Murswiek, Dietrich — Staatsrechtler, geboren 1948

Der seit 1990 in Freiburg i.Br. lehrende Pro­fes­sor für Staats- und Ver­wal­tungsrecht sowie Deutsches und Inter­na­tionales Umwel­trecht ist ein­er der jüng­sten Vertreter der Schü­ler­gen­er­a­tion von Ernst Forsthoff. Wie dieser begreift er es als eine Verpflich­tung des Juris­ten in der Indus­triege­sellschaft, die Umwelt vor Zer­störung zu schützen. Mur­swiek ist Begrün­der und führen­der Vertreter der wis­senss­chaftlichen Diszi­plin Umwel­trecht und ein­er der pro­fil­iertesten Vertreter der wertkon­ser­v­a­tiv­en Umweltschutzbe­we­gung.

Mur­swiek, geboren am 11. Okto­ber 1948 in Ham­burg, studierte Rechtswis­senschaften in Hei­del­berg und gehörte dort zum Schüler- und Fre­un­deskreis des Staat­srechtlers Ernst Forsthoff. Bei dem Forsthoff-Schüler Karl Doehring wurde er 1978 in Hei­del­berg mit der Arbeit Die ver­fas­sungs­gebende Gewalt nach dem Grundge­setz pro­moviert. Nach dem baden-würt­tem­ber­gis­chen Ref­er­en­dari­at und ein­er Assis­ten­ten­zeit bei Hart­mut Schie­der­mair in Saar­brück­en wurde er 1984 an der Uni­ver­sität des Saar­lan­des mit ein­er Arbeit über Die staatliche Ver­ant­wor­tung für Risiken der Tech­nik für Öffentlich­es Recht habil­i­tiert. Es han­delte sich um eine der ersten Arbeit­en auf dem Gebi­et des Umwel­trechts. 1986 wurde Mur­swiek auf einen Lehrstuhl für Öffentlich­es Recht und Forstrecht nach Göt­tin­gen berufen, 1990 wech­selte er als Nach­fol­ger Ernst-Wolf­gang Böck­en­fördes auf den Lehrstuhl für Staats- und Ver­wal­tungsrecht nach Freiburg, den er bis heute bek­lei­det.

Während sein­er Schulzeit war Mur­swiek Mitar­beit­er der von dem späteren Philoso­phiepro­fes­sor und Carl-Schmitt-Forsch­er Hein­rich Meier begrün­de­ten kon­ser­v­a­tiv­en Schülerzeitschrift Im Bren­npunkt. Während seines Studi­ums war er Mitar­beit­er der rechts­gerichteten Deutschen Stu­den­ten-Zeitung, zudem Mit­glied des Nation­aldemokratis­chen Hochschul­bun­des. Er protestierte gegen das Tre­f­fen von Willy Brandt und Willi Stoph in Kas­sel. Seit 1972 gehört Mur­swiek ohne Unter­brechung der CDU an. Mur­swiek gehörte zu den Autoren der Zeitschrift Crtiticón sowie der von Gerd-Klaus Kaltenbrun­ner her­aus­gegebe­nen „Herder­bücherei-Ini­tia­tive“. An der von Hein­rich Meier geleit­eten Münch­n­er Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung hielt er 1989 einen Vor­trag über das Wiedervere­ini­gungs­ge­bot des Grundge­set­zes. Wieder­holt war Mur­swiek in Gerichtsver­fahren als Gutachter oder Prozeßbevollmächtigter einge­set­zt. Seit 1990 ver­trat er die Ökol­o­gisch-Demokratis­che Partei in mehreren Wahlrecht­san­gele­gen­heit­en. Immer wieder von Mur­swiek rechtlich berat­en und vertreten wurde der CSU-Bun­destagsab­ge­ord­nete Peter Gauweil­er, aber auch die Linkspartei und die Grü­nen. Daneben kom­men­tiert Mur­swiek etwa auch das Grundge­setz (Artikel 2 und 20 a) in dem Kom­men­tar von Michael Sachs, für den „Bon­ner Kom­men­tar“ die Präam­bel. Auf der Tagung der Staat­srecht­slehrervere­ini­gung 1989 in Han­nover war Mur­swiek ein Berichter­stat­ter zu dem The­ma „Die Bewäl­ti­gung der wis­senschaftlichen und tech­nis­chen Entwick­lun­gen durch das Ver­wal­tungsrecht“.

Inner­halb der deutschen Staat­srecht­slehre ver­tritt Mur­swiek einen orig­inellen Stand­punkt, zu dem vor 1989 ein unmißver­ständlich­es Beken­nt­nis zum Widervere­ini­gungs­ge­bot des Grundge­set­zes gehörte, nach der Wiedervere­ini­gung Fra­gen der Staat­spflege und staatlichen Selb­st­darstel­lung. Er befür­wortet das juris­tis­che „Recht auf Heimat“ und kri­tisiert die Arbeit der Ver­fas­sungss­chutzbe­hör­den. Die europäis­che Eini­gung wird von ihm als Euro­parechtler keineswegs abgelehnt, aber kri­tisch begleit­et, Kla­gen gegen den Ver­trag von Liss­abon oder den Euro-Ret­tungs­fonds wur­den von ihm vertreten. Als Völk­er­rechtler gehört er zu den schar­fen Kri­tik­ern der amerikanis­chen Außen­poli­tik etwa unter George W. Bush. Im Wahlrecht set­zte er sich für die Rechte der kleineren Parteien auf angemessene Berück­sich­ti­gung ihrer Stim­men ein. Eine große Kon­stante in seinem Werk ist der Ein­satz für den Umweltschutz, etwa als Prozeßbei­s­tand zahlre­ich­er Naturschutzver­bände oder als juris­tis­ch­er Befür­worter von PKW-Abgaben in Innen­städten oder „Ökos­teuern“.

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Zitat:

Das typ­is­che Regelungssys­tem des tech­nis­chen Sicher­heit­srechts hat das Recht der Tech­nik zur bloßen Recht­stech­nik entleert, zu einem Gefüge von Organ­i­sa­tions- und Ver­fahrensvorschriften, die den Konkretisierung­sprozeß organ­isieren, aber nicht steuern, so daß die dynamis­che und kon­tinuier­liche Rezep­tion von pri­vat­en Tech­nikeror­gan­i­sa­tio­nen oder von Sachver­ständi­gen­gremien erzeugter tech­nis­ch­er Nor­men zu ein­er weit­ge­hen­den tech­nokratis­chen Selb­streg­ulierung führen kon­nte.

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Schriften:

  • Die ver­fas­sunggebende Gewalt nach dem Grundge­setz für die Bun­desre­pub­lik Deutsch­land, Berlin 1978
  • Die staatliche Ver­ant­wor­tung für die Risiken der Tech­nik. Ver­fas­sungsrechtliche Grund­la­gen und immis­sion­ss­chutzrechtliche Aus­for­mung, Berlin 1985
  • Das Staat­sziel der Ein­heit Deutsch­lands nach 40 Jahren Grundge­setz, München 1989
  • Die Ent­las­tung der Innen­städte vom Indi­vid­u­alverkehr. Abgaben und andere Geldleis­tungspflicht­en als Mit­tel der Verkehrslenkung, Baden-Baden 1993
  • Umweltschutz als Staat­szweck. Die ökol­o­gis­chen Legit­im­itäts­grund­la­gen des Staates, Bonn 1995
  • Das Wiedervere­ini­gungs­ge­bot des Grundge­set­zes und die Gren­zen der Ver­fas­sungsän­derung. Ein Beitrag zur Diskus­sion um die Ver­fas­sungswidrigkeit der wiedervere­ini­gungs­be­d­ingten Grundge­set­zän­derun­gen, Köln 1999
  • Die amerikanis­che Präven­tivkriegsstrate­gie und das Völk­er­recht, in: Neue juris­tis­che Wochen­schrift 2003
  • Ver­fas­sungss­chutz durch Infor­ma­tion der Öffentlichkeit. Zur Entwick­lung der Ver­fas­sungss­chutzberichte seit dem JF-Beschluss, in: Infor­ma­tions­frei­heit und Infor­ma­tion­srecht 2009

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Lit­er­atur:

  • Mar­tin Hochhuth (Hrsg.): Nach­denken über Staat und Recht. Kol­lo­qui­um zum 60. Geburt­stag von Diet­rich Mur­swiek, Berlin 2010
  • Flo­ri­an Scri­ba: “Legale Rev­o­lu­tion”? Zu den Gren­zen ver­fas­sungsän­dern­der Rechts­set­zung und der Halt­barkeit eines umstrit­te­nen Begriffs, Berlin 2009