Hechingen – Burg Hohenzollern, Baden-Württemberg

Der Name Hohen­zollern ist so stark mit Preußen verknüpft, daß man leicht vergißt, daß das Geschlecht ursprünglich aus Schwaben kommt. Bere­its für das 11. Jahrhun­dert ist die Exis­tenz der »Zollern« belegt, und es ist zu ver­muten, daß auch schon eine befes­tigte Anlage auf ihrem Stamm­sitz, dem Burg­berg bei Hechin­gen, stand. Erst­mals erwäh­nt wird die Burg 1267, doch nimmt man auf­grund von Bericht­en über ihre beson­ders großzügige Ausstat­tung an, daß sie zumin­d­est auf das 12. Jahrhun­dert zu datieren ist. Anson­sten ist nicht sehr viel über die konkrete Gestalt dieser Burg Hohen­zollern bekan­nt, die im 15. Jahrhun­dert infolge von Erb­stre­it­igkeit­en zer­stört wurde. 1453 fol­gte der Wieder­auf­bau im spät­go­tis­chen Stil, von dem heute allerd­ings nur noch die dem heili­gen Michael gewei­hte Kapelle erhal­ten ist.

Zu diesem Zeit­punkt hat­te die fränkische Lin­ie der Hohen­zollern (žžNürn­berg) bere­its das Kur­fürsten­tum von Bran­den­burg erhal­ten, wom­it der Grund­stein für den Hohen­zollern-Staat Preußen gelegt war. (Brandenburg-)Preußen von einem unbe­deu­ten­den Kle­in­staat zu einem wesentlichen Fak­tor im europäis­chen Staaten­sys­tem gemacht zu haben, ist das Ver­di­enst zweier Jahrhun­derte – dem 17. und 18. –, in denen vier über­durch­schnit­tlich begabte Herrsch­er aufeinan­der­fol­gten: Friedrich Wil­helm, der Große Kur­fürst, der eine zen­trale Ver­wal­tung und ein ste­hen­des Heer schuf; Friedrich III., der Preußen zum Kön­i­gre­ich und sich selb­st zu König Friedrich I. machte (žžKönigs­berg); Friedrich Wil­helm I. (Oder­bruch), der »Sol­datenkönig«, der den Haushalt kon­so­li­dierte und die preußis­che Armee entschei­dend stärk­te; und schließlich Friedrich II., der Große, der in drei Kriegen Preußen als europäis­che Groß­macht etablierte (Leuthen, Oder­bruch, Pots­dam).

Schon der Große Kur­fürst hat­te den Kon­takt nach Schwaben gesucht, um eventuelle Erb­nach­fol­gemöglichkeit­en zu sondieren. Der schwäbis­chen Lin­ie der Hohen­zollern war es bis zum Dreißigjähri­gen Krieg gelun­gen, ihre Macht einiger­maßen zu kon­so­li­dieren und sog­ar in beschei­den­em Umfang auszubauen. Die Burg aber über­ließ man 1667 öster­re­ichis­ch­er Besatzung. Es fol­gten 150 Jahre, in denen über den Besitz gestrit­ten wurde. Das hat­te zur Folge, daß die Burg Hohen­zollern zuse­hends ver­fiel, bis sie zu Beginn des 19. Jahrhun­derts wie so viele andere Bur­gen nur noch eine Ruine war. Nach der gescheit­erten Rev­o­lu­tion von 1848 (žžFrank­furt am Main – Paulskirche) wur­den die schwäbis­chen Fürsten­tümer Hohen­zollern-Sig­marin­gen und ‑Hechin­gen
von der preußis­chen Kro­ne über­nom­men; die Burg befand sich damit im Besitz des preußis­chen Königs.

Dieser, Friedrich Wil­helm IV., hat­te schon 1819 als Kro­n­prinz den Plan gefaßt, die Burg wieder­aufzubauen, und Maß­nah­men zur Restau­rierung der weit­ge­hend erhal­te­nen Michael­skapelle getrof­fen. Der sich für Kun­st und Architek­tur begeis­ternde und maßge­blich von der Roman­tik bee­in­flußte Hohen­zoller sah hier eine Gele­gen­heit, Mit­te­lal­ter­ro­man­tik, eigene Fam­i­liengeschichte und nationales Sendungs­be­wußt­sein miteinan­der zu verbinden. Der Neubau in den Jahren 1846 bis 1867 erfol­gte unter der Leitung Rudolph von Still­frieds und des Architek­ten August Stüler – eines Schülers von Karl Friedrich Schinkel – im neogo­tis­chen Stil. Still­fried ver­wen­dete zahlre­iche his­torische Vor­la­gen sowohl für die Grun­drisse als auch für die Ausstat­tung – die evan­ge­lis­che Kapelle etwa ist maßge­blich von der Sainte-Chapelle in Paris inspiri­ert – und ver­fol­gte ins­ge­samt das Ziel, die führende poli­tis­che Rolle des Haus­es Hohen­zollern mit dem Bau zu versinnbildlichen und his­torisch zu begrün­den. Für den preußis­chen König wiederum dürfte es ein beson­der­er Glücks­fall gewe­sen sein, daß ger­ade auf seinem Fam­i­lien­sitz eine Kapelle erhal­ten geblieben war, die Sankt Michael gewei­ht war, dem Schutz­pa­tron der Deutschen, den Friedrich Wil­helm IV. zusam­men mit Schinkel (Berlin – Bran­den­burg­er Tor) wieder zum deutschen Nation­al­heili­gen machen wollte. Für die Zeit bis zum Ende des Ersten Weltkriegs ist man mit diesem Anliegen erstaunlich weit gekom­men, was auch damit zusam­men­hängt, daß Kaiser Wil­helm II. (žDoorn, Jerusalem) sich eben­falls und vor allem wesentlich erfol­gre­ich­er diesem The­ma wid­mete. Die Deu­tung von Preußens »deutschem Beruf«, also der his­torischen Auf­gabe des Haus­es Hohen­zollern, die deutsche Frage endlich im Sinne eines geein­ten deutschen Nation­al­staates zu lösen, war ohne­hin nach 1871 (žVer­sailles) all­ge­mein ver­bre­it­et.

Nach zwei ver­lore­nen Weltkriegen und dem Ende des preußis­chen Staates hat­ten solche Deu­tun­gen keine Kon­junk­tur mehr. Die Burg Hohen­zollern allerd­ings ste­ht noch, seit 1952 auf das Betreiben des Prinzen Louis Fer­di­nand von Preußen hin sog­ar reich aus­ges­tat­tet mit Doku­menten der preußis­chen Geschichte. Die Uni­form Friedrichs des Großen wird auf Burg Hohen­zollern eben­so aus­gestellt wie die preußis­che Königskro­ne Wil­helms II. Auf diese Weise haben die etwa 300 000 jährlichen Besuch­er die Möglichkeit, eine Ahnung nicht nur von der preußis­chen Geschichte ins­ge­samt zu erhal­ten, son­dern auch von deren enger Verbindung mit der deutschen Nation im 19. Jahrhun­dert. Insofern gehört die Burg Hohen­zollern als Stamm­sitz der preußis­chen Herrsch­er zu den Mon­u­menten der »preußis­chen Dimen­sion « (Karl­heinz Weiß­mann), die bleibend notwendig ist für Deutsch­lands poli­tis­che Exis­tenz.

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Lit­er­atur:

  • Rolf Bothe: Burg Hohen­zollern. Von der mit­te­lal­ter­lichen Burg zum nation­al-dynas­tis­chen Denkmal im 19. Jahrhun­dert, Berlin 1979
  • Frank-Lothar Kroll (Hrsg.): Preußens Herrsch­er. Von den ersten Hohen­zollern bis Wil­helm II., München 2009
  • Karl­heinz Weiß­mann: Die preußis­che Dimen­sion. Ein Essay, München 2001