Essen – Villa Hügel

Aus der Res­i­denz der »Stahlkönige« ist ein Muse­um gewor­den. Die Vil­la Hügel, ober­halb des Essen­er Baldeney­sees, ein­er Ver­bre­iterung der Ruhr, gele­gen, war einst das Wahrze­ichen für den Auf­stieg eines der größten bürg­er­lichen Unternehmer des 19. Jahrhun­derts in Deutsch­land. Der 1811 gegrün­dete Betrieb war mit bahn­brechen­den Erfind­un­gen wie etwa naht­losen Eisen­bah­n­reifen während der indus­triellen Rev­o­lu­tion zum Großkonz­ern aufgestiegen. Sehr früh führte Krupp soziale Errun­gen­schaften wie Betrieb­skrankenkassen, eigene Arbeit­er-Wohn­vier­tel, Kranken­häuser und Geschäfte mit vergün­stigten Preisen ein.

Alfred Krupp (1812–1887), Vater von Friedrich Alfred Krupp und Groß­vater von Bertha Krupp, hat­te die Vil­la auf dem Hügel über der Ruhr 1868 pla­nen lassen – als eine »Woh­nung mit großen  Local­i­taeten zum Wohnen, Logieren, Con­ferieren und Feten«. Das Anwe­sen umfaßt 8 100 Quadrat­meter Wohn- und Nutzfläche, der Park ist 28 Hek­tar groß. Fünf Jahre lang wurde an der 269-Zim­mer-Vil­la gebaut, für dama­lige Ver­hält­nisse mod­ern­ste Haustech­nik instal­liert und dabei mehrere Architek­ten »ver­schlis­sen«. Über vier Gen­er­a­tio­nen blieb die Vil­la der Fam­i­lien­sitz der Krup­ps, die dort zu Spitzen­zeit­en fast 650 Mitar­beit­er beschäftigten.

Der­er bedurfte es offen­bar, um es der Vielzahl an illus­tren wie hochrangi­gen Gästen bei ihrem Besuch in Essen an nichts fehlen zu lassen. Während der rheinis­che Hochadel nur sel­ten bei den Stahlfab­rikan­ten gesichtet wurde, waren Vertreter aus Poli­tik, Wirtschaft, Jus­tiz und Mil­itär regelmäßige Besuch­er. Zu einem Dauer­gast wurde ab 1890 Kaiser Wil­helm II., in dessen Bei­sein
auch am 15. Okto­ber 1906 die Hochzeit zwis­chen Bertha Krupp, die das Wel­tun­ternehmen 1902 im Alter von ger­ade ein­mal 16 Jahren geerbt hat­te, und Gus­tav von Bohlen und Hal­bach stat­tfand. Im August 1912 gön­nte man sich eine dre­itägige 100-Jahr-Feier, zu der eben­falls der Kaiser mit seinem Hof­s­taat anreiste. Unter den Gästen waren u. a. Prinz Hein­rich, Reich­skan­zler Theobald von Beth­mann Holl­weg und Großad­mi­ral Alfred von Tir­pitz. Zu den Höhep­unk­ten des Festes gehören eine Fahrt durch die Stadt, eine Werks­besich­ti­gung, ein Fes­takt im Lichthof der Vil­la und ein abendlich­es Festmahl mit 400 gelade­nen Gästen.

Weniger prunk­voll und eher selb­stkri­tisch mocht­en sich die Ver­ant­wortlichen im Jahr 2011 beim 200jährigen Beste­hen geben, unter denen sich jedoch längst kein Mit­glied der Fam­i­lie Krupp mehr befand. Krupp habe tiefe Krisen erlebt, sagte der Vor­sitzende der Krupp-Stiftung, Berthold Beitz, bei dieser Gele­gen­heit. Dem Anspruch eines »moralis­chen Kap­i­tal­is­mus« sei man nicht immer gerecht gewor­den. Die Fir­men­philoso­phie ein­er beson­deren Ver­bun­den­heit mit den Beschäftigten und dem Gemein­wohl sei aber immer Maßstab des Han­delns gewe­sen und müsse das auch in Zukun­ft sein. Bun­de­spräsi­dent Chris­t­ian Wulff würdigte, daß der Krupp-Konz­ern sich »auch den düsteren Seit­en des Mythos« wie Rüs­tung­spro­duk­tion und Zwangsar­beit stelle, sich zu dieser »his­torischen Ver­ant­wor­tung « sehr früh bekan­nt und schon 1959 Entschädi­gun­gen an die jüdis­chen Zwangsar­beit­er gezahlt habe.

Stel­lvertre­tend für die »soziale Ader« der Krup­ps ste­ht Mar­garethe Krupp (1854–1931), die Schwiegertochter Alfred Krup­ps. Anläßlich der Hochzeit ihrer Tochter Bertha unter­schrieb sie eine Wil­lenserk­lärung zur Grün­dung der Mar­garethe-Krupp-Stiftung für Woh­nungs­für­sorge. Unter Fed­er­führung des Refor­mar­chitek­ten Georg Met­zen­dorf (1874–1934) ent­stand mit der Sied­lung Mar­garethen­höhe ein eigen­ständi­ger Essen­er Stadt­teil. Eben­so grün­dete Mar­garethe Krupp eine Stiftung für die Krankenpflege von Werk­sange­höri­gen.

Während sich die dör­flich-gefäl­lige Architek­tur der Mar­garethen­höhe auf dem Essen­er Woh­nungs­markt bis heute großer Beliebtheit erfreut, geri­et dem Krupp-Konz­ern sein Nim­bus als deutsch­er »Waf­fen­schmiede« weniger betrieb­swirtschaftlich denn ide­ol­o­gisch zum Ver­häng­nis. Wur­den in dem Essen­er Gußs­tahlw­erk nach dem Ersten Weltkrieg auf­grund der Restrik­tio­nen von Ver­sailles zunächst Reg­istri­erkassen, Milchkan­nen und Bag­ger für den Berg­bau pro­duziert, so änderte sich dies in den dreißiger Jahren: Im Geschäfts­bericht für die Jahre 1934/35, der einen Umsatz von 488 Mil­lio­nen Reichs­mark verze­ich­net, heißt es: »Erst­ma­lig nach jahre­langer Unter­brechung haben wir auch wieder größere Aufträge der deutschen Wehrma­cht aus­ge­führt und sind damit zu ein­er ehren­vollen Tra­di­tion unseres Haus­es zurück­gekehrt.«

Bis Kriegsende ver­lassen vor allem Geschütze, Flu­gab­wehrkanonen, Panz­er und das einzi­gar­tige Riesen­geschütz »Dora« mit seinem Kaliber von 80 Zen­time­tern und dem 40 Meter lan­gen Rohr die Werk­shallen im Ruhrge­bi­et. Während die Wehrma­chts­gen­eräle arge Zweifel an der Tauglichkeit von »Dora« haben (»Schießen ja, tre­f­fen nein«), erhält Krupp 1940 die Ausze­ich­nung als »nation­al­sozial­is­tis­ch­er Muster­be­trieb«.

Nach Kriegsende beschlagnahmten die Amerikan­er das Anwe­sen und funk­tion­ierten es zum Sitz der alli­ierten Kon­trol­lkom­mis­sion um. Alfried Krupp von Bohlen und Hal­bach wurde in Nürn­berg
zu zwölf Jahren Gefäng­nis verurteilt, samt Ver­lust des gesamten Ver­mö­gens, wenig später erfol­gte die Revi­sion des Urteils. 1952 ging die Vil­la Hügel an die Fam­i­lie Krupp zurück. Alfried Krupp von Bohlen und Hal­bach übertrug das gesamte Fam­i­lien­ver­mö­gen und damit auch die Vil­la der von ihm errichteten Stiftung. Vor­sitzen­der war bis zu seinem Tod im Juli 2013 Berthold Beitz, langjähriger Gen­er­al­bevollmächtigter des Krupp-Konz­erns. Seit 1999 ist Krupp mit der Duis­burg­er Fir­ma Thyssen zum Dax-Konz­ern ThyssenK­rupp fusion­iert, der weltweit etwa 165 000 Men­schen beschäftigt. Wichtig­ster Einze­lak­tionär mit gut 25 Prozent ist die Krupp-Stiftung.

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Lit­er­atur:

  • Gere­on Buch­holz: Der Hügel. Vil­la und Park, Essen 1998
  • Tilmann Bud­den­sieg: Vil­la Hügel. Das Wohn­haus Krupp in Essen, Berlin 1998
  • Andreas Hel­frich: Die Mar­garethen­höhe Essen. Architekt und Auf­tragge­ber vor dem Hin­ter­grund der Kom­mu­nalpoli­tik Essen und der Fir­men­poli­tik Krupp zwis­chen 1886 und 1914, Weimar 2000
  • Renate Köhne-Lin­den­laub: Die Vil­la Hügel. Unternehmenswohn­sitz im Wan­del der Zeit, München 2008