Eysenck, Hans Jürgen, Psychologe, 1916–1997

Hans Jür­gen Eysenck war ein britis­ch­er Psy­chologe deutsch-jüdis­ch­er Herkun­ft. Geboren wurde er am 4. März 1916 in Berlin. Er set­zte sich in den 1960er und 1970er Jahren erfol­gre­ich für die Reha­bil­i­tierung der Vererbungslehre ein und ver­wies auf die Gren­zen milieuthe­o­retis­ch­er Gesellschaft­skonzepte.

Eysenck wuchs in linken Kün­stlerkreisen in Berlin auf. Aus poli­tis­chen Grün­den und weil seine Mut­ter jüdis­ch­er Abstam­mung war, emi­gri­erte er 1934 nach Lon­don. Dort studierte er englis­che Lit­er­atur, Geschichte und Psy­cholo­gie und pro­movierte 1940 bei dem Psy­cholo­gen Cyril Burt. Während des Krieges war er in ein­er Lon­don­er Klinik beschäftigt. Von 1955 bis 1983 hat­te Eysenck eine Pro­fes­sur an der Uni­ver­sität Lon­don inne.

Eysenck gehörte zu den ersten Psy­cholo­gen, die mit mod­er­nen sta­tis­tis­chen Meth­o­d­en arbeit­eten. In der Tra­di­tion von Fran­cis Gal­ton und Karl Pear­son ste­hend, befaßte er sich vor allem mit der empirischen Per­sön­lichkeits­forschung. Mit Hil­fe der Fak­tore­n­analyse und stan­dar­d­isiert­er Frage­bö­gen unter­schied er mehrere Grund­di­men­sio­nen der Per­sön­lichkeit, die bei allen Men­schen mehr oder weniger stark aus­geprägt sind. Diese sind die Extraversion/Introversion und die emo­tionale Sta­bil­ität beziehungsweise Labil­ität (Neu­ro­tizis­mus). Später fügte er noch als dritte Dimen­sion den Psy­cho­tismus hinzu, der im wesentlichen eine  Kom­bi­na­tion von emo­tionaler Kälte und Egozen­trik ist. Zwill­ing­sun­ter­suchun­gen zeigen, daß die drei Dimen­sio­nen in hohem Maße genetisch bes­timmt sind.

Zwill­ing­sun­ter­suchun­gen bele­gen auch die Erblichkeit krim­inellen Ver­hal­tens. Eysenck wies darüber hin­aus in mehreren Stu­di­en nach, daß Krim­inelle sich von der nichtkrim­inellen Bevölkerung durch ein höheres Maß an Extra­ver­sion und zugle­ich an emo­tionaler Labil­ität (Neu­ro­tizis­mus) unter­schei­den. Daß Intro­vertierte sel­tener krim­inell wer­den, führte er auf deren bessere soziale Kon­di­tion­ier­barkeit zurück. Auch zwis­chen poli­tis­chen Ein­stel­lun­gen und Per­sön­lichkeitsmerk­malen kon­nte Eysenck Zusam­men­hänge nach­weisen

Eysenck trat in der IQ-Debat­te Ende der sechziger und in den siebziger Jahren den amerikanis­chen Psy­cholo­gen Arthur R. Jensen und Richard Her­rn­stein zur Seite, die wegen der von ihnen vertrete­nen Auf­fas­sung, daß die IQ-Unter­schiede zwis­chen den sozialen Schicht­en und zwis­chen Weißen und Schwarzen in den USA nicht nur umweltbe­d­ingt seien, son­dern auch auf genetis­chen Unter­schieden beruht­en, mas­siv­en Ras­sis­musvor­wür­fen aus­ge­set­zt waren.

Harsche Kri­tik übte Eysenck an der Psy­cho­analyse. Deren the­o­retis­che Grun­dan­nah­men seien empirisch entwed­er gar nicht nach­prüf­bar oder ein­deutig wider­legt. Großan­gelegte Erhe­bun­gen der Kranken­ver­sicher­er in den USA zeigten, daß der Behand­lungser­folg der Psy­cho­analyse bei Neu­rosen nicht größer ist als die Spon­tan­heilung ohne Behand­lung. Eysenck selb­st war ein Befür­worter der Ver­hal­tens­ther­a­pie, die von allen ther­a­peutis­chen Ver­fahren noch die besten Ergeb­nisse erzie­len würde.

Im hohen Alter befaßte sich Eysenck mit dem Prob­lem von Psy­chopatholo­gie und Genial­ität. Beobach­tun­gen darüber, daß geniale Men­schen oft psy­chis­che Störun­gen aufweisen, gibt es seit jeher.
Eysenck belegte diesen Zusam­men­hang empirisch und sah die Grund­lage für ihn darin, daß Genies sich neben aus­ge­sproch­en­er Begabung auch durch ein hohes Maß an Psy­cho­tismus ausze­ich­neten, das sie oft­mals erst zu ihrer beson­deren Kreativ­ität ans­porne.

In der heuti­gen Per­sön­lichkeits­forschung hat sich ein fünfdi­men­sion­ales  Per­sön­lichkeitsmod­ell, das der soge­nan­nten big five, durchge­set­zt. Es hat von Eysenck die ersten bei­den Fak­toren, Extraversion/Introversion und Neu­ro­tizis­mus, über­nom­men, nicht jedoch seinen drit­ten Fak­tor, Psy­cho­tismus. An dessen Stelle ste­hen jet­zt die drei Fak­toren Verträglichkeit, Gewis­senhaftigkeit und Offen­heit für Erfahrun­gen.

Indem er die mod­erne Psy­cholo­gie auf eine empirische und natur­wis­senschaftliche Basis stellte, half Eysenck, die bis dahin vorherrschen­den speku­la­tiv-geis­teswis­senschaftlichen Rich­tun­gen in der Psy­cholo­gie zu über­winden. Durch die Beto­nung der genetis­chen Grund­la­gen der Per­sön­lichkeit und der Begabung ver­mit­telte er ein real­is­tis­cheres Bild vom Men­schen und der Gesellschaft.
Auf diese Weise trug er entschei­dend zur Über­win­dung des utopis­tis­chen Wun­schdenkens bei, das durch linke Ide­olo­gien in die Psy­cholo­gie getra­gen wor­den war.

Eysenck starb am 4. Sep­tem­ber 1997 in Lon­don.

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Zitat

Wir neigen alle zu der Ansicht, daß die meis­ten Leute wie wir selb­st sind beziehungsweise sich in einem nur gerin­gen Maße … von uns unter­schei­den. Und genau­so glauben wir, daß wir diese Leute sehr leicht zu unser­er Denkweise bekehren und ihr Ver­hal­ten in unserem Sinne verän­dern kön­nen. Doch diese Annahme ist falsch.

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Schriften

  • Wege und Abwege der Psy­cholo­gie, Rein­bek 1956
  • Vererbung, Intel­li­genz und Erziehung. Zur Kri­tik der päd­a­gogis­chen Milieuthe­o­rie, Stuttgart 1975
  • Die Ungle­ich­heit der Men­schen, München 1975
  • Sex­u­al­ität und Per­sön­lichkeit, Wien 1977
  • Krim­i­nal­ität und Per­sön­lichkeit, Wien 1977
  • Sig­mund Freud. Nieder­gang und Ende der Psy­cho­analyse, München 1985
  • Per­sön­lichkeit und Iden­tität, München 1987
  • Die IQ-Bibel. Intel­li­genz ver­ste­hen und messen, Stuttgart 2004

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Lit­er­atur

  • H. B. Gib­son: Hans Eysenck. The man and his work, Lon­don 1981