Domizlaff, Hans, Markentechniker, 1892–1971

Hans Dom­i­zlaff, ein »Mann wie ein Ozean­riese« (žArmin Mohler), machte sich schon in jun­gen Jahren einen Namen als Kun­st­maler; u. a. förderte Max Klinger die außergewöhn­liche Begabung des am 9. Mai in Frankfurt/Main Gebore­nen. Nach dem Ersten Weltkrieg wandte sich Dom­i­zlaff allerd­ings dem Indus­triedesign und der Wer­be­ber­atung zu und ent­warf ein Konzept der »Marken­tech­nik«, das er zuerst für die Fir­ma Reemts­ma, dann für Siemens prak­tisch umset­zte. Er erfand im Grunde das Konzept des cor­po­rate design, das in vielem bis heute als vor­bildlich gilt.

Den Grundgedanken solch­er Marken­tech­nik hielt Dom­i­zlaff auch im poli­tis­chen Bere­ich für anwend­bar und schrieb 1932 ein Buch, Pro­pa­gan­damit­tel der Staat­sidee, das dabei helfen sollte, den unseli­gen »Flaggen­stre­it« zu been­den und der Ver­fas­sung­sor­d­nung der Weimar­er Repub­lik jenes Anse­hen zu ver­schaf­fen, das sie benötigte, um in den Köpfen und Herzen ihrer Bürg­er einen Platz zu find­en. Nach Dom­i­zlaffs Aus­sage soll sich Reich­skan­zler Brün­ing leb­haft für seinen Plan inter­essiert haben, aber der rasche Zusam­men­bruch der Demokratie machte jede prak­tis­che Umset­zung unmöglich. Sein­er Auto­bi­ogra­phie zufolge hat es 1936 auch eine Begeg­nung mit Pro­pa­gan­damin­is­ter Goebbels gegeben, der sich als Ken­ner der Schriften Dom­i­zlaffs aus­gab.

Anson­sten hielt Dom­i­zlaff Dis­tanz zum NS-Regime, zog sich auch Anfang der vierziger Jahre aus dem Geschäft­sleben zurück. Er konzen­tri­erte statt dessen erhe­bliche Energie auf die Grün­dung und Entwick­lung des Naturschutz­parks Lüneb­urg­er Hei­de. Nach dem Zusam­men­bruch 1945 beschlagnahmte die britis­che Besatzungs­macht für zwei Jahre seinen Besitz, erst danach kon­nte er die Zusam­me­nar­beit mit Reemts­ma und Siemens wieder aufnehmen. 1954 grün­dete Dom­i­zlaff außer­dem das Insti­tut für Marken­tech­nik in Ham­burg.

Schon in Pro­pa­gan­damit­tel kam ein aus­ge­sprochen kon­ser­v­a­tives – im Hin­blick auf massenpsy­chol­o­gis­che Erwä­gun­gen kön­nte man sagen: zynis­ches – Men­schen­bild zum Tra­gen, das bei Dom­i­zlaff allerd­ings ein Wider­lager fand in sein­er aus­geprägten Christlichkeit und einem pater­nal­is­tis­chen Ver­ständ­nis des Sozialen. Bei­de Aspek­te spiel­ten auch nach 1945 eine wichtige Rolle in seinem Denken und mehreren Schriften, die nie für eine bre­it­ere Öffentlichkeit gedacht waren, son­dern als Pri­vat­drucke erschienen. Während er sich ursprünglich mit eini­gen Denkschriften zu Wort meldete, kam der eso­ter­ische Charak­ter sein­er Über­legun­gen vor allem zum Aus­druck mit dem Bre­vi­er für Könige (1950) und Die Seele des Staates. Ein Regel­buch der Elite (1957). Das Regel­buch war im Grunde ein Ver­such, die arcana imperii zu klären und die junge Bun­desre­pub­lik vor dem Schick­sal Weimars zu bewahren, das nach Mei­n­ung von Dom­i­zlaff an einem naiv­en Staats- und Poli­tikver­ständ­nis zugrunde gegan­gen war. Die Offen­le­gung von arcana ist allerd­ings immer ein Prob­lem und in ganz beson­derem Maß, wenn es um so heik­le Wahrheit­en wie die geht, die Dom­i­zlaff vorzustellen hat­te. Nach hefti­gen Protesten mußte das Regel­buch schließlich zurück­ge­zo­gen wer­den. Dom­i­zlaff hat sich später nicht mehr expliz­it zu poli­tis­chen Fra­gen geäußert, sein let­ztes Buch befaßte sich mit religiösen The­men. Obwohl der Name Dom­i­zlaff in politi­cis rasch vergessen war, darf sein sub­ku­tan­er Ein­fluß nicht unter­schätzt wer­den.

Dom­i­zlaff starb am 5. Sep­tem­ber 1971 in Ham­burg.

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Zitat:

Jed­er Fortschritt set­zt mehr oder weniger bedeut­same inner­poli­tis­che Erschüt­terun­gen, soziale Kämpfe oder Parteienkon­flik­te voraus, denn das gehört zum Wesen eines staatlichen Lebens. Doch sobald es sich nicht mehr um natür­liche Wach­s­tumsvorgänge, son­dern um grund­sät­zliche Umbil­dun­gen han­delt, geht mit dem Aus­gangspunkt der Entwick­lung auch das ernährende Wurzel­w­erk ver­loren. So sind z. B. die rev­o­lu­tionären Geschehnisse von 1848 in Preußen reine Entwick­lungskrisen ohne Änderung des Typus, wohinge­gen die Umwand­lun­gen 1918 und 1945 totale Brüche mit den natür­lichen Wach­s­tums­ge­set­zen kennze­ich­nen.

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Schriften:

  • Pro­pa­gan­damit­tel der Staat­sidee, Altona-Oth­marschen 1932
  • Die Gewin­nung des öffentlichen Ver­trauens – Ein Lehrbuch der Marken­tech­nik, Ham­burg 1939 Aufl. 2005
  • Bre­vi­er für Könige, Ham­burg 1950
  • Nach­den­kliche Wan­der­schaft. Auto­bi­ographis­che Frag­mente, Ham­burg 1950
  • Es geht um Deutsch­land. Massenpsy­chol­o­gis­che Stich­worte für eine sozialpoli­tis­che Reform, Ham­burg 1952
  • Die Seele des Staates. Ein Regel­buch der Elite, Ham­burg 1958
  • Religiöse Phänomene. Med­i­ta­tio­nen über unbe­wußte Bindun­gen, Ham­burg 1970

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Lit­er­atur:

  • Paul W. Mey­er (Hrsg.): Begeg­nun­gen mit Hans Dom­i­zlaff. Festschrift zum 75. Geburt­stag, Essen 1967
  • Dirk Schin­del­beck: Stilgedanken zur Macht, in: ders./Rainer Gries/Volker Ilgen: »Ins Gehirn der Masse kriechen!« Wer­bung und Men­tal­itäts­geschichte, Darm­stadt 1995
  • Peter Sumer­auer: Hans Dom­i­zlaff und der Ursprung der Marken­tech­nik, in: Jahrbuch Marken­tech­nik 1995