porträts, ein­geleit­et von Silke Klewin und Kirsten Wen­zel, Dres­den 1999