Charakterwäsche — Caspar von Schrenck-Notzing, 1965

Der Band gehört zu den kon­ser­v­a­tiv­en Best­sellern der Bun­desre­pub­lik. Bis heute sind sieben, immer wieder aktu­al­isierte, Aufla­gen erschienen, davon zwei als Ull­stein-Taschen­buch. Dabei war Charak­ter­wäsche das erste im eigentlichen Sinn poli­tis­che Buch Cas­par von Schrenck-Notz­ings und befaßte sich gle­ich mit dem »Zen­traltabu« der Nachkriegszeit: der Umerziehungspoli­tik
der Alli­ierten, ins­beson­dere der Amerikan­er.

Tabu war das The­ma insofern, als schon die Nen­nung des Sachver­halts heikel schien, man in staat­stra­gen­den Kreisen pein­lich berührt wirk­te, wenn es um die volk­späd­a­gogis­chen Bemühun­gen der Sieger ging, und lange Zeit Kon­sens herrschte, daß die Prax­is entwed­er hil­f­los-gut­ge­meint oder grotesk war. Solche Unter­schätzung erlaubte sich Schrenck-Notz­ing nicht. Er sah in der re-edu­ca­tion ein Herrschaftsmit­tel, darauf aus­gerichtet, ständi­ge Kon­trolle der Deutschen nicht durch direk­te, son­dern durch indi­rek­te Mach­tausübung zu gewährleis­ten. Auf Grund sein­er inten­siv­en Stu­di­en in den Aktenbestän­den der ehe­ma­li­gen US-Mil­itärver­wal­tung kam er zu dem Schluß, daß es den Siegern des Zweit­en Weltkriegs nicht ein­fach um Ver­nich­tung eines Geg­n­ers und Beute, auch nicht um Ent­naz­i­fizierung und Demokratisierung gegan­gen war, son­dern um einen nach­halti­gen Ein­griff in die Men­tal­ität der Besiegten, eine Kor­rek­tur der Kollek­tivpsy­che, um die Deutschen harm­los zu machen und als Konkur­renten auszuschal­ten. Der Tri­umph von 1945 war allerd­ings nur zu verewigen, wenn man sich mit seinen Bemühun­gen auf die Nachwach­senden
konzen­tri­erte und in Deutsch­land selb­st genü­gend Willige – die »Lib­eralen« – fand, die die Sache der Umerziehung aus eigen­em Antrieb fort­set­zen wür­den, um mit­tels self re-edu­ca­tion zu vol­len­den, was die Alli­ierten nur begonnen hat­ten.

Die großen Blät­ter haben das Buch Schrenck-Notz­ings bei Erscheinen ein­hel­lig kri­tisch, aber dur­chaus respek­tvoll behan­delt. In der öffentlichen Debat­te spielte es allerd­ings keine Rolle, was nicht nur mit der poli­tis­chen Hal­tung des Autors und nicht nur mit seinen The­sen, son­dern auch mit der Tat­sache zu tun hat­te, daß die his­torische Erforschung der unmit­tel­baren Nachkriegszeit aus­stand und bis heute ausste­ht.

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Zitat:

Das Zen­traltabu des heuti­gen Deutsch­land in allen seinen Teilen ist das der besatzungs­geschichtlichen Ursprünge und Hin­ter­gründe unser­er Gegen­wart.

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Aus­gabe:

  • Mit dem Unter­ti­tel Die Re-edu­ca­tion und ihre bleiben­den Auswirkun­gen, Graz: Ares 2004